Großbritannien:Freie Fahrt für volle Autos

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Die Regierung Blair plant eigene Spuren auf den Autobahnen für Fahrgemeinschaften.

Von Gerd Zitzelsberger

Die englische Umgangssprache ist voller Kürzel: Die "DINKS", Familien mit zwei Verdienern ohne Kinder, sind sogar schon in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen.

Auf den "GSOH", den great sense of humour, verweist selbst die drögeste Kontaktanzeige, dazu der Hinweis auf den eigenen Besitz - "OHC", own house and car. Zu all diesen Abkürzungen kommt nun eine weitere: "HOVELS". Sie steht für High Occupancy Vehicle Lanes, neue Autobahn-Spuren für Wagen mit mehr als einem Insassen.

Wie im Ausland

Solche Fahrspuren wurden bereits auf etlichen Autobahnen in Amerika und Australien mit großem Erfolg eingeführt. "Es gibt keinen Grund, warum das Konzept bei uns nicht auch funktionieren sollte", argumentiert der britische Verkehrsminister Alistair Darling.

Bei Pilotversuchen auf besonders verstopften Straßen will er das Konzept testen. Großbritanniens Straßen gehören zwar zu den sichersten der Welt, aber auch zu denen mit dem dichtesten Verkehr, wenn man von ein paar entlegenen Landstrichen absieht. Weil die Bahnfahrkarten teuer, die Züge unzuverlässig und zur Stoßzeit überfüllt sind, fahren viele Pendler mit dem eigenen Wagen zur Arbeit.

Drei Jahre in Serie haben die Neuzulassungen von Autos jetzt Rekordwerte erreicht. Doch gleichzeitig wurde das britische Straßennetz, in das die Regierung schon seit Jahrzehnten zu wenig Geld steckt, kaum ausgebaut.

Auf jedem fünften Autobahnabschnitt kommt es daher nahezu täglich zu einem langen Stau. Für Straßen-Neubauten wird es auch künftig kaum Geld geben, denn Gesundheitswesen, Schulen, Bahn oder innere Sicherheit haben Priorität; zudem kosten die Truppen im Irak weit mehr Geld, als irgendjemand vorhergesehen hatte.

Mit den Hovels hofft Verkehrsminister Darling jetzt das Problem zu mildern, ohne viel dafür zahlen zu müssen: Die "Vorzugs-Spuren" auf der Autobahn sollen einen Anreiz dafür bieten, dass Pendler nicht alleine zur Arbeit fahren, sondern sich mit Nachbarn oder Kollegen das Auto teilen.

150 Euro Strafe für die falsche Spur

Denn auf den Hovels, so kalkuliert Darling, wird der Verkehr weniger dicht sein, und die Autos kommen schneller voran. Auch auf den Normalspuren würde die geringere Zahl der Fahrzeuge einen flüssigeren Verkehr ermöglichen.

Das Konzept dürfte dem Staat sogar noch Geld einbringen: Wer bei einer üblichen Verkehrskontrolle auf der falschen Spur erwischt wird, soll 150 Euro zahlen. Die Polizei will dafür sorgen, dass die Autofahrer nicht einfach eine Puppe neben sich setzen.

Darling stößt bei aller grundsätzlichen Sympathie der Briten für das Konzept aber auch auf einige Skepsis. Denn geplant ist, die Pannenstreifen für die zusätzlichen Fahrspuren mitzunutzen, was jedoch die Autobahnen bestimmt nicht sicherer macht.

Andere wenden ein, dass gegen den Autoverkehr ohnehin nur Staus helfen. "Als der Londoner Autobahnring von sechs auf acht Spuren verbreitert wurde, hat der Verkehr binnen eines Jahres um ein Drittel zugenommen, argumentiert Umwelt-Aktivist Stephen Joseph.

Eines hat Darling auf jeden Fall erreicht: Die Briten diskutieren jetzt mehr über die Hovels als über eine andere Neuerung - den unpopulären Bau von privat finanzierten Maut-Autobahnen.

© SZ vom 09.07.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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