Geldpolitik:Hoffnung auf Leitzins-Senkung schwindet

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Nach einer Umfrage der Süddeutschen Zeitung rechnen die meisten Banken nicht damit, dass die Europäische Zentralbank am kommenden Donnerstag die Leitzinsen weiter senken wird. Im Herbst könnten sich die Währungshüter aber noch einmal zu einem Zinsschritt durchringen, glauben manche der Bank-Volkswirte.

Von Helga Einecke

(SZ vom 1.9.2003) Die Volkswirte großer Banken sind sich nicht einig, ob die Talsohle bei den Zinsen in Europa erreicht ist oder nicht. Einige erwarten eine weitere Senkung der Leitzinsen bis Jahresende, andere halten dies weder zur Stützung des Aufschwungs noch angesichts der Preisentwicklung für erforderlich.

In einem Punkt stimmen die von der Süddeutschen Zeitung befragten Bankvolkswirte überein. Am kommenden Donnerstag dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen unverändert beim Satz von zwei Prozent belassen. Entscheidend für den weiteren Kurs der Geldpolitik wird das Ausmaß des erwarteten Aufschwungs in Euroland, die Preisentwicklung und der Kurs des Euro sein. Der Wert der europäischen Währung ist von 1,19 Dollar Ende Mai auf derzeit rund 1,08 Dollar zurückgefallen.

Nach Ansicht von Allianz-Volkswirt Michael Heise sollte die EZB weder eine Lockerung noch eine Straffung ihrer Geldpolitik signalisieren. Im Euroraum gebe es berechtigte Hoffnungen auf eine Wirtschaftsbelebung. Der Preisanstieg sei hartnäckiger als zunächst angenommen.

"Dies ist kein Umfeld mehr, in das eine weitere Leitzinssenkung passt", schätzt der Volkswirt die Lage ein. Lediglich auf einen - allerdings unwahrscheinlichen - Dollar-Absturz müsse die EZB mit geldpolitischer Lockerung reagieren.

Euro unter Wert

Holger Schmieding von der Bank of America sieht das ähnlich. Angesichts des bevorstehenden Aufschwungs gebe es für die Zentralbank keinen Grund, einzugreifen. Die Geldpolitiker könnten ein ganzes Jahr lang passiv bleiben, wenn der Wechselkurs des Euro keinen weiteren Handlungsbedarf signalisiere, sagte Schmieding.

Der Kurs der Einheitswährung wird sich nach seiner Einschätzung bei 1,08 bis 1,14 Dollar einpendeln.Sollten sich die Wirtschaftsdaten wie erwartet verbessern, dann ist das Zinstief im laufenden Zyklus erreicht, meint Ulrich Ramm von der Commerzbank. Er erwartet in diesem Jahr keine Zinssenkung mehr. Der Dollar habe seine Schwächephase überwunden, der Euro werde schon wieder unter Wert gehandelt.

Erste Anzeichen für eine zögerliche konjunkturelle Erholung sind für den Morgan-Stanley-Experten Joachim Fels kein Grund, die Leitzinsen bei zwei Prozent zu belassen. "Wir sehen noch eine Zinssenkung von 0,25 Basispunkten im vierten Quartal", sagt er. Allerdings könne eine weitere Euro-Schwäche auch das Aus für eine Zinssenkung bedeuten. Auch nach Ansicht von Michael Hüther (Dekabank) hat die EZB anders als die US-Notenbank "noch Luft für einen weiteren kleinen Zinsschritt". Angesichts der Aussicht auf eine Inflationsrate von 1,3 Prozent im Schnitt des kommenden Jahres in der Eurozone habe die Notenbank gute Gründe für diesen Schritt. Er sei im Dezember zu erwarten. Ein Gegenargument läge in einer weiteren Euro-Abwertung. Hüther sieht den Euro aber zum Jahresende eher bei 1,15 Dollar.

"Spielraum nach unten"

Weil das Wirtschaftswachstum in Europa weitaus schwächer ausfallen wird als in den USA, hält es auch Martin Hüfner von der HypoVereinsbank für richtig, dass die EZB im Herbst die Zinsen noch einmal senkt. "Es ist zu befürchten, dass die Belebung eher ein Strohfeuer ist und die mittelfristigen Preisperspektiven eine Zinssenkung durchaus zulassen", meint er.

Sicher ist er aber nicht, dass es zu einer weiteren Lockerung kommt. Sollten sich das Wachstum oder die Preisentwicklung mehr beschleunigen als derzeit erwartet, werde die EZB nicht prozyklisch wirken wollen.

Nach Meinung von Jürgen Michels (Citigroup) hat die Zinspolitik in Europa "durchaus Spielraum nach unten". Er rechnet mit einer Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte im November. Der Euro werde sein derzeitiges Niveau halten. Die Notenbanken in den USA und Europa würden im übrigen erst 2005 die Wende zu höheren Leitzinsen einleiten.

Die EZB hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren die Leitzinsen von 4,75 Prozent in sieben Schritten auf zwei Prozent gesenkt. Sie ging damit nicht ganz so radikal wie die amerikanische Notenbank Fed vor - sie stellt den Banken für die Geldleihe nur noch ein Prozent Zinsen in Rechnung.

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