Generaldirektor mit 31:Generation Milchbart

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Karriere machen? In Osteuropa ist das der Normalfall — mangels älterer Konkurrenz übernimmt dort eine blutjunge Generation die Chefposten. Ein Einblick in das Reich der Jungspunde.

Wer auf Geschäftsreisen in Osteuropa auf zarte Jünglinge trifft, sollte sie lieber nicht fragen, ob ihr Chef da ist — sie sind es selbst. In den mittel- und osteuropäischen Staaten, die am 1. Mai der EU beitreten, ist eine junge Generation von Managern mit solider Ausbildung und früher Arbeitserfahrung herangewachsen, die kometenhafte Traumkarrieren macht. Mittlerweile setzen auch Westfirmen und Großkonzerne, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs noch mit eigenen Personal in den jungen Demokratien angerückt waren, auf örtliche Kräfte.

Das Empire State Building? Nein, der Kulturpalast von Warschau. (Foto: Foto: AP)

Führungserfahrung in jungen Jahren

So zum Beispiel auf den 31-jährigen Ungarn Tibor Eiles, der die ungarische Filiale der italienischen Kosmetik-Gruppe Guaber leitet. Trotz seines jugendlichen Alters verfügt Eiles schon über solide Erfahrung im Luxusbereich: Er war vorher als Marketingchef des französischen Spirtuosenherstellers Rémy Cointreau für ganz Mitteleuropa zuständig.

Seine Ausbildung lässt keine Wünsche offen: Er spricht fließend Deutsch und Englisch, sein Managerdiplom MBA schloss er in den Niederlanden ab. "In den neunziger Jahren, als ich gerade mal in den Zwanzigern war, kamen die Geschäftspartner immer auf mich zu und sagten, sie wollten mit dem Chef sprechen", erzählt Eiles. "Dann sagte ich immer: Der Chef bin ich."

Atemberaubende Karrieren

Ähnlich atemberaubend ist die Laufbahn des Polen Krzysztof Rybinski. Nach einem Studium in London, Cambridge und Genf war er mit 30 Jahren Chefökonom der niederländischen Bank ING in Warschau. Im Alter von 37 Jahren gilt er jetzt als heißer Favorit für den Job des Vizepräsidenten der polnischen Zentralbank.

Möglich wurden diese Karrieren durch eine vorausschauende Politik der Multis in den neunziger Jahren. Sie besetzten zwar ihre Topjobs in Osteuropa zunächst mit eigenen Managern, engagierten aber umgehend junge Leute vor Ort, die nur zwei Voraussetzungen erfüllen mussten: Fremdsprachen sprechen und Arbeit nicht scheuen.

"Was sollten diese Firmen mit der alten Generation, die an der Universität marxistische Ideologie studierte hatte?", fragt Akos Bihacker, Chef der Budapester Unternehmensberatung HR-Com. "Die Multinationalen wollten junge Leute, die bei Null anfingen und die sie selbst ausbilden konnten."

Günstig und kenntnisreich

Die Einheimischen hätten mehrere entscheidende Vorteile gegenüber Managern aus dem Westen, erklärt Poul Pedersen von der Personalvermittlerung Pedersen and Partners in Prag. "Sie kennen ihren heimischen Markt in- und auswendig, und sie kosten viel weniger Geld als ausländische Führungskräfte."

Mittlerweile würden die Chefs von örtlichen Filialen mehr und mehr als leitende Angestellte für ganz Mitteleuropa rekrutiert, so Pedersen. Auch außerhalb der Region gebe es für diese Leute Karrieremöglichkeiten, so der "Kopfjäger" — allerdings weniger im Westen als auf dem schwierigen russischen Markt.

Für die nächste Generation dürften diese Aufstiegschancen allerdings schon nicht mehr gelten. "In zehn Jahren wird es für die Hochschulabsolventen der Region nicht mehr so einfach sein: Ihre Karrieren werden durch die jetzige Generation gebremst werden", erläutert Pedersen. "So wie es jetzt in Westeuropa eine Generation von 55-Jährigen gibt, die ihre Sessel nicht räumen wollen und so den Aufstieg junger Nachwuchskräfte verhindern."

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