Globaler Handel:Instabile Zeiten

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: Stefan Dimitrov)

Zölle, Kriege, Drohungen: Noch sehen deutsche Mittelständler die geopolitischen Risiken eher gelassen. Doch gerade exportstarke Unternehmen sichern sich bei ihren Expansionsplänen lieber ab.

Von Norbert Hofmann

Mit dem Blick in die Zeitung, davon sind die US-Professoren Scott Baker, Nick Bloom und Steven Davis überzeugt, lassen sich Stimmungen systematisch erfassen. Der von ihnen entwickelte Index für wirtschaftspolitische Unsicherheit (WPU) misst, wie häufig die Wörter Wirtschaft, Politik und Unsicherheit gleichzeitig in Zeitungsartikeln erscheinen. Die Werte des deutschen Stimmungsbarometers haben sich im vergangenen Jahrzehnt mehr als verdoppelt. Die Unsicherheit hat deutlich zugenommen.

Ganz im Gegensatz dazu stehen die aktuellen Konjunkturprognosen und die Erwartungen der Unternehmen. Die Weltwirtschaft läuft rund, das KfW-ifo-Mittelstandsbarometer notierte zu Jahresbeginn auf Rekordniveau. "Trotz der zahlreichen, vor allem politischen Unsicherheitsfaktoren blicken unsere Firmenkunden mit viel Optimismus auf die eigene Geschäftsentwicklung in den kommenden Monaten", sagt Robert Schindler, Firmenkundenvorstand der Hypovereinsbank. Und das, obwohl die geopolitischen Krisenherde gefühlt eher zunehmen. Dazu gehören die atomaren Drohgebärden zwischen Nordkorea und den USA, der nicht enden wollende Krieg in Syrien und die nach innen wie außen immer aggressiver auftretende türkische Regierung ebenso wie die dunklen Wolken über Iran. Schadet all das nicht auch der Weltwirtschaft? Und dämpfen drohende Handelshemmnisse infolge des Brexit und der Wirtschaftspolitik von Donald Trump nicht die Wachstumschancen des Exportweltmeisters Deutschland?

Immer mehr Firmen wappnen sich gegen allerlei Risikoszenarien

Das rauere Klima im Welthandel bewegt den Mittelstand durchaus. "Viele Unternehmer überlegen, wie sie neue Wachstumschancen in Europa, Asien oder Afrika nutzen und ihre internationalen Geschäfte strategisch absichern können", sagt Schindler. Der Einsatz entsprechender Instrumente habe zugenommen. Die staatlich gewährten Kreditgarantien von Euler Hermes ermöglichen es deutschen Exporteuren, sich gegen wirtschaftliche und politische Risiken abzusichern. Gegen Währungsrisiken sichern sich viele global tätige Firmen durch Devisentermingeschäfte ab. Zudem verlagern Firmen immer größere Teile ihrer Wertschöpfung in die Nähe ihrer Kunden. Dadurch lässt sich die Auswirkung von Währungseffekten reduzieren. Die USA und Großbritannien, so Schindler, stünden trotz protektionistischer Töne weiterhin hoch im Kurs. Mögliche Handelsbeschränkungen schaffen sogar eher Anreize, eigene Produktionskapazitäten am Ort aufzubauen oder Firmen zu übernehmen.

Auch der Schwandorfer Spezialchemieanbieter Nabaltec, der Füllstoffe für die Kunststoffindustrie und Rohstoffe für die technische Keramik produziert, sieht sich bei einem Exportanteil von mehr als 70 Prozent mit Herausforderungen konfrontiert. Das börsennotierte Familienunternehmen baut wegen der starken Nachfrage gerade die Produktionskapazitäten in den USA aus. Mit Blick auf die von US-Präsident Donald Trump angekündigten Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium sagt der Vorstandsvorsitzende Johannes Heckmann: "Das Geschäft unserer US-Tochtergesellschaft und der in der Entstehung befindlichen Niederlassung wäre von Handelsbarrieren nicht betroffen." Diese Ableger werden sogar von der Steuersenkung der Trump-Regierung profitieren.

Nabaltec produziert für den US-Markt aber auch in Deutschland, und dieser Teil des Geschäfts würde dann sehr wohl unter protektionistischen Hindernissen leiden. Der Firmenchef verweist darauf, dass es solche Barrieren in der anderen Richtung jetzt schon gibt. "Derzeit dürfen wir aus Europa noch zollfrei Waren in die USA liefern, während umgekehrt die EU auf von uns aus den USA importierte Rohstoffe wie etwa Aluminiumhydroxid Zölle erhebt." Noch hegen viele Firmen die Hoffnung, dass die Handelsmauern nicht allzu dick werden. Was die Einfuhrzölle auf Stahl und Aluminium anbelangt, so schade Trump erst einmal seiner eigenen Wirtschaft, sagt Heckmann.

Ihre Hoffnung: Dass die Mauern nicht allzu stark werden

Von relativ gelassenen Unternehmern berichtet auch die jüngste Mittelstandstudie der DZ Bank. Eine mögliche Abschottung der Vereinigten Staaten wirke "anscheinend kaum oder gar nicht abschreckend auf die deutschen Mittelständler". Im Gegenteil: Mehr als ein Drittel der Befragten und damit gut doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren nennen Nordamerika heute als strategische Zielregion. Die Bedeutung Großbritanniens dagegen lasse unter dem Eindruck des drohenden Brexit wesentlich nach. Gleichzeitig, so die Umfrage, rücken China und die übrigen asiatischen Staaten noch mehr in den Fokus. Was aber, wenn etwa der Nordkorea-Konflikt zu noch mehr US-Sanktionen oder sogar Schlimmerem eskaliert? Das würde nicht nur Asien treffen. Schreckensszenarien, das haben die Terroranschläge von Nine-Eleven gezeigt, können die ganze Weltwirtschaft aus der Bahn werfen.

"Alles, was zu Verunsicherungen bei Investitionsentscheidungen führt, ist für die wirtschaftliche Entwicklung nicht gut", sagt Georg Schwab, Geschäftsführer der AVL Software & Functions in Regensburg, die für Hersteller rund um den Globus Lösungen und Prüftechnik für moderne Antriebssysteme entwickelt. Es geht um ökologisch verträgliche Ansätze ebenso wie um den digitalen Datenaustausch moderner Autos mit ihrer Umgebung. Im Wachstumsmarkt USA läuft das Geschäft auch jetzt uneingeschränkt gut. Dennoch birgt eine Politik der Abschottung gerade mit Blick auf die technologische Zukunft gefährliche Risiken. "Komplexe Entwicklungen wie das autonome Fahren erfordern eine noch intensivere Zusammenarbeit der beteiligten Unternehmen. Unterschiedliche internationale Standards wären da extrem hinderlich und würden die Geschäftsaussichten dieser Firmen spürbar beeinträchtigen", sagt Schwab. Er hält Handelsabkommen deshalb für wichtiger denn je.

Vor ganz anderen Problemen stehen derzeit Firmen, die den Handel mit Iran suchen. Die Umsetzung gestaltet sich nach wie vor schwierig - vor allem, weil Geldhäuser Nachteile für ihre Aktivitäten im US-Markt fürchten. "Für die Zahlungsabwicklung findet man immer noch schwer Banken. Das Geschäft funktioniert oft nur über Handelsvertreter aus Drittstaaten", sagt Nabaltec-Chef Heckmann. Für Nabaltec spielt der Handel mit Iran zwar eine untergeordnete Rolle. Ganze Branchen aber setzen große Hoffnungen darauf.

Ähnliches gilt für die Türkei. Dort ist der deutsche Export in 2017 in der von Putschfolgen und Verhaftungen geprägten Atmosphäre regelrecht eingebrochen. Die Experten des Wirtschaftsverbands DIHK registrieren jetzt eine Erholung. Dazu passt, dass die Regierung der Türkei gerade prozentual zweistellige Wachstumszahlen verkündet hat. "Die türkische Wirtschaft ist nach wie vor stark und lockt mittelständische Firmen nicht nur als Produktionsstandort, sondern auch als Absatzmarkt", sagt Schindler. Noch prägen viele Unsicherheiten nicht nur in der Türkei die internationalen Handelsbeziehungen. Je mehr sie sich zu Pulverfässern entwickeln, desto stärker wird der WPU-Index steigen. Damit aber könnte auch die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe schneller als erwartet wieder sinken.

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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