Getränke-Konsum:Cool ist jetzt die Fassbrause

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Fitness statt Rausch: Weil immer mehr junge Erwachsene auf Alkohol verzichten, stellen sich Brauereien und Spirituosenhersteller um.

Von Georg Berger

Noch einen Klimmzug, danach einen Eiweiß-Shake und dann ab unter die Dusche. Das Motto von Arnold Schwarzenegger "Milch ist für Babys - wenn du erwachsen wirst, musst du Bier trinken" zählt für Mathias Neufang nicht. Der 22 Jahre alte Maschinenbaustudent trinkt nur zwei Mal im Jahr Alkohol. Damit ist er nicht allein. Immer mehr Jugendliche verzichten auf Alkohol und auch bei den jungen Erwachsenen bis 25 sinkt der regelmäßige Konsum. Das hat Folgen für die Brauereien und Spirituosen-Hersteller. Sie müssen kreativ werden.

Leute wie Neufang sind der Grund, warum sie ihre Werbestrategie und ihr Geschäftsmodell ändern. Isotonisch, kalorienreduziert, alkoholfrei - sieht man die Spots der Bierhersteller, könnte man glatt meinen, es handele sich bei ihren Getränken um Nahrungsergänzungsmittel und Fitnesspräparate, die sportliche Leistung fördern sollen. Das ist auch durchaus so gewollt. "Die Idee ist, Erfrischungs-und Fitnessgetränke für eine sportaffine Bevölkerung herzustellen", heißt es bei Krombacher. Und Bitburger wirbt damit, dass die alkoholfreien Biere sportspezifische Mineralstoffe, Vitamine und Kohlenhydrate enthalten, die nach körperlicher Betätigung erfrischend seien und regenerativ wirkten. Als Werbeplattform für ihre alkoholfreien Getränke nutzen die Brauereien große Sportveranstaltungen wie Marathons, Radrennen und Triathlons. Dieser Imagewandel hat gute Gründe. Während der Bierabsatz in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren um 14 Prozent gesunken ist, hat sich der an alkoholfreiem Bier seit 2006 mehr als verdoppelt.

Um sich unabhängiger vom Alkohol zu machen, verändern die Brauereien nicht nur ihre Werbestrategie, sondern verkaufen teilweise auch Getränke, die nichts mit Bier zu tun haben.

Die Werbung für viele alkoholfreie Biere klingt so, als würde man Fitnessdrinks kaufen

Die Brause Bionade gehört seit vier Jahren komplett zur Radeberger-Gruppe. Seit vergangenem Jahr stellt Radeberger in Deutschland auch Pepsi her und vertreibt es an Gaststätten. Krombacher übernahm zuletzt vollständig Vitamalz und erweiterte damit sein Portfolio an alkoholfreien Getränken, zu dem auch Schweppes gehört. Bereits 2015 waren etwa ein Viertel aller von Krombacher verkauften Getränke alkoholfrei. 2010 waren es noch 18 Prozent. Anheuser Busch Inbev, der weltweit größte Bierproduzent, will bis 2025 den Anteil an alkoholfreien- und reduzierten Bieren in seinem Sortiment verdoppeln - auf 20 Prozent. Nachdem das Unternehmen im vergangenen Jahr mit Zitrone und Holunder zwei alkoholfreie Varianten des Franziskaner Weißbier einführte, folgte in diesem Jahr Blutorange.

Der Absatzmarkt ist da: Die Drogenaffinitätsstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt, dass seit 2011 bei Männern zwischen 18 und 25 Jahren der regelmäßige Alkoholkonsum, der Konsum riskanter Mengen und das Rauschtrinken zurückgehen. Außerdem verzichten immer mehr zwölf- bis 17-Jährige auf Alkohol. Aber nicht nur die jungen Erwachsenen trinken weniger. Der Konsum von reinem Alkohol lag in der Gesamtbevölkerung 1980 noch bei 12,9 Litern pro Kopf. In den vergangenen Jahren waren es knapp zehn Liter. Das liegt vor allem daran, dass die Deutschen seit 1990 deutlich weniger Bier trinken.

Aber warum ist das so? Patrick Mannsperger, Konsumgüterspezialist von der Unternehmensberatung Boston Consulting, sieht einen strukturellen Konsumententrend hin zu Produkten, die gut für einen selbst und die Umwelt sind. Alkohol passt da offensichtlich weniger ins Bild. Statt einem Bier nach der Arbeit trinken viele lieber eine Apfelschorle und beim Feiern möglichst wenig, um am nächsten Tag fit zu sein. Student Neufang ist da noch strenger. In seinem Trainingsplan folgt auf jeden Trainingstag ein Ruhetag. Wenn er abends nach dem Trainingstag trinken würde, wäre der Effekt des Trainings verflogen. Wenn er am Ruhetag trinken würde, hätte er am darauffolgenden Tag ein schlechtes Training, sagt er.

Nach der Arbeit eine Apfelschorle und beim Feiern nur wenig trinken: Manche sind noch strenger

Nicht nur die Bierkonzerne, auch die Spirituosen-Hersteller passen sich dem Trend an. Laut Pernod Ricard, dem Marktführer in Deutschland, steigt die Nachfrage nach Getränken mit einem geringeren Alkoholgehalt, was man an der wachsenden Beliebtheit der Aperitifs erkennen könne.

Bei der Marke Absolut Vodka empfiehlt der Hersteller Drinks, die nur mit Wasser verdünnt und somit kalorienärmer als herkömmliche Cocktails sind. "Viele Menschen genießen Alkohol heute bewusst", behauptet eine Sprecherin. "Drinks sind deshalb mehr denn je Statement und Ausdruck von Lifestyle." Neue Ideen sind nötig, um zu verhindern, dass die Umsätze in der Spirituosenwirtschaft weiter sinken. Bei den größten Herstellern haben sie sich in Deutschland seit Mitte der Neunziger fast halbiert. Betrugen sie 1993 ohne Importe noch vier Milliarden Euro, waren es 2015 noch etwa zwei Milliarden. Vergleichsweise kleine Hersteller müssen sich ebenfalls anpassen. Die Firma Berentzen aus dem niedersächsischen Haselünne etwa, ist ursprünglich für Korn bekannt. "Vor vier Jahren haben wir entschieden, dass ein Unternehmen mit 80 Prozent alkoholischen und zuckerhaltigen Getränken sich ändern muss, um zukunftsfähig zu bleiben", sagt Frank Schübel, Vorstandssprecher der Berentzen-Gruppe. Seitdem ist der Anteil der Spirituosen am Umsatz deutlich gesunken, während der an alkoholfreien Getränken stark zugenommen hat. Und auch die Zusammensetzung des alkoholfreien Segments hat sich verändert: 2012 waren noch 40 Prozent der alkoholfreien Getränke klassische Limonaden, heute sind es 25 Prozent. Sie wurden abgelöst von frischen Säften, Mineralwasser und zuckerreduzierten Limonaden.

Ob die Anstrengungen der Brauereien und Spirituosen-Hersteller ausreichen, um Menschen wie Neufang zu überzeugen, bleibt fraglich. Zuhause trinkt er nur Wasser. Wenn er mit Freunden feiern geht, gönnt er sich auch mal eine Fassbrause. "Mir geht es vor allem um den Verzicht auf Alkohol", sagt er. "Die negativen Aspekte des Zuckers nehme ich ab und zu in Kauf." Außerdem will er auf einer Party nicht als Einziger ohne Flasche dastehen.

© SZ vom 13.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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