Gefährliche Arzneien:Patient Pharma

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Todesfälle und die Rücknahme von Medikamenten jagen Schockwellen durch eine ganze Industrie.

Von Kristina Läsker

Die Einnahme dieses Mittels "kann das Herzinfarkt-Risiko erhöhen und zu Magenblutungen führen". Der Satz klingt wie eine der warnenden Botschaften, die seit Monaten in schwarzen Lettern auf jeder Zigarettenschachtel prangen.

Doch diesmal ist nicht der Konsum von Glimmstängeln gemeint, sondern die Einnahme starker Schmerztabletten: Du kannst eventuell sterben, wenn Du dieses Medikament mehr als 18 Monate regelmäßig einnimmst, heißt der Satz im Klartext. Dahinter verbirgt sich eine weitere bittere Botschaft: Starke Medikamente haben - bei aller suggerierten Arzneimittelsicherheit - fast immer starke Nebenwirkungen.

Geht es nach der US-Gesundheitsbehörde FDA, so gehören diese Botschaften bald zur Realität vieler Patienten. Am Donnerstag legte die FDA dem Pharmakonzern Pfizer nahe, die Packungen seines Rheuma-Mittels Celebrex künftig mit einer so genannten Black-Box-Aufschrift zu versehen - und den Beipackzettel umzuschreiben.

Für Pfizer kam die Aufforderung einem Befehl gleich. Zu sehr fürchtet die weltweite Nummer eins unter den Pharmamultis, Celebrex ansonsten vom Markt nehmen zu müssen. Genau dieses Schicksal ereilte am Donnerstag Pfizers Schmerz-Medikament Bextra.

Auf Druck der FDA wurde Bextra in den USA und in Europa vom Markt geholt. Verlorener Umsatz für Pfizer: 1,29 Milliarden Dollar pro Jahr. Für den ohnehin angeschlagenen Konzern gleicht das einem Alptraum.

Ein Drittel der Umsätze sind gefährdet, weil sie von Mitteln stammen, die dieses Jahr ihren Patentschutz verlieren. Bextra und Co sollten das auffangen.

Bemerkenswert ist, dass die FDA mit dem Rückruf von Bextra dieses Mal nicht dem Rat des Expertenausschusses gefolgt ist.

Vertrauen schwindet

Dieser hat sich seit Monaten mit den so genannten Cox-2-Hemmern beschäftigt, zu denen Celebrex, Bextra und Vioxx gehören. Sie waren ins Visier der Behörde geraten, als Hersteller Merck das Arthritis-Mittel Vioxx Ende September überraschend vom Markt nahm. Eine Langzeitstudie hatte ein unerwartet hohes Herzinfarkt-Risiko aufgezeigt.

Der Expertenausschuss kam im Februar zu dem Schluss, dass die Cox-2-Hemmer zwar schwere Nebenwirkungen haben, aber ihr Nutzen zu groß sei, um sie vom Markt verschwinden zu lassen. Die Ausschussmitglieder empfahlen der FDA daher Warnungen auf den Packungen. Einer Wiedereinführung von Vioxx stand demnach nach nichts im Wege.

Für eine Rücknahme von Bextra fand sich explizit keine Mehrheit unter den Experten. Die unabhängige FDA hat sich nun über dieses Votum hinweggesetzt - und das zeigt ein ganz anderes, tiefer liegendes Problem. So mag sich die FDA in der Pflicht sehen, das erschütterte Vertrauen in die Pharmabranche wiederherzustellen.

Nicht nur Vioxx und Bextra, auch die jüngsten drei Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme von Tysabri haben das Bild in den vergangenen Wochen geprägt. Das Multiple-Sklerose-Mittel Tysabri hatte die FDA in einem Schnellverfahren im November zugelassen, obwohl die Langzeitwirkung des Biotech-Mittels unbekannt war.

Als der erste Tote bekannt wurde, zog die Firma Biogen Idec das Mittel hastig zurück. Der Kurs krachte ein, und der unausgesprochene Vorwurf bleibt, dass die FDA zu voreilig gehandelt hat.

Doch wie viel Sicherheit bei der Einnahme von Arzneien gesellschaftlich gewollt ist, und wie viel das kosten darf für Firmen und Patienten - diese Fragen kann auch eine Gesundheitsbehörde nicht beantworten. Bis es so weit ist, werden sich weitere Schockwellen ausbreiten, wenn wieder tödliche Nebenwirkungen auftreten.

© SZ vom 09.04.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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