Gutachten:Mensch und Maschine

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Pflege-Roboter werden in Deutschland noch zu wenig genutzt, kritisiert das Karlsruher Institut für Technologie. Die Fokussierung auf die Industrie verstelle die Sicht auf aktuelle Robotik-Entwicklungen.

In Japan werden sie sogar zur Pflege alter Menschen eingesetzt: Dienstleistungsroboter füllen dort eine wenn auch kleine Nische aus. In Deutschland hingegen begegnet man Robotern nur selten außerhalb der Industriehallen und Produktionsstätten. Dienstleistungsroboter spielen in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern eine zu vernachlässigende Rolle. "Außerhalb des verarbeitenden Gewerbes ist die Zahl der genutzten Roboter noch ausgesprochen gering", sagte Ingrid Ott vom Karlsruher Institut für Technologie. Zusammen mit ihren Kollegen von der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) stellte sie das neue Jahresgutachten über den Stand der technologischen Entwicklung vor.

Dabei verpasse das Land große Chancen. Die Fokussierung auf die Industrie "verstellt die Sicht auf aktuelle Robotik-Entwicklungen", sagte Ott. Schließlich habe es "in der jüngsten Vergangenheit bedeutende technische Fortschritte in der Robotik gegeben. Dadurch werden Industrieroboter immer kleiner, leichter, billiger und flexibler im Einsatz. Sie verlassen auch zunehmend die Sicherheitsräume in der Massenproduktion und arbeiten direkt mit Menschen zusammen." Serviceroboter, die etwa in der klinischen Pflege assistieren, in der Logistik Transportaufträge abwickeln oder in Geschäftsräumen und Privathaushalten Reinigungsarbeiten verrichten, "werden mit ihren neuen Einsatzgebieten in Deutschland von der Politik bisher wenig wahrgenommen", kritisierte die EFI-Expertin.

Bedenklich findet die Kommission, dass es noch in vieler Hinsicht an der Förderung hapere. Nach den jüngsten Zahlen wurden 2014 fast zehnmal mehr Industrieroboter verkauft (etwa 230 000) als gewerbliche Serviceroboter (24 000). Die Dynamik dieses neuen Marktes dürfe auf keinen Fall unterschätzt werden, mahnte die EFI: "Marktprognosen besagen, dass die Servicerobotik die Industrierobotik hinsichtlich des weltweiten Marktvolumens bereits um das Jahr 2020 bis 2025 einholen wird." Deutschland drohe den Anschluss an führende Robotik-Nationen, insbesondere die USA, zu verlieren, aber auch im Wettbewerb mit Südkorea und China abgehängt zu werden. Es gelte daher, "die Förderung der Robotik grundlegend zu überdenken und Kräfte zu bündeln".

Zudem sollten Bedenken in der Bevölkerung ausgeräumt werden, dass durch zunehmenden Roboter-Einsatz Beschäftigungschancen oder Löhne gesenkt werden: "Wie die Vergangenheit zeigt, hat technologischer Fortschritt insgesamt immer mehr Arbeitsplätze und Wohlstand geschaffen." In vielen Berufen steige dadurch die Produktivität der Arbeitnehmer.

Nach Meinung der Wissenschaftler ist Deutschland für den digitalen Wandel der Wirtschaft nicht gut genug vorbereitet. "Die Politik hat es versäumt, gute Rahmenbedingungen für neue Geschäftsmodelle zu schaffen, sondern eher auf etablierte Strukturen und Modelle gesetzt", heißt es in dem Gutachten. Die Förderung des digitalen Wandels konzentriere sich zu stark auf die Industrie. Es bedürfe aber einer breiten Gesamtstrategie. Die digitale Agenda der Bundesregierung werde dem nicht gerecht. So fehle es an Ausbildung und an Förderung für Start-ups.

© SZ vom 18.02.2016 / dpa/gwb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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