Gillette:Wettbewerb am Hals

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Nur Gillette will passende Klingen für den „Mach 3“ anbieten – ein bewährter Trick der Konsumgüterindustrie. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Wilkinson darf keine Billig-Klingen für einen Rasierer des Marktführers Gillette herstellen, urteilt ein Gericht aus Düsseldorf - doch das Urteil gilt nur für fünf Wochen. Denn dann läuft das umstrittene Patent endgültig aus.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Für Kunden der Rasierfirma Gillette war der Wettbewerb eine feine Sache. Konkurrent Wilkinson brachte im Frühjahr 2017 Klingen auf den Markt, die auf den Nassrasierer "Mach 3" von Gillette passen, sie waren 30 Prozent günstiger als die Originale des Marktführers. Doch im Sommer musste Wilkinson die Produktion einstellen, Gillette hat eine einstweilige Verfügung gegen Wilkinson erwirkt - und nun zum zweiten Mal Recht bekommen.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat nun bestätigt, dass Wilkinson zumindest vorübergehend keine günstigen Ersatz-Klingen für den Mach 3 vertreiben darf (Aktenzeichen I-15 U 66/17). Damit verletze Wilkinson ein Patent, das Gillette für die Verbindung vom Handgriff zur auswechselbaren Klinge angemeldet hatte. Der Trost für die Kunden: Das Urteil ist in fünf Wochen obsolet. Denn schon am 18. Februar läuft jenes Patent aus; spätestens dann hat Gillette Konkurrenz am Hals.

Dass die Tochterfirma des US-Konzerns Procter & Gamble jahrelang exklusiv die Klingen für den Mach 3 anbieten konnte, begründete ein geschicktes Geschäftsmodell: Gillette kann davon ausgehen, dass die Kunden regelmäßig Klingen für den Rasierer kaufen werden. Schließlich wäre es deutlich teurer, auf ein neues Gestell mitsamt Klingen zu wechseln. So bindet der Marktführer Kunden an sich und kann den Griff günstig halten, solange er die Klingen mit einer gewissen Marge verkauft.

Trotz der Gerichtsurteile gibt es die Nachahmer-Klingen in manchen Läden noch zu kaufen

Dieses Prinzip der Bündelung kennen Verbraucher auch von anderen Konsumgütern. Hersteller von Tintenstrahldruckern etwa verkaufen die nötigen Patronen gleich mit - und raten von günstigen Nachahmerpatronen ab, die genauso in den Drucker passen. Auch wer einen Roller für Klebeband kauft, erhält die ersten Rollen für gewöhnlich mit dazu. Besonders lukrativ ist die Bündelung freilich, wenn ein Patent den Original-Hersteller wie etwa Gillette vorübergehend vor Nachahmern schützt.

Die Anwälte von Gillette und Wilkinson treffen sich in munterer Regelmäßigkeit vor Gericht. So prüft derzeit auch das Bundespatentgericht, ob Gillette das umstrittene Patent vor 14 Jahren zu Recht erteilt wurde. Sollten die Richter es für nichtig erklären, gälte dies auch rückwirkend, sagt Thomas Adam, Patentrechtler der Kanzlei Simmons & Simmons. Gillette müsste dann den Schaden ersetzen, der Wilkinson wegen der einstweiligen Verfügung entstanden ist. "Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in diesem Nichtigkeitsverfahren kann es aber Jahre dauern", so Adam.

In der Vorinstanz zum aktuellen Prozess entschied das Landgericht Düsseldorf im Sommer, dass Wilkinson seine Nachahmer-Klingen vorerst nicht mehr herstellen darf (Aktenzeichen 4a O 66/17). Drogerien und Supermärkte dürfen ihre Lagerbestände allerdings abverkaufen, deshalb sind die günstigen Klingen mancherorts immer noch erhältlich. Fünf Handelsketten haben die Nachahmer-Produkte unter Eigenmarken verkauft, unter anderem mit der Aufschrift "passend für Gillette Mach 3".

Gillettes ewiger Konkurrent Wilkinson Sword gehört seit dem Jahr 2015 zu Edgewell, ebenfalls einem Konsumgüterkonzern aus den USA. Neben Rasierklingen stellt die britische Firma etwa auch Besteck und Gartengeräte her. Seinen Deutschland-Sitz hat Wilkinson in Solingen im Bergischen Land, wo seit dem späten Mittelalter besonders viele Schneidwaren- und Besteckhersteller ansässig sind. Wilkinson hatte in den 1960er-Jahren den Solinger Klingenbauer Osberghaus übernommen.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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