Gasmarkt in Deutschland:Ein paar Tabellen - und viele Fragen

Lesezeit: 2 min

Die Gaspreise sind zu hoch. Sind die Stadtwerke schuld?

hgn

Es geht gemächlich zu auf der Internetseite des Bundeskartellamts. Ganz oben, an prominentester Stelle, wird mit Hilfe des Brockhaus "Wettbewerb" definiert.

Es folgen ein Link auf die Gesamtausgabe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowie Gedanken zur Kartellbekämpfung. Und unter Punkt "Aktuelles" findet sich der Hinweis auf die Liste der Neuerwerbungen der behördlichen Bibliothek.

Kein Techniker musste bislang ernsthaft befürchten, dass diese Webseite je aufgrund von Überlastung kollabieren könnte. Doch am dritten Tag des Jahres 2007 geschah genau das. Das Bundeskartellamt hatte Listen veröffentlicht, auf denen die Bundesbürger nachschauen können, ob sie viel oder wenig Geld für ihr Gas bezahlen.

Und das wollten mehr Leute wissen, als die Behörde angenommen hatte. Gas - das ist ein Thema. Die Preise sind hoch und schon lange haben viele den Verdacht, dass sie mehr als nötig bezahlen.

Jetzt finden sie ihn bestätigt, oder, in Grenzen, widerlegt. Offensichtlich ist jedenfalls, dass die Preisunterschiede groß sind und die Erklärungen dafür diffus bleiben.

Lange Leitung

Warum zahlen Kunden im Süden mehr? Warum sind ausgerechnet die Stadtwerke Leipzig so teuer? Und auch in Walldorf? Und warum kommen die Kunden in Magdeburg vergleichsweise günstig weg?

Die Stadtwerke stehen jetzt als die Hauptschuldigen dar. Doch sind sie das?

Sie profitieren zweifellos von ihrer Marktmacht. Die Kunden haben nicht die Wahl, sondern müssen in der Regel mit dem örtlichen Anbieter vorlieb nehmen. Aus dieser Position heraus sind die Stadtwerke mit ihrer Kalkulation nicht kleinlich.

Und doch ist nicht alles so wie es scheint. Gaspreise sind auch politische Preise. Die Stadtwerke zahlen vor allem in den Großstädten hohe Konzessionsgebühren an die Stadt, die auch mitverdienen möchte. Und diese Gebühren werden von den Stadtwerken an die Kunden weitergereicht - wie etwa in München.

Hinzu kommt, dass andere Stadtwerke aufgrund politischer Entscheidungen überhaupt erst in das Gasgeschäft eingestiegen sind, obwohl die Voraussetzungen offensichtlich nicht günstig waren. So kommt es, dass die Stadtwerke Walldorf zu den teuersten Anbietern in Deutschland zählen. Sie haben das Gasnetz erst vor wenigen Jahren gekauft, müssen es abbezahlen und haben bislang keinen Anschluss an die Ferngasleitung.

Darum stehen die Walldorfer Stadtwerke am Ende einer längeren Lieferkette und müssen mehr Durchleitungsgebühren bezahlen als andere. Trotz der hohen Preise macht die Gassparte des Versorgers noch Verluste.

Die Leipziger Stadtwerke argumentieren wiederum mit dem hohen Aufwand für die Renovierung des Netzes. Anders als in anderen Städten seien die Gasleitungen sehr früh und noch beidseits der Straßen verlegt worden und nicht mittig. Daher sei das Leitungsnetz größer als anderswo. 220 Millionen Euro habe die Erneuerung der Infrastruktur gekostet. Das ist zwar nicht so viel mehr, als beispielsweise Dresden bezahlt hat - doch für den örtlichen Versorger ein wesentlicher Grund, warum die Leipziger nun mehr als andere für ihr Gas bezahlen müssen.

Daneben haben die Stadtwerke das gleiche Problem wie die Verbraucher: Die Auswahl an Anbietern ist klein, entsprechend hoch sind die Preise der Lieferanten. Der fehlende Wettbewerb macht sich also auf allen Stufen bemerkbar. Doch nur der Verbraucher zahlt schließlich die Zeche.

Deren Höhe kann er in den jetzt vom Kartellamt veröffentlichten Tabellen genau nachlesen. Mehr als den Einblick in das Preisgefüge des parzellierten deutschen Gasmarktes gewinnt er freilich nicht. Denn die Möglichkeiten des Konsumenten sind beschränkt: Da er in der Regel den Anbieter mangels Auswahl nicht wechseln kann, bleibt vorläufig meist nur der Protest gegen Gaspreiserhöhungen, so wie ihn etwa die Verbraucherzentralen anregen.

Der sei auch gerechtfertigt, sagen die Verbraucherschützer. Denn ungeachtet aller Argumente der Gasanbieter sei klar: Das hohe Preisniveau in Deutschland müsse nicht sein.

In jüngster Zeit haben einige Stadtwerke sogar begonnen, behutsam die Preise zu senken, da die Bezugskosten zuletzt gefallen sind. Andere Anbieter lassen sich da noch etwas Zeit und kosten die höheren Margen aus. Es sind ja keine Wettbewerber da.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: