Gesundheitsreform:Die Praxisgebühr wirkt — besonders bei den Ärmeren

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Medizinische Betreuung ist teurer geworden. Viele Patienten überlegen zwei Mal, ob der Gang zum Facharzt wirklich nötig ist.

Im dritten Quartal gab es nach vorläufigen Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bei den Arztbesuchen ein Minus von rund acht Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum.

Grund ist vor allem die neue Praxisgebühr in Höhe von zehn Euro pro Quartal. Zu Jahresbeginn ging die Zahl der Praxisbesuche schlagartig um zehn Prozent zurück. Für die ersten neun Monate ergibt sich damit nach KBV-Schätzung ein Minus von knapp 8,5 Prozent, bestätigte KBV-Sprecher Roland Stahl am Donnerstag einen Bericht der Bild-Zeitung.

Fachärzte mehr betroffen

Stärker als Hausärzte leiden die Fachärzte unter dem Rückgang: So suchen derzeit deutlich weniger Patienten einen Augenarzt auf. Deren Praxen wurden Ende 2003 fast gestürmt, weil sich die Betroffenen noch schnell eine neue Brille verschreiben ließen, sagte der KBV-Sprecher der Hörfunkagentur dpa/Rufa.

Seit Beginn dieses Jahres zählen Sehhilfen nicht mehr zu den Kassenleistungen. Auch Hautärzte verzeichneten im dritten Quartal deutlichen Patientenschwund: Viele dermatologische Salben müssen die Betroffen neuerdings aus eigener Tasche bezahlen.

Welche Patienten weggeblieben sind, muss sich nach Stahls Worten erst noch zeigen. "Wenn wir wirklich die so genannten Hopper erreicht haben, die sprunghaft einen Arzt nach dem andern aufsuchen, dann hätte die Praxisgebühr gewirkt."

Historisch niedriger Krankenstand

Wenn aber Menschen aus sozialen Gründen wegblieben, "für die zehn Euro sehr viel Geld sind", dann wäre das "natürlich nicht Sinn und Zweck der Sache".

Stahl verwies auf Untersuchungen der Kassenärztlichen Vereinigung in Berlin: Dort habe sich "ganz klar der Trend" gezeigt, dass in Bezirken mit vielen finanziell Schwachen "mehr Patienten wegblieben als in wohlhabenderen Bezirken".

Ein Grund für die in diesem Jahr abnehmende Zahl von Arztbesuchen ist unzweifelhaft auch der derzeit historisch niedrige Krankenstand der Arbeitnehmer. Die Angst um den Arbeitsplatz hält viele Beschäftigte ab, sich arbeitsunfähig zu melden.

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