Globalisierung:Zurück nach Europa

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Verständnisschwierigkeiten und Datenklau - die große Zeit der Callcenter in Indien scheint vorüber zu sein.

Gerd Zitzelsberger

Indien dreht den Spieß um: Seit Jahren verlagern europäische und amerikanische Unternehmen Arbeitsplätze nach Indien. IBM etwa hat dort bereits 43.000 Angestellte auf der Lohnliste, und für das deutsche Software-Unternehmen SAP werden bis zum Jahresende 3500 Angestellte auf dem Subkontinent arbeiten.

Call Center in Europa. In Indien kann nicht in jedem Fall die Kundenzufriedenheit gewährleistet werden. (Foto: Foto: ddp)

Die britische Wirtschaft, so eine Schätzung, hat wegen des Lohngefälles bereits vier Prozent ihrer Stellen an Indien verloren. Als gefährdet gelten vor allem die vergleichsweise anspruchslosen Arbeitsplätze in Callcentern: Engländer, die eine Fahrplanauskunft wollen oder ihren Kontostand abfragen, landen mit ihrem Anruf inzwischen nicht selten in Bombay oder Bangalore.

Entgegengesetzter Weg

Doch tiefe Löhne garantieren nicht immer hohen Gewinn. Deshalb geht die indische Firma Icici One Source, die sich auf Dienstleistungen für westliche Konzerne spezialisiert hat, ein Stück weit genau den entgegengesetzten Weg: Sie will zwar auch in Indien weiter expandieren. Gleichzeitig aber hat sie jetzt in der nordirischen Hauptstadt Belfast ein Callcenter eröffnet.

Ein zweites soll noch vor Jahresende seinen Betrieb aufnehmen, und bis zum Jahr 2008 will Icici in Nordirland mehr als 1000 Mitarbeiter beschäftigen.

Zwar liegen in Nordirland die Löhne weit niedriger als in London, aber zugleich meilenweit höher als in Indien. ,,Unsere Kunden möchten, dass wir weltweit präsent sind'', begründet eine Firmensprecherin das Engagement auf der Insel.

Tausend Arbeitsplätze zurückverlagert

Deutlicher wird Powergen, einer der führenden Elektrizitätsanbieter in England und Tochtergesellschaft der deutschen Eon. Fünf Jahre lang hatte das Unternehmen viele Kundenanrufe von Indien aus beantworten lassen, im laufenden Jahr aber wieder beinahe tausend Arbeitsplätze von Indien nach Großbritannien zurückverlagert.

,,Callcenter in Übersee mögen für manche Branchen ihren Sinn haben. Aber wir glauben, dass wir den besten Service nur bieten können, wenn wir die Anrufe in Großbritannien selbst entgegennehmen.

Wir wollen nicht auf Kosten der Kundenzufriedenheit sparen'', sagte Nick Horler, einer der Powergen-Geschäftsführer. Tatsächlich haben die britischen Unternehmen mit ihren Callcentern in Indien zwar die Kosten gedrückt, sich aber gleichzeitig viel Unmut eingehandelt.

Wo hängt der Stromzähler?

Das Englisch der indischen Angestellten sei nur schwer zu verstehen, klagen die Briten, und auch sonst gebe es Verständnisschwierigkeiten: Woher sollen die indischen Mitarbeiter auch wissen, wo im typischen englischen Reihenhaus der Stromzähler hängt?

Zudem beunruhigen die Briten Berichte über Daten-Klau bei den indischen Dienstleistern. Das Boulevard-Blatt Sun etwa behauptete, dass es in Delhi geheime Bank-Details von 1000 Briten gekauft habe - für fünf Euro pro Datensatz. Die Geschichte war offensichtlich nicht aus der Luft gegriffen.

Ermittlungen eingeleitet

Jedenfalls hat die Polizei Ermittlungen eingeleitet. Mit der Rückkehr mancher Callcenter werden sich freilich nicht alle Probleme lösen: Auch Nordiren sprechen meist nicht gerade Queen's English.

Und wer sich bei seinem Anruf keine Referenz-Nummer, quasi ein Aktenzeichen, geben lässt, wird den Kundendienst-Mechaniker nie zu Gesicht bekommen - egal welches Callcenter seinen Anruf entgegengenommen hat.

© SZ vom 22.08.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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