Gasprom-Streit:Schröder soll vermitteln

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Als Aufsichtsratschef der Ostseepipeline-Betreibergesellschaft NEGPC wurde Gerhard Schröder vor kurzem noch heftig kritisiert. Nun wird der Altkanzler in seiner neuen Funktion bereits um Hilfe gerufen: Politiker aus allen Lagern forderten Schröder auf, sich in den Gaskonflikt zwischen Russland und der Ukraine einzuschalten.

Die Intervention Schröders könne bewirken, dass die Gaspreise in Deutschland nicht noch stärker steigen, sagte die CDU-Wirtschaftsexpertin Rita Pawelski der Bild-Zeitung.

Agiler Politrentner: Gerhard Schröder. (Foto: Foto: AP)

Auch SPD-Vizefraktionschef Michael Müller erhoffte sich von Schröder aufgrund seiner Position im internationalen Gas-Geschäft Hilfe in dem Konflikt.

Der energiepolitische Sprecher der Grünen, Hans-Josef Fell, sagte der Zeitung: "Um die Versorgungssicherheit Deutschlands nicht zu gefährden, sollte Schröder als Vermittler zwischen seinen beiden Freunden Putin und Juschtschenko einen Kompromiss vermitteln."

Machtpolitik des Kremls

Ganz andere Forderungen wurden hingegen von der Wiener Presse an die Adresse Schröders gerichtet. Die linksliberale Zeitung forderte den Alt-Bundeskanzler am Freitag auf, seinen Job beim russischen Energiekonzern Gasprom angesichts der Machtpolitik des Kremls gegenüber der Ukraine aufzugeben: "Spätestens jetzt müsste dem deutschen Altkanzler Gerhard Schröder klar sein, dass er sich in Teufels Küche begibt, wenn er den Job (...) annimmt."

Beim Streit um Gaslieferungen von Russland an die Ukraine gehe es um beinharte Machtpolitik und russische Hegemonialansprüche. "Wenn Schröder den von seinem Freund, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, vermittelten Job tatsächlich antritt, macht er sich zum Helfershelfer dieser Strafaktion."

Russland und die Ukraine hatten auch am Donnerstag keine Einigung in ihrem Gas-Streit erzielt. Die Gespräche sollten am Freitag weitergeführt werden, teilte der ukrainische Energieminister Iwan Platschkow am Abend in Moskau mit.

Neue Dokumente

Experten des russischen Konzerns Gasprom und des ukrainischen Staatsunternehmens Naftogas sollten neue Dokumente vorbereiten, die Grundlage für die Verhandlungsrunde am Freitag sein sollten, sagte der Minister.

Einen Vorschlag von Russlands Präsident Wladimir Putin, Zahlungsschwierigkeiten der Ukraine durch einen russischen Milliardenkredit zu überbrücken, hatte zuvor sein ukrainischer Kollege Viktor Juschtschenko zurückgewiesen. "Wir brauchen diesen Kredit nicht", sagte Juschtschenko am Donnerstagabend nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax.

Die Ukraine werde "ihre eigenen Mittel" einsetzen, um das russische Gas zu einem "vernünftigen Preis" geliefert zu bekommen, sagte Juschtschenko.

Putin besorgt

Putin hatte sich zuvor besorgt über den Zustand der russisch-ukrainischen Beziehungen geäußert. Putin, der am Donnerstag in seiner Residenz in Nowo-Ogarewo russische und ukrainische Unterhändler empfing, darunter auch Platschkow, sagte an beide Seiten gerichtet: "Ihr habt eine Krise nicht nur im Energiebereich herbeigeführt. Diese Krise ähnelt einer Krise zwischen Staaten. Das ist sehr schlecht."

Russland droht dem Nachbarland mit einer Unterbrechung der Gaslieferung vom 1. Januar an, sollte sich die Ukraine nicht mit einer Preiserhöhung um nahezu das Fünffache einverstanden erklären.

Dadurch sind auch Gaslieferungen nach Westeuropa, vor allem auch nach Deutschland, gefährdet, sollte die Ukraine zur Deckung des eigenen Bedarfes die Transitmenge verringern.

Juschtschenko hatte am Mittwochabend erneut klar gemacht, sein Land werde die von Russland geforderten 230 US-Dollar pro tausend Kubikmeter Gas keinesfalls zahlen. "Diesem Preis wird die Ukraine nie zustimmen", sagte er dem TV-Sender NTN.

"Kein Ukrainer wird frieren"

Die verlangte Erhöhung von 50 auf 230 Dollar schade der Zusammenarbeit beider Volkswirtschaften. Kein Ukrainer werde im Winter frieren müssen, beruhigte er aber die Bevölkerung.

Als Ausweg aus der Krise schlug Putin einen "kommerziellen Kredit" vor, den Russland dem staatlichen ukrainischen Gaskonzern Neftegaz anbieten könne. Eine internationale Bank aus den USA oder Europa könne die Garantie übernehmen.

Der Kredit könne bis zu 3,6 Milliarden US-Dollar (drei Milliarden Euro) betragen. "Das ist eine große Summe, selbst für Russland", sagte er. Notwendig seien dadurch Änderungen im gerade erst verabschiedeten Haushalt für das kommende Jahr, gestand der Präsident ein, er sei aber zuversichtlich, "dass die Mehrheit der Bürger diesen Schritt befürworten würde, und dass ich die Abgeordneten überzeugen kann".

Sorgen Vor dem Treffen bei Putin war es den russischen und ukrainischen Unterhändlern erneut nicht gelungen, zu einem Kompromiss zu gelangen. Sowohl ukrainische als auch russische Vertreter bemühten sich aber, Sorgen westeuropäischer Gasabnehmer zu zerstreuen.

Sein Unternehmen werde alle Transitverpflichtungen "genau erfüllen", sagte ein Vorstandsmitglied des Unternehmens Neftegaz Ukrainy während des Treffens mit Putin.

Fleischimporte aus der Ukraine gestoppt

Belastet wurden die Verhandlungen vom aufgeheizten politischen Klima. So stoppte Russland am Mittwoch alle Fleischimporte aus der Ukraine und begründete das mit der Verletzung tierärztlicher Vorschriften.

Unterdessen rief die US-Regierung Russland und die Ukraine auf, ihren Streit um die Lieferung und Bezahlung von Erdgas beizulegen. US-Außenamtssprecher Adam Ereli sagte am Donnerstag, Washington stehe mit Moskau und Kiew in Kontakt und ermahne sie zu einem Kompromiss, der den Interessen beider Seiten gerecht werde.

Es handele sich zwar um eine bilaterale Angelegenheit, aber die Frage der Energieversorgung sei "bedeutsam und wichtig" und werde deshalb auch von den USA und Europa aufmerksam verfolgt.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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