Gerichtsurteil:Begrenzte Sorgfaltspflicht eines Discount-Brokers

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Die Sorgfaltspflicht eines Discountbrokers gegenüber seinen Kunden hat Grenzen. Ein Wertpapierdienstleistungs-Unternehmen darf "grundsätzlich auch objektiv unvernünftige Aufträge eines hinreichend aufgeklärten und gewarnten Kunden ausführen."

dku

(SZ vom 10.12.03) — Das entschied der Bundesgerichtshof in Karlsruhe (BGH) in einem jetzt veröffentlichten Urteil (Aktenzeichen XI ZR 21/03). Es sei nicht Aufgabe des Discount-Brokers, seine Kunden "durch Begrenzung ihrer Entscheidungsfreiheit vor sich selbst zu schützen".

Die Consors-Firmenzentrale in Nürnberg. (Foto: Foto: dpa)

In dem zugrunde liegenden Fall hatte sich ein Anleger bei dem Discount-Broker Consors (jetzt Cortal Consors) mit höchstspekulativen Investments bis über beide Ohren verschuldet.

Obwohl das Nettojahreseinkommen des damals 30-jährigen Doktoranden der Rhetorik nur etwa 30000 DM betrug, habe Consors ihm für Aktienkäufe einen Überziehungskredit von 1,2 Millionen DM gewährt, schreibt die Tübinger Kanzlei Tilp & Kälberer in einer Pressemitteilung.

Consors hat Recht

Das Urteil erging gegen einen ihrer Mandanten. Nach Abwicklung der verlustreichen Geschäfte war dem Anleger ein Minus von knapp 300000 Euro verblieben. Diese Summe forderte Consors im Klageweg zurück und erhielt nun - wie bereits in den ersten beiden Instanzen - vor dem BGH recht.

Der Anleger hatte die Zahlung mit Hinweis auf eine Pflichtverletzung des Discount-Brokers verweigert: Consors habe nicht ausreichend über die Risiken der Kreditspekulationen informiert und "pflichtwidrig die Kontoüberziehungen über seine Leistungsfähigkeit hinaus geduldet", so seine Argumentation, die im Urteil festgehalten ist.

Dem folgten die Karlsruher Richter nicht und verwiesen darauf, dass Discount-Broker grundsätzlich keine individuelle Beratung und Aufklärung erbringen. Sie müssten ihren Kunden lediglich "geeignetes schriftliches Material mit standardisierten Informationen über die in Aussicht genommenen Wertpapiergeschäfte zur Verfügung" stellen, schreiben die Richter im Urteil.

Notwendige Kenntnisse?

Bei der Vertragsanbahnung hatte der Kläger angegeben, er verfüge über die notwendigen Kenntnisse für höchst riskante Anlageentscheidungen sowie zwölf Jahre Erfahrung als Anleger. Consors habe "auf die Angaben des Beklagten vertrauen und eine individuelle Aufklärung und Beratung für entbehrlich halten" dürfen, so das Urteil aus Karlsruhe.

Damit "erteilt der BGH Discount-Brokern einen Freibrief", sagt Rechtsanwalt Andreas Tilp. Laut einer EU-Richtlinie müsse eine Wertpapierfirma "im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden handeln". Um zu klären, ob das Verhalten von Consors mit EU-Recht vereinbar ist, hätte der BGH den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen, meint der Anwalt empört.

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