Gutsherrenart:Verdi attackiert Schlecker, Aldi und Lidl

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Schlecker, Aldi, Lidl - Namen, mit denen gemeinhin Erfolg und Profit verbunden werden. Doch wenn es um ganz normale Arbeitnehmerrechte wie etwa die Mitbestimmung geht, zeigen sich schnell die dunklen Seiten der Discountriesen. Gewerkschaftsboss Bsirske schimpft lautstark.

Wenn die meisten Kunden noch im Bett liegen, beginnt für tausende Kassierinnen bei Aldi, Lidl und Schlecker ein echter Knochenjob. Um kurz nach 5:00 Uhr rollen die Laster an, bringen palettenweise frische Ware, die bis zur Ladenöffnung in den Regalen verstaut sein muss. Danach noch schnell die Filiale durchwischen, die neuen Reklameposter ins Fenster hängen und dann stundenlang an der Kasse sitzen.

Drohungen sollen gefügig machen

Wer bei den Discountern arbeitet, muss hart im Nehmen sein. Pausen sind verpönt, Überstunden die Regel. Besonders schwer haben es Betriebsräte und Gewerkschaftsmitglieder. "Drohungen sind keine Einzelfälle, das Klima der Angst und Einschüchterung ist Geschäftsmodell", sagt Verdi-Chef Frank Bsirske. Die Gewerkschaft machte am Montag in mehr als 1000 Filialen der Handelsriesen Aldi Süd, Lidl und Schlecker mobil.

Über drei Viertel der insgesamt 100.000 Beschäftigten seien teilzeitbeschäftigte Frauen, die oft unter "menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen" schufteten. Dabei würden Tarifverträge systematisch missachtet. Verdi-Vertreter verteilten deshalb am Montag fleißig Info-Broschüren und ermunterten die Mitarbeiter, sich gegen ihre oft allmächtigen Vorgesetzten aufzulehnen und Betriebsräte zu bilden.

Fließbandarbeit

Eine Kassiererin bei Aldi oder Lidl sieht täglich fast 600 Kunden, doch für einen kleinen Plausch bleibt keine Zeit. Die Frauen, die für neun bis zwölf Euro brutto die Stunde arbeiten, müssen mindestens 40 Waren pro Minute über den Scanner ziehen. Im Nacken sitzen ihnen strenge Filial- und Bezirksleiter. Rutscht im Alltagsstress ein Artikel unbezahlt über den Scanner, droht schnell eine Abmahnung.

Wagt es gar eine Mitarbeiterin, für den Betriebsrat zu kandidieren, kann sie sich auf eine Sonderbehandlung gefasst machen, erzählen betroffene Kassiererinnen. "Dann steht ständig ein Testkäufer an der Kasse. Machst du einen Fehler, sind deine Tage gezählt", sagt eine Frau, die ihren Namen nicht nennen will. Auch Taschenkontrollen und Videoüberwachung sollten renitente Mitarbeiter zur Räson bringen.

Langwierige und teure Arbeitsgerichtsprozesse gehören ebenfalls zur Drohkulisse der Unternehmen. Eine Schlecker-Betriebsrätin musste sich ihren Job mühsam wieder einklagen, weil die Firma ihr fristlos gekündigt hatte. Begründung: Die Fahrtkostenabrechnung sei um rund drei Euro zu hoch ausgefallen.

Schlecker ist der schlimmste Blockierer

Europas größter Drogist Schlecker (13.500 Filialen, etwa 6,6 Milliarden Euro Umsatz) sei beim Blockieren von Betriebsräten unerreicht, berichtet Verdi. Von 35.000 Beschäftigten in Deutschland sei nur etwa ein Drittel durch Betriebsräte vertreten. Mit dem Unternehmensgründer Anton Schlecker liegt die Gewerkschaft seit Jahren im Clinch.

Wegen Lohndumpings wurden Anton und Christa Schlecker vor fünf Jahren vom Stuttgarter Landgericht zu hohen Geldstrafen und Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Danach unterschrieb der Unternehmer zwar Tarifverträge, doch die Kritik seitens der Arbeitnehmer reißt nichta b.

Aldi Nord wird humaner

Auch bei Deutschlands zweitgrößtem Discounter Lidl (2500 Filialen) gebe es bundesweit nur fünf Betriebsräte, bei Aldi Süd (1500) nur in einer einzigen Niederlassung. "Alle bisherigen Initiativen wurden in der Regel im Keim erstickt", sagt ein Gewerkschaftssprecher. Dagegen seien die Strukturen bei Aldi Nord nicht mehr so geheimnisvoll. Dort schauen Manager inzwischen sogar bei Betriebsversammlungen vorbei und trinken einen Kaffee mit den Kolleginnen von der Kasse.

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