Geld verzockt:Eine Frage der Eigenverantwortung

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Ein Bankkunde legt seine gesamten Ersparnisse riskant an, verliert alles — und gibt die Schuld dem Schweizer Kreditinstitut.

Von Thomas Kirchner

Joachim K. aus Berlin freute sich auf den Ruhestand. 800.000 Mark hatte der selbstständige Taxiunternehmer gespart, nun galt es das Geld noch etwas zu vermehren, was zu jener Zeit, Anfang 1999, nicht so schwierig schien.

Geplant waren sichere, konservative Aktien-Engagements, K. kannte sich aus. Er wechselte von der Deutschen Bank zur Filiale der Schweizer UBS in St. Gallen, dann packte ihn das Fieber.

Weil es gut lief, kaufte er immer mehr und immer riskantere Technologie-Titel, schichtete das Portfolio immer hektischer um. Die Blase platzte, und nach zweieinhalb Jahren waren noch 40.389 Mark und 97 Pfennig übrig. Die zog die UBS ein, um einen offenen Kredit zu decken.

Ein nahezu aussichtsloser Fall

Jetzt ist K. ein Sozialfall und sitzt in der Nervenklinik. In seiner Verzweiflung hat er die Bank verklagt. Wie konnte sie zulassen, fragt er, dass er sich ruinierte? Hätte sie nicht einschreiten müssen? Er will die 800.000 Mark zurück.

Sein Anwalt wusste, dass er einen nahezu aussichtslosen Fall vor dem Kreisgericht St. Gallen zu vertreten hatte, dass hier David gegen Goliath kämpft, eine der größten Banken der Welt. Er wusste auch, dass sein Mandant keinen formellen Vertrag zur Vermögensverwaltung mit der UBS abgeschlossen hatte.

Denn dann wäre es einfacher, die Bank haftbar zu machen. Man müsste nur nachweisen, dass sie gegen die mit dem Kunden vereinbarten Vorgaben verstoßen hat. Stattdessen war die UBS nicht mehr als eine Depotverwalterin, die im Auftrag ihres Kunden Wertpapiere kaufte und verkaufte.

Klage abgewiesen

Und dennoch, argumentiert der Anwalt, hätte sich die Bank mehr um ihren Kunden kümmern müssen. Schließlich wusste sie, oder hätte aufgrund der Sorgfaltspflicht wissen müssen, dass die gesamte Alterssicherung des Mannes auf dem Spiel stand, dass es sich also nicht etwa um Risikokapital handelte.

Sie habe den Kläger ausführlich beraten, teilweise mehrmals täglich mit ihm gesprochen, dem manchmal chaotischen Anlagegebaren des Klägers aber nahezu regungslos zugeschaut. Nur sporadisch habe sie einen Vorbehalt geäußert.

Korrekterweise, so der Anwalt weiter, hätte die UBS den Kläger zunächst mündlich warnen, dann schriftlich abmahnen müssen, gefolgt von der Drohung, das Depot aufzulösen und schließlich der Beendigung des Verhältnisses. Dies nicht getan zu haben, sei grob fahrlässig und unverantwortlich.

Der Rechtsvertreter der UBS versuchte die Klage von vornherein als sinnlos erscheinen zu lassen. Die Bank habe nur gemacht, wozu K. sie beauftragt habe, argumentierte er.

Offenbar jonglierte der Kunde auch mit Fachbegriffen, die er beim Selbststudium in Fernsehen und Internet aufgeschnappt hatte, sonst hätte er nicht Sätze wie diesen äußern können: "Bis zur nächsten Zinsentscheidung der Fed werden die Märkte leichter tendieren."

Überhaupt müsse die Bank nicht die gesamten Lebensumstände ihrer Kunden kennen. "Soll sie von jedem verlangen, die Hosen herunterzulassen?" Die UBS habe die Vorschriften erfüllt, indem sie nach dem wirtschaftlich Berechtigten des Depots fragte, ja sie habe K. sogar eine Broschüre über "besondere Risiken im Effektenhandel" in die Hand gedrückt.

"Er wusste, was er tat, er wollte das schnelle Geld am Neuen Markt. Aber die UBS ist eine Bank, keine Versicherung für den Fall, dass sich Kunden verspekulieren."

Die Klage des Taxifahrers wurde vergangene Woche vom Kreisgericht St. Gallen zurückgewiesen, eine Begründung liegt noch nicht vor. Seine Rechtsschutzversicherung überlegt nun, ob sie Berufung einlegt.

© SZ vom 21.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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