Gefühlte Inflation:Statistiker waschen Euro rein

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Die Verbraucherpreise sind seit der Einführung des Euro-Bargeldes im Durchschnitt weniger stark gestiegen als in der Endphase der D-Mark. Einzelne Güter und Dienstleistungen wie Zigaretten und Restaurantbesuche haben sich allerdings "heftig verteuert".

Von Helga Einecke

Die Verbraucherpreise in Deutschland erhöhten sich seit dem Euro-Start im Januar 2002 um durchschnittlich 3,3 Prozent. In den zweieinhalb Jahren zuvor, den letzten, in denen noch mit DM-Bargeld bezahlt wurde, stiegen die Verbraucherpreise dagegen um 4,3 Prozent.

"Die immer noch weit verbreitete Auffassung, der Euro habe das Preisniveau in Deutschland nachhaltig erhöht, kann somit nicht bestätigt werden", folgert das Statistische Bundesamt.

Die Preise für Nahrungsmittel und Getränke stiegen in den vergangenen zweieinhalb Jahren nur um ein Prozent, und damit besonders langsam. Noch Anfang 2002 hatten die Verbraucher über Preissprünge bei Obst und Gemüse geklagt, die durch eine Kältewelle in Südeuropa ausgelöst wurden.

Beim Fleisch sorgten BSE sowie die Maul- und Klauenseuche zu DM-Zeiten für eine deutliche Verteuerung. In der Euro-Ära wurden Fleisch, Eier und Molkereiprodukte sogar billiger, ebenso wie alkoholfreie Getränke.

Gesundheitsreform

"Heftig verteuert" haben sich dagegen Zigaretten (plus 29 Prozent) und die Leistungen rund um die Gesundheit (plus 20 Prozent). Das hat allerdings nichts mit dem Euro zu tun, sondern ist Folge der Gesundheitsreform und der Tabaksteuererhöhung.

Für die Statistiker "auffällig" erhöht wurden mit der Euro-Einführung Preise bestimmter Dienstleistungen. Dazu gehören die Reparatur von Schuhen und Autos, die Übernachtung in Hotels, Restaurantbesuche, Reinigung, Schneiderei, Friseur und Kinobesuche. Vier Prozent bis sechs Prozent mehr müssen für diese Dienstleistungen heute bezahlt werden.

In einer besonderen Liga spielen die Fußballfans: Eintrittskarten in Stadien verteuerten sich um satte 15 Prozent.

In der Endphase der DM wurden die Verbraucher für Heizöl und Gas deutlich stärker zur Kasse gebeten. Deren Preise stiegen damals um 31 Prozent bis 38 Prozent. Seit der Euro-Einführung waren es beim Heizöl nochmals 18 Prozent und beim Gas ein Prozent. Wohnungsmieten und Nebenkosten verteuerten sich zuletzt um 3,8 Prozent, zu DM-Zeiten waren es 5,2 Prozent.

Nach Angaben von Nadin Sewald vom Statistischen Bundesamt sind die Beschwerden der Verbraucher "stark abgeflaut". Die Behörde hatte sich von Anfang an gemeinsam mit der Bundesbank um Aufklärung bemüht und mehrfach eine Zwischenbilanz zur Preisentwicklung seit Einführung des Euro vorgelegt.

Die erste Bilanz gab es nach einem halben Jahr, als die Wogen besonders hoch gingen und Politiker sogar mit Internet-Seiten und einem "Euro-Preisforum" auf die Beschwerden der Bürger reagierten.

Die zweite Zwischenbilanz nach einem Jahr Euro brachte schon mehr Sachlichkeit in die Debatte, weil viele Auswüchse verschwunden waren.

Bundesbankpräsident Axel Weber erklärte erst vor kurzem in einem Interview der Süddeutschen Zeitung, das Image des Euro werde durch Faktoren belastet, die zufällig in die Euro-Ära fallen, aber mit der neuen Währung nichts zu tun haben.

Zweifel an amtlicher Statistik

Dazu gehöre etwa die Diskussion um den Stabilitätspakt, die schlechte Konjunktur, der Abbau von Sozialleistungen und das Auftauchen von mehr Falschgeld. Bis heute seien die Klagen über den "Teuro" nicht verstummt und mancher zweifele die amtliche Statistik an.

Die Europäische Zentralbank könne nur stetig niedrige Inflationsraten abliefern, um die Akzeptanz der Währung zu erhöhen.

Nach einer Untersuchung der Fachhochschule Ingolstadt standen zuletzt 60 Prozent der Befragten dem Euro positiv gegenüber. Weber gab zu bedenken, dass Preissteigerungen in der Regel sofort und Preissenkungen eher weniger wahrgenommen würden.

Auch nach den Untersuchungen der Bundesbank haben sich nach der Euro-Einführung die anfänglichen Übertreibungen bei bestimmten Dienstleistungen und Waren wieder normalisiert.

© SZ vom 28.07.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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