Google:Die Geldmaschine

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Die Aktie der Internet-Suchmaschine steigt und steigt und steigt. Doch wie lange noch?

Von Antonie Bauer

Die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin stehen nicht im Ruf, sonderlich nachtragend oder rechthaberisch zu sein. Wenn sie in diesen Tagen allerdings eine gewisse Genugtuung empfinden, dann kann man es ihnen kaum verdenken.

Schließlich haben sie die vielen Warner - zumindest vorerst - widerlegt. Selten zuvor hatte man bei einem seriösen Börsengang so viele skeptische Stimmen gehört. Finger weg von Google, rieten Geldexperten. Die ursprünglich geplante Preisspanne von 108 bis 135 Dollar sei weit überzogen, hieß es.

Mittlerweile 50 Milliarden Dollar wert

Und nun? Nun flucht wohl jeder, der sich abschrecken ließ. Denn wer bei der Erstemission für 85 Dollar pro Aktie einstieg, hat viel Geld gemacht.

Der Kurs hat sich auf 186 Dollar mehr als verdoppelt, und Analysten rätseln schon, wann er die Marke von 200 Dollar überspringt. Das vor sechs Jahren gegründete Unternehmen ist heute rund 50 Milliarden Dollar wert.

Selbst wer erst spät eingestiegen ist, hat einen guten Schnitt gemacht: Googles Aktie steigt und steigt und steigt, ein Ende scheint nicht abzusehen. Kräftig nachgeholfen haben dabei vor wenigen Tagen die herausragenden Quartalszahlen.

Es stellte sich heraus, dass die Suchmaschine noch dynamischer wächst und profitabler ist, als viele gedacht hatten. Den Chor der Nörgler brachte sie damit erst einmal zum Verstummen - zumindest, was Geschäftsmodell und Wettbewerbsfähigkeit angeht.

Beim Aktienpreis hingegen scheiden sich die Geister. Zwar halten etliche Experten das Papier noch immer für billig, doch viele andere finden die Bewertung überzogen.

Großanleger müssen kaufen

Sie warnen, dass Google zurzeit eine Scheinblüte erlebe: Als Schwergewicht unter den Internet-Werten und eine der teuersten Firmen an der Nasdaq gehört es ins Pflichtportfolio der allermeisten Geldmanager.

Doch noch gibt es wenige Aktien auf dem freien Markt, der free float ist gering. Deshalb treiben die Käufe der institutionellen Anleger den Preis hoch.

Das könnte aber vorbei sein, wenn demnächst die Haltefristen für die Alteigentümer enden und damit mehr Google-Aktien auf den Markt kommen. Manche Auguren sehen daher einen Kursrutsch in nächster Zeit voraus.

Mit künstlicher Knappheit alleine lässt sich die Beliebtheit der Aktie allerdings nicht erklären. Denn die Anleger stürzen sich auch auf andere Blue Chips des Internets wie Googles schärfsten Konkurrenten Yahoo, der ebenfalls verlässlich blendende Ergebnisse liefert.

Das Netz boomt

Sie setzen damit auf eine besonders dynamische Branche. Wenige Jahre nach dem Absturz und nach einem schmerzvollen Ausleseprozess erscheinen die Aussichten der Netz-Wirtschaft besser denn je; der schon totgesagte Online-Anzeigenmarkt boomt. Dabei wandern erst drei Prozent aller Werbeetats in das Internet, doch das ändert sich schnell.

Das Potenzial ist riesig, die Erwartungen sind es aber auch. Für jeden Dollar, den ein Anleger derzeit in die Google-Aktie steckt, hat das Unternehmen aus Mountain View in den letzten zwölf Monaten nicht einmal einen halben Cent Profit gemacht. So schlechte Renditen bringt Kapital sonst nur auf Sparbüchern.

Vergleicht man den Kurs allerdings mit künftigen statt mit vergangenen Gewinnen, sieht die Relation schon etwas günstiger aus: Wenn die weltgrößte Suchmaschine im nächsten Jahr einhält, was sich Experten versprechen, dann kostet die Aktie beim aktuellen Kurs nur noch das 55-fache des Profits. Billig ist das freilich auch nur im Vergleich mit anderen Internet-Größen wie Ebay (62) oder Yahoo (74).

Viel Zukunftsphantasie

Gestandene und hochprofitable Firmen wie Intel oder Cisco, die ebenfalls an der Nasdaq gehandelt werden, müssen sich dagegen mit Kurs/Gewinn-Verhältnissen von 15 und 21 begnügen. Freilich wachsen sie auch nicht so schnell.

Aktienkurse wie bei Google und Yahoo, die weit über die momentane Ertragskraft hinausgehen, erinnern an den irrationalen Überschwang der Internet-Blase vor wenigen Jahren. Nur die Zukunftsphantasie rechtfertigt die aktuellen Preise.

Das Kalkül muss nicht falsch sein: Wenn es bei Google weiter so stürmisch aufwärts geht wie bisher, dann ist es seinen jetzigen Kurs und noch mehr wert. Aber wenn nicht, dann gibt es für die Anleger ein böses Erwachen, sobald das Unternehmen erstmals schwächere Quartalszahlen veröffentlicht. Patzer oder gar Wachstumsschwächen sind auf dem jetzigen Preisniveau nicht erlaubt.

Leben von der Laufkundschaft

Dabei muss Google einige Herausforderungen bewältigen. Der Markt für die Suche im Internet ist endlich; nach Expertenmeinung könnten die Zuwächse bei bezahlten Such-Anzeigen in den USA schon 2005 deutlich abnehmen. Umso wichtiger wird es, neue Dienste wie Desktop-Suche und E-Mail zu entwickeln und vor allem zu Geld zu machen.

Yahoo steht auf mehreren Beinen und hat eigene Nutzer, während Google von der Laufkundschaft und zwei Varianten eines einzigen Produkts lebt. Zudem wird die Konkurrenz im Stammgeschäft härter. Microsoft hat seinen Hut in den Ring geworfen, Yahoos neue Suchmaschine erntet bei Benutzern und Experten viel Lob.

Noch hat das Google allerdings nicht geschadet: Es hat seinen Marktanteil bei der Internet-Suche und der damit verbundenen Werbung in jüngster Zeit sogar noch gesteigert.

© SZ vom 29.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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