Güterverkehr:Grüne Gleise, rote Zahlen

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Die Deutsche Bahn will den Güterverkehr massiv ausbauen, auch dem Klima zuliebe. Doch das Geschäft ist verlustreich, was auch an einer völlig veralteten Technik liegt. Das soll sich nun aber ändern.

Von Max Müller, Berlin

Seit Jahren ist die DB Cargo, die Güterverkehrssparte der Deutschen Bahn (DB), ein Verlustgeschäft. Und das, obwohl immer mehr Waren und Güter durch die Gegend gefahren, geschifft und geflogen werden. Der Hoffnungsträger im Kampf für einen umweltfreundlichen Transport ist der Schienengüterverkehr. Es ist der Wettbewerbsvorteil, mit dem Sigrid Nikutta, im Vorstand der DB verantwortlich für den Güterverkehr, im Kampf gegen LKW, Flugzeug und Schiff überzeugen will: "CO₂-freie Lieferketten gibt es nur mit dem Schienengüterverkehr."

Am Dienstag hat Nikutta ihre Pläne zum Umbau der defizitären DB Cargo vorgestellt. Ihr Ziel ist es, aus DB Cargo den größte Bahn-Logistiker Europas zu machen. Schätzungen zufolge wird der gesamte Güterverkehr bis 2030 um 30 Prozent wachsen. Aktuell beträgt der Marktanteil von DB Cargo 18 Prozent, das Ziel sind 25 Prozent. 25 Millionen LKW pro Jahr will das Logistikunternehmen damit von den Straßen holen. Langfristig soll sich das gesamte CO₂-Aufkommen fast halbieren. "Ob Möbel oder Glasflaschen: Letztlich kann man in einem Container auch alle Konsumgüter transportieren", meint Nikutta. "Wir werden das auch für Kunden machen, die keinen Schienenanschluss besitzen."

Um das anbieten zu können, sollen Umschlagplätze ausgebaut und alle großen Wirtschaftszentren miteinander vernetzt werden. Die neue Devise lautet Wachstum, nachdem Nikuttas Vorgänger den Güterverkehr über Jahrzehnte gestutzt haben. Ob das wirtschaftlich funktionieren kann, bezweifeln Experten. "Der Gütertransport der Bahn ist zu unflexibel", sagt Christian Böttger, Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. "Die Disposition ist eines der größten Probleme." Einen Güterzug abfahrbereit zu machen, erfordert erheblich mehr Aufwand als einen LKW zu beladen und loszuschicken: Die Waggons müssen rangiert und gekuppelt werden. Dafür braucht die Bahn ein gut ausgebautes und auch kurzfristig verfügbares Schienennetz. Hier hat der Gütertransport über die Schiene gegenüber dem LKW erhebliche Schwächen: Er ist unflexibler und teurer. "Die große Stärke der Bahn ist es, große Güter in großen Mengen zu transportieren", sagt Böttger. Doch gerade klassische Industrieprodukte wie zum Beispiel Steinkohle oder Stahl würden immer weniger gebraucht.

Eine neue Technologie, die digitale automatische Kupplung, soll künftig beim Zusammenstellen von Zügen helfen. Im Moment muss ein Mitarbeiter noch unter die Waggons krabbeln, um per Hand zu kuppeln. 54 000-Mal pro Tag wird das allein bei DB Cargo in Deutschland gemacht. Ab 2030 soll das automatisch gehen. Dazu müssen europaweit 500 000 Güterwaggons umgerüstet werden, was den Angaben zufolge zwischen 6,5 und 8,5 Milliarden Euro kosten wird.

Damit die DB Cargo nicht noch tiefer in die roten Zahlen rutscht, wandte sich Nikutta kürzlich an Finanzminister Olaf Scholz (SPD). Mit bis zu 250 Millionen Euro pro Jahr müsse der ökologisch wie volkswirtschaftlich wichtige Schienengüterverkehr unterstützt werden, schrieb sie in einem Brief. Private Konkurrenten der Bahn kritisieren derlei Forderungen. "Der Markt für den Schienengüterverkehr ist grundsätzlich da, er wächst auch, aber davon profitieren nur private Konkurrenten", sagt Böttger. Er findet die neuen Pläne "sehr dünn

© SZ vom 17.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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