Grenzüberschreitende Fusionen:Hartes Pflaster Deutschland

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Kein Tag vergeht zur Zeit ohne Warnungen an den Unicredit-Chef Alessandro Profumo wegen der geplanten HypoVereinsbank-Übernahme: Schon mehrfach verbrannten sich Italienische Unternehmer in Deutschland die Finger.

Von Ulrike Sauer

"So nicht, Herr Pirelli". Nach 15-monatiger Übernahmeschlacht trieb Conti-Chef Horst Urban den Angreifer aus Mailand über die Alpen zurück.

Die Großbäckerei Kamps wurde vor drei Jahren vom weltgrößten Pastaproduzenten Kamps übernommen. (Foto: Foto: AP)

Seit Leopoldo Pirelli 1991 mit der fehlgeschlagenen Attacke auf den hannoverschen Reifenhersteller Continental um ein Haar sein Konzernerbe verspielte, steht Deutschland im Ruf, für Italiener eine uneinnehmbare Festung zu sein.

Gescheitert war der Dynastiepatriarch an einer geschlossen formierten Abwehrfront, die von den Aktionären über die Gewerkschaften und Politiker bis in die deutsche Finanzwelt reichte.

Schwerer Schaden durch Übernahmeschlacht

Pirelli zog eine bittere Lehre aus dem Debakel: "Kein Ausländer sieht in den Italienern heute den idealen Partner", so der gedemütigte Industrielle, den das Conti-Abenteuer an den Rand des Konkurses geführt hatte.

Die Erinnerung an die Schmach ist in Italien noch lebendig. Fast 14 Jahre später wurde Unicredit-Chef Alessandro Profumo während seiner Übernahmeverhandlungen mit der HypoVereinsbank von seinen Landsleuten täglich an das Pirelli-Fiasko und die Gefahr lauernder "anti-italienischer Vorurteile" erinnert.

In der Zwischenzeit hat eine ganze Reihe expandierender Unternehmen einen Fuß über die Alpen gesetzt. Doch Deutschland erweist sich nach wie vor als schwieriges Terrain für Investoren aus dem Süden: Im Sommer 2000 übernahm das venezianische Handelsunternehmen Coin von Metro den maroden Kölner Vollsortimenter Kaufhalle. Die 99 Billigkaufhäuser, so versicherte Vittorio Coin vor fünf Jahren noch forsch, seien "gewiss nicht das Ende der Expansion ins Ausland".

An Kaufhalle die Finger verbrannt

Die Kaufhalle bedeutete jedoch das Ende des 1916 gegründeten italienischen Familienkonzerns. Das missglückte Deutschland-Abenteuer kostete die zerstrittenen Brüder aus Venedig die Kontrolle über ihr Unternehmen. Vor einem Monat übernahm die Fondsgesellschaft Pai die Aktienmehrheit bei Coin.

Dabei hatte auch die Mailänder Börse den Kölner Coup gefeiert. An der von Silvio Berlusconi übernommenen Kaufhauskette Standa hatte Coin gerade vorexerziert, wie man verlustreiche Warenhäuser fix auf Vordermann bringt. Doch die Annahme, die Therapie einfach bei der Kaufhalle kopieren zu können, erwies sich als fataler Trugschluss. In Deutschland kamen die Italiener mit der Schließung unrentabler Filialen nicht auf den grünen Zweig, weil sie aus bestehenden Verpflichtungen lange nicht herauskamen.

Auch Mailands Prada-Konzern bereut seinen Einstieg beim Hamburger Modelabel Jil Sander. Die Sanierungsanstrengungen von Prada-Chef Patrizio Bertelli zeigen keine Wirkung. Lieber heute als morgen würde sich der Italiener von Jil Sander trennen, um den Weg für den mehrfach verschobenen Börsengang zu ebnen. Doch Käufer machen sich nach dem Platzen der Spekulationsblase auf dem Luxusmarkt rar.

Als Pasta-Multi Barilla vor drei Jahren mit seinem feindlichen Übernahmeangebot für die schwer angeschlagene Großbäckerei Kamps Erfolg hatte, sprach man in Italien von einem Schlag für das abgeschottete "Rheinische Modell".

Doch der Nudel-Weltmarktführer hat den Zukauf bis heute nicht verdaut. In Parma, wo man sich noch die Wunden der Milliardenpleite des Molkereiriesen Parmalat leckt, fürchtet mancher, die drei Barilla-Brüder haben sich an Europas größtem Backkonzern übernommen.

Für Kamps zuviel gezahlt

Zudem sei der schwer angeschlagene Konzern mit 1,8 Milliarden Euro überbezahlt worden. Barilla wächst, aber der Nahrungsmittelkonzern mit 4,7 Milliarden Euro Umsatz ächzt unter 1,85 Milliarden Euro Nettoschulden, davon über 1,1 Milliarden Euro in Unternehmensanleihen.

Die Sanierung von Kamps erweist sich als langwierig, die Gewerkschaften zu Hause stehen auf Konfronationskurs, das familiäre Klima im Provinzunternehmen ist dahin. "Wir haben all diese Schwierigkeiten bei Kamps nicht erwartet", so Finanzchef Vittorio Ogliengo. "Das deutsche System ist komplex. Um Erfolg zu haben, muss man es gut kennen", so Berater Mariano Frey von Roland Berger in Mailand.

Glückliche Ausnahmen

Ausnahmen gibt es, sie bestätigen aber wohl eher die Regel: Der Textilkonzern Marzotto aus Valdagno etwa ist mit dem Modehaus Hugo Boss hoch zufrieden. Alberto Aleotti, Chef des Pharmaunternehmens Menarini, übernahm vor zwölf Jahren die ostdeutsche Berlin-Chemie.

Im März erhielt er das große Bundesverdienstkreuz für den Beitrag, den er zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland geleistet hat. Italiens Vorzeigebanker Profumo ist wohl kaum auf Orden erpicht. Er habe eine Mission, sagte er gestern: "Die hohe Wertschöpfung für unsere Aktionäre. Punkt."

© SZ vom 15.05.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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