Geburtenrückgang:Keine Kinder - halbe Rente?

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Angesichts der sinkenden Geburtenraten fordern Politiker und Wirtschaftswissenschaftler höhere Renten für Eltern und Einschnitte bei der Altersversorgung für Kinderlose.

Die sinkenden Geburtenraten in Deutschland haben eine neue Diskussion über eine Rentenkürzung für Kinderlose ausgelöst.

Düsterer Blick in die Zukunft: Seit 1945 wurden in Deutschland nicht mehr so wenig Kinder geboren. (Foto: Foto: ddp)

Politiker und Wirtschaftswissenschaftler sprachen sich in der Bild-Zeitung für Einschnitte bei der Rente von Versicherten ohne Kinder und eine Erhöhung der Altersgelder für Eltern aus. Der Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik der Uni Köln, Johann Eekhoff, verlangte, die Renten von Kinderlosen um die Hälfte zu senken.

"Kinderlose hätten nie in das Rentensystem aufgenommen werden dürfen, weil es nur funktioniert, wenn es von nachfolgenden Generationen finanziert wird", sagte der frühere Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Diese Umstellung könne aber nur in kleinen Schritten erfolgen, damit die Betroffenen privat vorsorgen können.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis schlug vor, die Renten für Kinderlose zu kürzen oder deren Beiträge zu erhöhen. Familien, bei denen ein Elternteil daheim bleibe und Kinder erziehe, erbrächten eine Leistung für die nächste Generation. Davon profitierten "Leute, die voll erwerbstätig sind und keine Kinder haben."

Weltweit niedrigste Geburtenrate

Der SPD-Sozialexperte Karl Lauterbach sprach sich für eine "Aufstockung der Altersrenten von gering verdienenden Eltern" aus. Der Präsident des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn, schlug vor, alle Arbeitnehmer sollten acht Prozent vom Bruttoeinkommen zur Privatvorsorge ansparen, wobei Eltern Abschläge zustehen sollten.

Deutschland hat mit der weltweit niedrigsten Geburtenrate zu kämpfen. Statistisch gesehen bringt jede Frau nur noch 1,36 Kinder zur Welt. Für eine stabile Bevölkerungszahl in Deutschland wäre eine Rate von 2,1 Kindern notwendig. Die Tageszeitung Die Welt hatte berichtet, dass die absolute Geburtenzahl in Deutschland inzwischen den Tiefstand des letzten Kriegsjahres 1945 erreicht habe.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte: "Die hohe Kinderlosigkeit ist alarmierend. Wir müssen alle umdenken." Dieses Land müsse "elternfreundlicher" werden. "Wir müssen im Zusammenhang mit Kindern nicht mehr darüber streiten, was nicht geht. Sondern jeder muss sich fragen, was er besser machen kann, damit Kinder in einer modernen Welt willkommen sind. Kinder bedeuten für unser Land Lebensfreude, Kreativität, wirtschaftliches Wachstum und auch soziale Sicherheit."

Mit dem ab 2007 geplanten Elterngeld wolle von der Leyen sie auch Männern den Rücken stärken, sich um ihr Kind zu kümmern. 56 Prozent der Männer unter 44 wollten Umfragen zu Folge eine Elternzeit nehmen, sofern sie dies finanzieren könnten.

Rente mit 67 wegen niedriger Geburtenrate

Der SPD-Vorsitzende und Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck, wies auf die Bedeutung des demographischen Faktors für die Politik hin. Er sagte im ZDF-Mittagsmagazin, die Rente mit 67 etwa sei eine klare Reaktion auf diese demographischen Herausforderungen.

Die negative Entwicklung nehme an Geschwindigkeit zu, sagte Hans Fleisch, Vorsitzender der Stiftung Berlin-Institut bei der Vorstellung der Studie "Die demographische Lage der Nation". Bis 2050 werde die Zahl der in Deutschland geborenen Kinder schätzungsweise nur noch etwa halb so groß sein wie heute.

Laut Berlin-Institut lässt sich bei Kinderwunsch und Kinderzahlen nach wie vor ein deutliches Ost-West-Gefälle ausmachen: Die Geburtenzahlen in Ostdeutschland liegen konstant niedriger.

Das Institut untersuchte die demographische und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit der deutschen Bundesländer, Landkreise und kreisfreien Städte. Zu den 22 Indikatoren gehörten unter anderem Kinderzahlen, Altersverteilung, Wanderungsbewegungen, Freizeitwert, Ausbildungsstand und wirtschaftliche Entwicklung.

Im Osten ist die Lage noch schlimmer

Zu den Gewinner-Regionen zählen laut Studie vor allem die süddeutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg. An der Spitze der Gesamtbewertung liegt der Landkreis Biberach nahe Ulm, dicht gefolgt von Erding und Freising im Umland von München. In Sachsen-Anhalt liegen mit die vier größten "Problemkreise": Bernburg, der Burgenlandkreis, das Mansfelder Land und Köthen. Nur noch ein Drittel der Einwohner ist hier jünger als 35 Jahre.

Den Negativ-Rekord in Sachen Abwanderung junger Frauen hält der Landkreis Uecker-Randow in Mecklenburg-Vorpommern. In der Altersklasse der 18- bis 29-Jährigen fehlt hier laut Studie bereits ein Viertel der jungen Mädchen. Die Abwanderung sei aber nicht allein ein Problem des Ostens, betonten die Forscher. Auch der Westen habe solche Problemregionen - etwa im Ruhrgebiet und im Saarland.

Es gebe aber auch Lichtblicke in Ostdeutschland. Im Städte-Ranking schafft es Brandenburgs Hauptstadt Potsdam inzwischen auf Platz 25. Zu den östlichen Vorzeigestädten zählen auch das thüringische Jena und die sächsische Landeshauptstadt Dresden.

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