Grammer:"Hastor la vista, ihr Zocker"

Lesezeit: 4 min

Demo in Zeiten der Unsicherheit: Grammer-Beschäftigte protestieren gegen die Übernahmepläne. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Die umstrittene Investorenfamilie Hastor greift nach der Macht bei dem großen Autozulieferer. Das alarmiert Management, Mitarbeiter und die Bundesregierung. Ein Wirtschaftskrimi aus der Oberpfalz.

Von Max Hägler, Klaus Ott und Uwe Ritzer, Amberg

Zur Begrüßung haben sie rote IG-Metall-Fähnchen auf den Zaun am Werkstor gepflanzt und mit ein wenig Gewerkschaftspoesie verziert. "Hastorenschreck treibt Grammers Kunden weg", steht auf einem der Plakate, "Hastor la vista, ihr Zocker" auf einem anderen. Eine ungewöhnlich harte Abwehrfront - und mit Matthias Machnig schließt sie sich. Auf ihn warten sie hier beim Automobilzulieferer Grammer, auf den Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.

IG Metall und Arbeitgeberverband, Unternehmensspitze, Betriebsrat und Bundesregierung, dazu große Automobilhersteller - gemeinsam stemmen sie sich gegen die bosnisch-deutsche Unternehmerfamilie Hastor. Sie will das Kommando bei der Grammer AG übernehmen, einem in Amberg in der Oberpfalz angesiedelten, börsennotierten Hersteller von Kopfstützen, Sitzen und Mittelkonsolen für Autos und Spezialsitzen für Nutzfahrzeuge mit gut 12 000 Beschäftigten.

Die Hastors und ihre Unternehmensgruppe Prevent haben in der Branche einen speziellen Ruf, seit sie voriges Jahr im Streit um Geld Volkswagen nicht mehr belieferten und die Bänder dort zeitweise stillstanden. Nun blasen sie zum Showdown bei Grammer. In den vergangenen Monaten haben sie über diverse Beteiligungsfirmen mehr als 20 Prozent der Aktien aufgekauft, sind damit zum größten Anteilseigner aufgestiegen und wollen bei der Hauptversammlung am 24. Mai die Macht übernehmen. Sie fordern drei von sechs Aufsichtsratssitzen und wollen den Vorstand vom Hof jagen. Begründung: Missmanagement, Grammer sei zu wenig profitabel. All das habe bereits dazu geführt, dass Kunden weniger Aufträge erteilen, klagt Grammer-Vorstandschef Hartmut Müller. Die Bestellungen seien um mehr als die Hälfte eingebrochen. "Unsere Kunden haben ein Beziehungsproblem mit unserem Hauptinvestor", sagt Müller. Mit gutem Recht könne man "einfordern, dass er seine Ziele klarmacht".

Gerade weiß niemand so recht, was die Hastors mit Grammer vorhaben. Er habe sie das bei einem Besuch vor zwei Tagen im Ministerium gefragt, erzählt Machnig bei seinem Werksbesuch. "Antworten sind sie aber schuldig geblieben." Eine Strategie sei nicht erkennbar, "aber ein Investor muss deutlich machen, was er für Zielsetzungen hat und was er mit einem Unternehmen will". Der SPD-Politiker befürchtet, "dass der Konflikt auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird".

Aufschluss soll ein Krisengipfel bringen, zu dem Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) für Dienstag geladen hat. Sie hat den besten Kontakt ins Hastor-Lager, über deren Münchner Anwaltskanzlei Bub, Gauweiler und Partner. Das Gespräch bei Aigner sei "sinnvoll", heißt es dort. Man plane keine feindliche Übernahme von Grammer. Nur seien eben die Zahlen zu schlecht. Da müsse man etwas tun. Notfalls auch mit harten Maßnahmen.

Um die Situation zu entschärfen, hat Vorstandschef Hartmut Müller seinen Rückzug angeboten. Was Müller nicht sagt: Er würde viel Geld kassieren, sollten die Hastors Grammer unter ihre Kontrolle bringen. Der Grammer-Aufsichtsrat hat im Januar jedem Vorstandsmitglied drei komplette Jahresgehälter als Abfindung zugesichert für den Fall, dass ein neuer Eigentümer die Kontrolle übernimmt, den Vorstand und Aufsichtsrat nicht haben wollen. Sobald die ungeliebten Hastors nachweislich ein Viertel der Aktien kontrollieren, könnten Müller und Co. von sich aus kündigen - und würden viel Geld kassieren.

Bei VW sollen sie mit "gewetzten Messern" darauf warten, mit der Familie abzurechnen

Solche Klauseln sind in Vorstandsverträgen nicht ungewöhnlich. Ein Grammer-Sprecher sagt, die Regelung sei "gesetzeskonform, marktüblich und in Übereinstimmung mit dem Corporate-Governance-Kodex". Man habe alte Regeln Anfang 2017 lediglich aktualisiert. Ungewöhnlich ist aber der Zeitpunkt, der wohl mit den Hastors zu tun hat. Die hatten vor einem Jahr begonnen, nach Grammer zu greifen und haben sich längst auf Müller eingeschossen. Müller stimme sich mit Volkswagen ab und habe Grammer-Kunden "rebellisch gemacht", sagt ein Anwalt aus der Kanzlei Bub, Gauweiler und Partner. Bei VW warteten einige Manager mit "gewetzten Messern zwischen den Zähnen" auf die passende Gelegenheit, mit den Hastors abzurechnen. Müller sei zu Volkswagen gepilgert und habe sich die "Blaupause" für Grammers Abwehrkampf gegen die Hastors anfertigen lassen. "Wir sind erstaunt über die Äußerungen - inhaltlich wie in der Tonart - und können diese in keinster Weise nachvollziehen", heißt es aus dem VW-Konzern dazu. Mitnichten orchestriere man Aktionen gegen irgendjemanden.

Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass es in Amberg um mehr geht als eine Firma. Nämlich um das fein austarierte Zusammenspiel zwischen Autoherstellern und ihren Zulieferern. Es steht auf der Kippe, wie nicht nur der Konflikt zwischen Hastor und VW gezeigt hat. So sind VW, BMW und Daimler gerade auch ziemlich sauer auf die Firma Grohmann, die künftig den US-Elektroauto-Newcomer Tesla exklusiv mit Maschinen beliefern soll, die die Montage von Autos erleichtern.

Für die Autohersteller steht viel auf dem Spiel. Sie brauchen zuverlässige Qualität in stabilen Lieferketten. Sie haben bisher aber auch die Bedingungen diktiert; und zu viel Selbstbewusstsein bei den Lieferanten droht die alte Ordnung zu sprengen.

Die Hastors sind seit Jahrzehnten Teil des Systems. Familienoberhaupt Nijaz Hastor gehört eine große Firmengruppe mit Sitz in Sarajevo, auch in Deutschland ist man seit Jahrzehnten tätig. Seine Söhne Kenan und Damir haben deutsche Pässe und leben sehr zurückgezogen in Niedersachsen. Seit Kurzem führen sie die Geschäfte und wollen offenbar mehr Ertrag und mehr Relevanz für das Familienimperium.

Nur scheint ihr Geschäftsgebaren und die mangelnde Transparenz dabei das große Problem zu sein. Für BMW etwa ist Grammer ein wichtiger Zulieferer. Also habe man die Hastors gefragt, was sie vorhätten, sagt Einkaufsvorstand Markus Duesmann. Doch diese hätten die Einladung zu einem Gespräch zuerst abgelehnt. "So etwas passiert selten", sagt Duesmann, schließlich bräuchten "Zulieferer ja Abnehmer, und da ist normalerweise eigentlich jeder bereit zum Austausch". Erst im zweiten Anlauf sei ein Treffen vereinbart worden. Duesmann wird in den kommenden Tagen ein Mitglied der Hastor-Familie treffen. "Ich bin gespannt auf die Antworten zu den vielen Fragen, die wir haben."

© SZ vom 08.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: