Gegenkodex:Dax-Vorstände unterwerfen sich der Omertà

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Eigentlich sollen sich die deutschen Unternehmen im "Corporate-Governance-Kodex" derzeit zu mehr freiwilliger Transparenz verpflichten. Doch die meisten im Börsenleitindex Dax notierten Großunternehmen unterwarfen sich nun offensichtlich ganz im Gegenteil einem Verschwiegenheitskodex.

Nach Informationen des Vorsitzenden der Regierungskommission "Corporate Governance", Theodor Baums, verständigten sich die meisten im Börsenleitindex Dax notierten Großunternehmen darauf, die Vergütung ihrer einzelnen Vorstandsmitglieder nicht öffentlich aufzudecken. Damit verstießen sie gegen eine Empfehlung des Deutschen Corporate-Governance-Kodex, der die individualisierte Offenlegung vorsehe: "Das ist ein Missbrauch, der den ganzen Kodex in Frage stellt", sagte Baums der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die IG Metall will jetzt deutlicher in den Aufsichtsräten für eine Offenlegung der Gehälter plädieren.

"Kartellabsprache"

Es handele sich bei der Verständigung unter den Firmen über eine Geheimhaltung um eine "Kartellabsprache", kritisierte Baums.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries habe völlig recht mit ihrer Ankündigung, nur noch ein oder zwei Jahre abzuwarten, ob die börsennotierten Aktiengesellschaften freiwillig die Bezüge ihrer Vorstände publizierten, bevor eine gesetzliche Regelung komme.

Justizministerin Zypries (SPD) schlug unterdessen vor, Vorstands-Bezüge an die Entwicklung der Einkommen von Arbeitern und Angestellten zu koppeln.

Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) nannte die Millionenbezüge einiger Manager "unmoralisch".

Zypries sagte dem Berliner Tagesspiegel: "Es ist sicher eine Überlegung wert, die Bezüge eines Vorstands nicht nur mit der Entwicklung der Aktien zu verknüpfen, sondern auch die Lohnentwicklung im jeweiligen Unternehmen zu berücksichtigen."

Um dieses Kriterium könnte der Corporate-Governance-Kodex der Wirtschaft erweitert werden. Gesetzliche Eingriffe zur Regelung der Höhe von Managerbezügen lehnte die Ministerin weiter ab.

Künast rief dazu auf, jeden Anschein von Korruption zu vermeiden: "Wenn ein Manager seine Firma an einen Konkurrenten verkauft, darf er dafür keine Provision oder Abfindung kassieren. ... Sonst gucken Manager in solchen Fällen auf ihre finanzielle Belohnung und nicht darauf, Arbeitsplätze zu erhalten", sagte die Grünen-Politikerin der Bild am Sonntag.

"Unmoralisch"

"Wir leben nicht im Sozialismus und können Manager-Gehälter nicht per Gesetz festlegen", fügte sie hinzu. "Aber es besteht kein Zweifel: Die Millionenbezüge und Abfindungen in Vorstandsetagen sind unmoralisch."

Die IG Metall will verstärkt ihren Einfluss in Aufsichtsräten geltend machen, um zu neuen Regelungen zu kommen. "Gehaltsvorschläge sind seit Jahrzehnten eine Domäne der Kapitalseite", sagte der Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Berthold Huber. Er wehre sich daher gegen Vorwürfe, dass die Belegschaftsvertreter in den Kontrollgremien an der Explosion der Vergütungen mitschuldig seien.

Die IG Metall will sich für mehr Transparenz von Managergehältern auch in mittelständischen Unternehmen ohne Aufsichtsräte einsetzen. "Im Mittelstand liegt das alles im Dunklen, und unsere Einflussmöglichkeiten sind sehr begrenzt", sagte Huber. Die Scheu, Zahlen zu veröffentlichen, sei weit verbreitet.

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