Gründerzentren:Mehr Deutsche, bitte

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Handwerksarbeiten im Pariser Start-up-Campus Station F. Die Gründer können jetzt auch dort wohnen. (Foto: Joel Saget/AFP)

Station F in Paris ist der größte Start-up-Campus der Welt. Die Chefin baut ihn nun aus - und hofft, mehr junge Unternehmer aus dem Nachbarland anlocken zu können.

Von Leo Klimm, Paris

Auf der Bühne, auf der Roxanne Varza steht, sind Designermöbel aufgebaut. "Damit sind Eure neuen Wohnungen ausgestattet", sagt Varza. "Cool, oder?" Jubel im Publikum, in dem kaum jemand über 30 Jahre alt ist. Varza, selbst erst 34, leitet Station F, den weltweit größten Start-up-Campus. Der frühere Güterbahnhof im Pariser Osten beherbergt junge Tech-Firmen aus aller Welt. Was den Gründern bisher fehlte, war bezahlbarer Wohnraum in der Seine-Metropole. Prompt ließ Varza in der Nähe drei Türme mit 600 Zimmern und 100 Wohnungen für die Start-upper bauen. "Jetzt sind wir wirklich ein Campus!", ruft sie.

Sie könnte zufrieden sein. Zwei Jahre nach Eröffnung von Station F hat sie das Budget von 250 Millionen Euro eingehalten, das ihr Mäzen Xavier Niel, ein französischer Telekom-Milliardär, für den Umbau des Bahnhangars und das Wohnheim anvertraut hat. Erste Erfolgsstorys gibt es in Station F auch. Nur eines macht Varza unzufrieden: Es sind zu wenig Deutsche da.

Ein Drittel aller Firmen in Station F stammen aus dem Ausland. Aber nur zwölf der mehr als 1000 Start-ups hier wurden von Deutschen gegründet oder haben einen klaren Bezug zu Deutschland - obwohl der große Nachbar jenseits des Rheins in der europäischen Tech-Szene so wichtig ist. Das soll sich jetzt ändern. "Ich will viel mehr deutsche Gründer hier haben", sagt Varza im SZ-Gespräch. Unter den nicht-französischen Start-ups in Station F rangieren die Deutschen heute nur an zehnter Stelle; die vorderen Plätze belegen US-Amerikaner und Chinesen. "2020 soll Deutschland Nummer fünf sein", sagt Varza.

Diese Woche fliegt die gebürtige Kalifornierin nach Berlin und will beim Start-up-Festival Tech Open Air Werbung machen. Ausgerechnet in Berlin, dem großen Standort-Rivalen in Kontinentaleuropa. "In Deutschland ist noch nicht angekommen, wie viel sich in der französischen Tech-Szene tut", beklagt Stationsvorsteherin Varza. Einige deutsche Akteure der Branche haben es aber durchaus mitbekommen: Der Softwarekonzern SAP etwa kaufte 2018 Recast.AL, einen Anbieter von künstlicher Intelligenz, aus Station F heraus.

"Wir geben dem Tech-Standort Frankreich Sichtbarkeit. Das hat die Dinge in Europa schon verändert", lobt sich Varza selbst. Nirgendwo sonst kämen Firmen in ihrer Gründungsphase derzeit so leicht an Wagniskapital. Tatsächlich sitzt das Geld bei den Start-up-Investoren hier locker: Einer Studie der Analysefirma CB Insights zufolge dürften sie in Frankreich 2019 fast fünf Milliarden Dollar investieren, das entspricht einer Steigerung um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Station F wiederum ermöglicht direkten Zugang zu den Risikofonds: 40 davon haben sich in dem alten Güterbahnhof niedergelassen, um nah an den Start-ups zu sein.

"Alles unter einem Dach zu haben, ist ein enormer Vorteil", sagt Robin Moser. Der Chef des Münchner Start-ups Eyecandylab hat seit März eine kleine Dependance in Station F. Sein Unternehmen entwickelt sogenannte Augmented-Reality-Anwendungen, die den Verkauf von Waren unterstützen sollen. Seit März ist Mosers Firma in einem Förderprogramm, das der Sportartikelhersteller Adidas in Station F betreibt. "Das ist wie eine riesige Petrischale. Alles, was Start-ups zu ihrer Entwicklung brauchen, ist hier nah beieinander", sagt Moser. Unter den vielen Firmen fand er auch eine, die "Ähnliches macht wie wir". Wissen über die Konkurrenz ist wertvoll. Dennoch: Mosers Start-up wird sich in absehbarer Zeit nicht stärker in Paris engagieren - da muss er Varza enttäuschen. Denn als Markt interessiert ihn Frankreich in der Gründungsphase nicht. Seine Firma zieht zwar demnächst auf einen Start-up-Campus um. Allerdings auf den von Garching, im Münchner Norden gelegen.

Der von Station F in Paris bietet neben günstigen Schreibtischplätzen jetzt immerhin auch günstigen Wohnraum. Niemand soll mehr auf der Bürocouch im alten Bahnhof schlafen müssen, sagt Varza. Niemand soll auch nur auf den Gedanken kommen, dass es in Berlin besser ist. "399 Euro für ein möbliertes Zimmer, das ist doch ein guter Preis", sagt sie. Und der Campus ist noch nicht fertig, Station F soll noch erweitert werden. Um eine Jugendherberge. Und um ein Fünf-Sterne-Hotel. Das ist dann eher etwas für arrivierte Start-upper.

© SZ vom 02.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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