Geschäft mit dem Abenteuer:Schlafsäcke, Stirnlampen und Spritzen

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Die Handelskette Globetrottrer expandiert langsam, aber stetig.

Von Meite Thiede

Es gab schon Physiklehrer, die haben in den Kältekammern der Globetrotter-Filialen Schulstunden abgehalten. Diese auf minus 25 Grad heruntergekühlten Kammern, die sogar mit einer Wärmebildkamera ausgestattet sind, seien für Lehrer "wie ein öffentlich zugängliches Labor", stellt Thomas Lipke zufrieden fest.

Der geschäftsführende Gesellschafter der Handelskette hat auch gar nichts gegen solche Besucher, die überhaupt nichts kaufen wollen. Bei Globetrotter ist eben vieles ein bisschen ungewöhnlich. Ob so eine Kammer wirtschaftlich ist, hat ohnehin noch niemand gefragt. In dem Raum können Kunden testen, wie gut oder schlecht eine Iso-Matte isoliert oder ob ihre Fotoausrüstung auch bei eisiger Kälte noch funktioniert.

Globetrotter-Kunden wollen solche Dinge häufig ganz genau wissen, denn es zieht sie im Urlaub nicht zum Sonnenbaden an den Strand, sondern bevorzugt in die raue Natur, in der Spezialausrüstung manchmal überlebenswichtig ist. Die Berliner Filiale beherbergt sogar eine Impfstation, in der ein Arzt täglich Spritzen gegen Gelbfieber, Malaria oder Tetanus gibt. Solche Extra-Angebote seien durchaus noch ausbaufähig, findet Lipke.

Outdoor fängt vor der Tür an

Der "Outdoor-Markt" ist ein Spezialsegment des Sportartikelmarktes, das nach Angaben des Bundes der Sportartikelindustrie in Deutschland ein Volumen von etwa 1,4 Milliarden Euro hat. Globetrotter ist mit etwa sechs bis sieben Prozent Anteil nach eigenen Angaben Marktführer.

Die Abgrenzung des Marktsegments ist offenbar auch eine Frage der Ehre. Zu "Outdoor" gehören zum Beispiel Kanufahren, aber nicht Segeln; das Mountainbike, aber nicht das Rennrad; kein Golf, kein Jagen und kein Angeln, auch wenn diese Sportarten ganz eindeutig draußen ausgeübt werden.

Bei Globetrotter gibt es Zelte, Schlafsäcke und Einhandmesser, Trockennahrung einschließlich Rotweinpulver, ein Haifischabwehrpulver, Stirnlampen und Kartenimprägnierspray.

Es gibt keine normalen Skier, aber Tourenski und erstaunlicherweise auch Stöcke für das Nordic Walking. "Outdoor" fängt andererseits aber auch direkt vor der Haustür an, denn wer einen Hund hat, braucht zum Gassi-Gehen auch eine wetterfeste Jacke. Bei Globetrotter findet er dazu ein reichhaltiges Angebot.

Globetrotter betreibt fünf Filialen in Hamburg, Berlin, Dresden, Bonn und Frankfurt am Main und gibt zweimal im Jahr einen Katalog heraus. Der Umsatz im gerade abgelaufenen Geschäftsjahr (28.2.) betrug 100 Millionen Euro, das waren 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Rendite vor Steuern liegt bei etwa drei Prozent.

Die Hälfte des Globetrotter-Umsatzes ist Versandgeschäft, davon wiederum kommen 75 Prozent über das Internet. In der Hamburger Zentrale werden täglich bis zu 500 Pakete an Kunden verschickt.

Zehn Standorte - das ist Deutschland

Im kommenden Frühjahr will Globetrotter in der Kölner Innenstadt auf 7000 Quadratmetern ein neues Geschäft eröffnen; dann stehen München, Stuttgart und Nürnberg auf dem Programm. Mit etwa zehn Standorten könnte Deutschland komplett abgedeckt werden, meint Lipke.

Globetrotter-Kunden würden gern eine etwas längere Anfahrt in Kauf nehmen: Das Einzugsgebiet der Geschäfte habe einen Radius von 150 Kilometern. Er strebt einen Marktanteil von 20 bis 25 Prozent an, will aber keinesfalls zu schnell wachsen.

Eine neue Filiale pro Jahr könne man bewältigen. "Eine schnellere Expansion würde die Ressourcen sprengen und die Philosophie gefährden." Um das mit der Philosophie zu verstehen, muss man einen Blick zurückwerfen.

1979 beschlossen zwei Abenteurer, für sich selbst und Gleichgesinnte einen Laden mit etwas sonderbarer Freizeitkleidung zu eröffnen, ein Spezialgeschäft für Expeditionen, Safaris und Überlebens-Trips. Klaus Denart hatte mit seiner Familie sechs Jahre lang Afrika durchkreuzt, Peter Lechhart war 1970 Leiter der deutschen Grönland-Expedition gewesen.

Zur Eröffnungsfeier war auch der Freund und Überlebenskünstler Rüdiger Nehberg gekommen. Für die Mutigen unter den Gästen brutzele Nehberg auf einem Benzinkocher seine berühmte Käfer und Würmer.

Der kleine Laden (140 Quadratmeter) entwickelte sich sofort zum führenden Fachgeschäft - und zum Szenetreff für die Freunde der damals ganz neuen Art des Reisens jenseits bekannter Routen.

Die Gründer wollten es eigentlich gemütlich angehen lassen und den Laden eher als Hobby betreiben. Doch da hatten sie sich verschätzt. ¸¸Wenn 30 Kunden im Laden stehen, ist es mit der Gemütlichkeit vorbei", sagt Lipke. Viele der Mitarbeiter waren als Kunden zu Globetrotter gekommen. Zum Beispiel Lipke und Andreas Bartmann.

Die beiden waren Mitglieder des Alpenvereins und begeisterte Kletterer. Als sie 1980 eine längere Skandinavien-Tour planten, statteten sie sich bei Globetrotter aus und ließen sich als Aushilfen anheuern.

Daraus wurde eine Verbindung fürs Leben; die Wirtschaftsingenieure, beide Mitte 40, sind heute Geschäftsführer und so etwas wie die zweite Unternehmer-Generation der Firma. Denn seit dem 1. März haben sich die Gründer Denart, 61, und Lechart, 63, aus dem Management zurückgezogen. Jeder der Vier besitzt heute ein Viertel der Firma.

Zu großen Abenteuer-Touren kommen die Chefs heute kaum noch. Aber weil sie im Berufsalltag überall auf Gleichgesinnte stoßen, gibt es gelegentlich wenigstens kleinere Abenteuer: Neue Zelte werden zum Beispiel schon mal auf einer Hundeschlittentour in Schweden ausprobiert.

Fast alle 600 Globetrotter-Mitarbeiter (davon 300 Verkäufer) sind im "Nebenjob" Abenteurer. Aus-Zeiten von ein, zwei Jahren, um Träume zu verwirklichen, sind in der Firma nichts Besonderes. Der Chef versteht ja solche Wünsche - wie könnte er da nein sagen?

© SZ vom 21.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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