Glücksspiel:Steuereinnahmen offenbar wichtiger als Jugendschutz

Lesezeit: 2 min

Die Innenminister würden die Besucher von Spielcasinos gerne strenger beaufsichtigen. Die Finanzminister sind dagegen, denn wenn die Spieler ihr Geld lassen, kassieren die Länder hohe Abgaben. Und bei schärferen Kontrollen würden viele Gäste draußen bleiben.

Von Klaus Ott

Die deutschen Spielbanken tun gerne so, als ob es bei ihnen nichts zu verlieren gebe.

Das Roulette-Spiel kann leicht zur Sucht werden. (Foto: Foto: dpa)

Das Luitpold-Casino in Bad Kissingen lockt mit "wahren Glücksmomenten"; in Bad Wiessee werden "bare Wunder" versprochen. Für einen exklusiven Kreis von Teilnehmern trifft das tatsächlich zu.

Fast eine Milliarde Euro Überschuss fallen jährlich in den Vergnügungsstätten an, der größte Teil landet bei den 16 Bundesländern. "Der Staat gewinnt immer", hat das Statistische Bundesamt festgestellt - und das soll auch so bleiben.

Die meist klammen Länder - sie betreiben die Casinos entweder selbst oder vergeben Lizenzen - wollen weiter hohe Abgaben kassieren. Bezeichnenderweise sind die Spielbanken vielerorts direkt den Finanzministern unterstellt.

Finanzministerien gegen strengere Kontrollen

Und die lehnten es jetzt mit großer Mehrheit (zwölf Stimmen dafür, zwei Enthaltungen, zwei Widersprüche) ab, die Besucher zu deren eigenem Schutze strenger zu beaufsichtigen.

Die Finanzminister stellen sich damit gegen ihre Kollegen Innenminister. Diese hatten zuvor "lückenlose Ausweiskontrollen" verlangt, damit endlich alle Gäste erfasst und bei zu hohen Verlusten notfalls Hausverbote verhängt werden können.

Grund für den Streit Staat gegen Staat ist eine Besonderheit in den Casinos. Bislang sind die Automatensäle in der Regel frei zugänglich; die einarmigen Banditen gelten als "kleines Spiel".

Nur fürs Zocken im großen Stil müssen Spieler den Pass zeigen

Lediglich bei Roulette und Black Jack, dem so genannten "großen Spiel", müssen die Gäste den Pass zücken und sich registrieren lassen. Dort ist schnell viel Geld weg. Wer Gefahr läuft, Haus und Hof zu verzocken und sich und seine Familie zu ruinieren, wird ausgesperrt.

30.000 Besucher haben bereits Hausverbot erhalten. Sie sind der Spielsucht anheim gefallen; einer Krankheit, bei der es ähnlich wie bei Alkohol und Drogen teurer Therapien bedarf.

Das "kleine Spiel" verdient seinen Namen freilich längst nicht mehr. Die Einsätze an den leicht zugänglichen Automaten sind rasant gestiegen und machen über 75 Prozent der Bruttoerträge in den Casinos aus.

Hier bestehe "zunehmend die Gefahr, dass die Menschen zu viel Geld verlieren", sagt Bayerns Innenstaatssekretär Georg Schmid. "Wir müssen auch diese Besucher registrieren und notfalls sperren."

Bei schärferen Kontrollen Umsatzeinbußen

Doch die Deutsche Spielbanken Interessen- und Arbeitsgemeinschaft (Desia) wehrt sich heftig. Desia-Sprecher Matthias Hein, der die Spielbank in Kiel leitet, schilderte in einem Brief an die Finanzminister ein düsteres Szenario.

Durch verschärfte Kontrollen sei ein deutlicher Rückgang der Gästezahlen zu befürchten, die Umsatzausfälle wären für kaum ein Casino wirtschaftlich verkraftbar. Im schlimmsten Fall müsse man Automatensäle schließen. Dem Staat gingen mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr an Abgaben verloren. Das könne einige Länder zu "zusätzlichen Kreditaufnahmen" zwingen - die Finanzminister waren alarmiert.

Die eigentlichen Probleme lägen ohnehin ganz woanders, notierte Hein.

Durch eine "Totalerfassung" bei den Casinos würden die Gäste "verstärkt in unkontrollierte Angebote getrieben", seien es die 7000 privat betriebenen Spielhallen in Deutschland, die ausländischen Internet-Casinos oder illegale Spielclubs.

Suchtgefahr wird heruntergespielt

Ein Bericht der Evangelischen Stadtmission in Kiel belege, dass die Suchtgefahr bei den Spielhallen viel größer sei als bei den Casinos. Die Finanzminister ließen sich gerne überzeugen und drängen nun beim zuständigen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement auf einen "wirksamen Spieler- und Jugendschutz" bei der Konkurrenz der Casinos.

Dies wiederum bringt die Automaten-Lobby in Rage, die die Suchtgefahr für "enorm übertrieben" hält und im übrigen überzeugt ist, dass es Probleme doch vor allem bei den Casinos gebe, in denen weit schlimmere Verluste möglich seien.

Im Haus Clement findet die Automaten-Industrie, die ihre Geräte bis nach Las Vegas liefert, viel Verständnis. Es wird sogar daran gedacht, in den Spielhallen und Gaststätten attraktivere Glücksspiele mit höheren Gewinnen als bisher zu erlauben. Das würde den Anreiz steigern, dort zu zocken.

Man müsse den privaten Betreibern eine "Perspektive geben", so Wirtschaftsstaatssekretär Ditmar Staffelt bei der Jahrestagung des Automaten-Verbandes. So wird denn der schwarze Peter eifrig hin- und hergeschoben: zwischen staatlichen Spielbanken und privaten Spielhallen, zwischen Bund und Ländern.

© SZ vom 25.10.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: