Globaler Handel:Gefährliches Spiel

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: Illustration: Stefan Dimitrov)

Noch setzt die EU im weltweiten Handelskonflikt auf Deeskalation, und der deutsche Mittelstand vertraut weiter auf seine Stärken. Doch die Krise kann die Geschäftschancen schnell dämpfen und härtere Kreditkonditionen bringen.

Von Norbert Hofmann

Wenn am Duisburger Hafen täglich Hunderte von Containern für die Verschiffung nach China verladen werden, ist ein Gutteil davon mit Fahrzeugkomponenten von Audi, Daimler und Volkswagen gefüllt. Dass die Fahrzeuge nur als Einzelteile nach Fernost verschickt und erst dort zusammengebaut werden, hat einen Grund. China erhebt auf vollständige Autos aus Deutschland einen Zoll von 25 Prozent, der auf die einzelnen Komponenten nicht anfällt. Doch große Konzerne finden Mittel und Wege, um auf Handelshemmnisse zu reagieren. Ganz so gelassen kann es der Mittelstand nicht sehen, wenn der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Zollstreit eskalieren sollte.

"Viele kleine und mittlere Exporteure produzieren nur in Deutschland und haben nicht die gleichen Alternativen wie große Konzerne, um auf Handelsschranken zu reagieren", sagt Martin Faust, Professor an der Frankfurt School of Finance & Management. Zölle, so sagt er, machen den Verkauf von Produkten schwieriger, und es leiden die Margen. Bei betroffenen Exportfirmen könnte das zu einer schlechteren Bonität und verschärften Kreditkonditionen führen. "Die Bank fordert dann möglicherweise höhere Zinsen oder ist nicht mehr bereit, den Kreditrahmen zu erweitern", sagt Faust.

Wie sehr politische Veränderungen die Unternehmen treffen können, hat das Russland-Embargo gezeigt. Nicht wenige Mittelständler mussten deshalb Investitionen streichen oder neue Märkte suchen. Ein Handelsstreit kann ähnliche Wirkung zeitigen. US-Zölle von 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium sind bereits in Kraft, auch wenn die EU-Länder bis zum 1. Mai davon ausgenommen sind. Trump droht auch schon der Automobilindustrie mit Sanktionen. Und China will er sogar mit Zöllen auf Produkte im Wert von 150 Milliarden Dollar für aus seiner Sicht unfaire Handelspraktiken bestrafen. Bis zu einem gewissen Grad ist es nachvollziehbar. Chinas subventionierte Dumpingpreise, Patentrechtsverstöße und überdurchschnittlich hohen Zölle sorgen auch in Europa für Ärger. In den USA kommt die Verstimmung über Handelsungleichgewichte hinzu. So waren 2017 die China-Exporte in die USA viermal so hoch wie die Importe chinesischer Abnehmer. Das Reich der Mitte ist damit nach Analysen der Zürcher Kantonalbank Österreich für fast die Hälfte des US-Handelsdefizits verantwortlich.

Banken beobachten den Handelskonflikt derzeit genau

Doch die Volksrepublik will, so Trump seine Drohungen wahr macht, mit neuen Handelsbeschränkungen reagieren. Alles zusammen könnte eine gefährliche Kettenreaktion auslösen. "Wenn die USA und China sich gegenseitig mit höheren Zöllen bekämpfen, wird sich das im Rahmen der globalen Produktions- und Handelskette auch negativ auf den deutschen Mittelstand auswirken", sagt Alexander Kritikos, Forschungsdirektor am DIW Berlin. Ein Handelskrieg oder nur die Furcht davor könne sogar der brummenden deutschen Konjunktur insgesamt einen Dämpfer versetzen. Europa setzt deshalb auf Schlichtung durch die Welthandelsorganisation WTO. Vergeltungsmaßnahmen erwägt die EU aber auch. "Europa wird ebenfalls Strafzölle erheben müssen, um Verhandlungsspielraum aufzubauen", sagt Kritikos. Die ins Gespräch gebrachten Zölle auf Motorräder, Whiskey und Erdnussbutter sind dazu jedoch weniger geeignet. "Software und digitale Plattformen sind für die USA von heute da schon wichtigere Wirtschaftsfaktoren, allerdings nur schwer mit Zöllen zu belegen", sagt Kritikos. Die EU könne nicht-tarifäre Handelshemmnisse wie eine verschärfte Regulierung von digitalen Plattformen aufbauen und die USA so empfindlich treffen. Unter solchen Maßnahmen, so der Wissenschaftler, würde allerdings auch die einheimische Wirtschaft leiden.

Dass Trump schnell einlenkt, ist eher nicht zu erwarten. Mit mehr als 50 Milliarden Euro hat sich der deutsche Handelsüberschuss gegenüber den USA seit 2011 glatt verdoppelt. Das liegt an der hohen Wettbewerbsfähigkeit von "Made in Germany". Für Trump aber ist es Ausdruck dafür, dass die USA keinen guten Deal gemacht haben. Das will er partout ändern. "Je stärker ein deutscher Exporteur in einer für Trump-Wähler wichtigen Branche wie der Stahl- oder der Automobilindustrie tätig ist, desto eher kann er finanzielle Probleme bekommen", sagt Max Leitterstorf, Professor für Finanzierung von Familienunternehmen an der WHU - Otto Beisheim School of Management.

Er hält den Handelsstreit für eines der derzeit größten wirtschaftlichen Risiken. Noch sei die Wahrscheinlichkeit, dass Familienunternehmen empfindlich getroffen werden, gering. "Wenn die Kreditzinsen derzeit leicht steigen, hat das eher etwas mit der gut laufenden Wirtschaft und der Erwartung einer etwas festeren Geldpolitik der EZB zu tun", sagt Leitterstorf. Etwas angespannt, aber nicht nervös - so beurteilen auch Bankexperten die Stimmung bei den Firmen. "Die Wirtschaft vertraut sich selbst am meisten. Wir sehen nicht, dass die Unternehmen anlässlich des Handelskonflikts ihre Planungen ändern", sagt Jörg Hessel, Bereichsleiter Firmenkunden bei der DZ-Bank. Zölle müssten das Interesse an Qualität aus Deutschland nicht unbedingt mindern. Die deutsche Wirtschaft könne zudem ihre Absatzmärkte diversifizieren und ihr Geschäft etwa noch stärker nach Asien ausrichten. Dennoch beobachten die Banken den Handelskonflikt genau. "Zeichnen sich Risiken etwa in Form eines schwächeren Wirtschaftswachstums oder von Auftragseinbrüchen ab, nimmt die Kommunikation mit den Firmenkunden zu", sagt Hessel.

In einer Umfrage des Center for Financial Studies (CFS) vom April erwarteten 75 Prozent der Befragten aus der deutschen Finanzbranche, dass der Handelsstreit zwischen China und den USA weiter eskalieren wird. Bankenprofessor Faust beobachtet einen psychologischen, aber noch nicht wirklich wirtschaftlichen Effekt. "Die zunehmende Unsicherheit führt dazu, dass Firmen ihre Investitionsentscheidungen überdenken." Der Schock der Finanzkrise von vor zehn Jahren, als Aufträge binnen weniger Wochen massenhaft storniert wurden, sitze in den Hinterköpfen. Die Firmen haben aufgrund des Schocks auch mehr Eigenkapital aufgebaut. "Und sie sind bei fremdfinanzierten Investitionen vorsichtiger geworden - auch wenn die Banken ihnen manchmal gerne mehr Kredit geben würden", sagt Faust.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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