G20-Gipfel:Das Potpourri von Pittsburgh

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Neue Regeln für Banker: Die mächtigsten Wirtschaftsnationen wollen die Finanzmärkte bändigen. Die Kernthemen des G20-Treffens m Überblick.

C. Gammelin, N. Piper u. M. Hesse

Die Regierungschefs der zwanzig mächtigsten Volkswirtschaften beugen sich an diesem Donnerstag und Freitag in Pittsburgh über eine anspruchsvolle Agenda. Von ihrem dritten Treffen seit Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise erwarten die Menschen in aller Welt nicht mehr nur Bekenntnisse, die Märkte strenger regulieren zu wollen. "Es ist höchste Zeit, die bereits gefassten Beschlüsse umzusetzen", sagte ein hoher EU-Diplomat.

Boni

Sicher ist, dass in Pittsburgh irgendetwas zur Bezahlung der Bankmanager beschlossen werden wird; die Frage ist nur: was. Die Differenzen sind dabei groß. Deutsche und Franzosen würden am liebsten konkrete Obergrenzen für Gehälter und Boni der Banker setzen. Die Amerikaner wollen nur Regeln einführen, nach denen garantiert ist, dass Banker nicht für kurzfristige Buchgewinne belohnt werden und das langfristige Wohl ihres Instituts aus den Augen verlieren. Die EU-Staaten hatten sich in Brüssel darauf festgelegt, dass die Höhe der Boni in einem "angemessenen Verhältnis" zur Gesamtbezahlung stehen muss. Es ist unklar, ob diese Formulierung in die Gipfeldokumente eingehen wird.

Bei dem Thema spielen auch Fragen eine Rolle, die mit dem eigentlichen Problem gar nichts zu tun haben. So möchte die amerikanische Notenbank Federal Reserve ihre Rolle bei der Neuregulierung der US-Finanzmärkte stärken. Kurz vor dem Gipfel wurde in Washington ein Plan bekannt, wonach die Banken der Fed ihre Gehaltssysteme zur Genehmigung vorlegen müssen. Niemand weiß bislang, inwieweit diese Pläne mit dem Finanzministerium oder dem Weißen Haus abgesprochen sind.

Außerdem hat das Bonus-Thema für Politiker auch eine Ventilfunktion. Die Frage, wieviel Banker verdienen sollen, lässt sich dem Wahlvolk gut verkaufen, ganz im Gegensatz zu den komplizierten Problemen der Finanzmarktregulierung.

Eigenkapital

In der Finanzkrise hat die Welt auf brutale Weise gelernt, wie wichtig Eigenkapital für Banken ist. Gesetzlich vorgeschriebenes Minimum waren bislang vier Prozent der gesamten Vermögenswerte eines Instituts; als angemessen galt ein Wert von sechs bis sieben Prozent.

Geringe Eigenkapitalquoten haben für die Banken den Vorteil, dass sie schnell hohe Renditen von 25 Prozent und mehr erreichen können. Der Nachteil ist, dass in schlechten Zeiten auch die Verluste vervielfacht werden. Genau das ist in der Finanzkrise passiert: Die Verluste vieler Banken waren so hoch, dass das Kapital innerhalb kürzester Zeit aufgezehrt war und der Staat einspringen musste.

Daher werden die G20 die Eigenkapitalregeln jetzt verschärfen, trotz der aggressiven Lobby-Arbeit der Finanzbranche. Die Pläne sind konkreter und härter, als bis vor kurzen noch erwartet war. Auf drei Punkte kommt es an: Erstens müssen die Banken deutlich mehr Kapital vorhalten. Die Tatsache kommt nicht überraschend, wohl aber die Entschlossenheit, mit der die G20 das Thema jetzt verfolgen. Zweitens sollen niedrigere Obergrenzen für die Verschuldung gelten.

Über Zahlen ist bisher noch nichts bekannt, ein Blick zurück lässt aber die Dimension erkennen, um die es geht: Bei Ausbruch der Krise haben die Wall-Street-Banken ihr Eigenkapital im Durchschnitt 30 mal ausgeliehen. Vor vier Jahren lag der Faktor noch bei 22. Zumindest dieses Niveau müsste wieder erreicht werden, wenn der Finanzsektor stabilisiert werden soll. Den Banken dürfte dies ein knappes Drittel ihrer Gewinne kosten.

Drittens wird neu geregelt, was als "hartes" Kapital gilt. Kapital kann unterschiedliche Qualität haben, je nachdem, ob es der Bank jederzeit uneingeschränkt zur Verfügung steht oder nicht, wie weitgehend die Kapitalgeber für Verluste haften oder aber Anspruch auf Gewinnausschüttungen haben. Künftig sollen nur Aktienkapital und einbehaltene Gewinne zum Kernkapital zählen, nicht aber wie bisher stille Einlagen oder nachrangige Anleihen.

Die Neuregelung könnte amerikanische Banken im Vergleich zu europäischen begünstigen. Die US-Institute tun sich traditionell leichter, Aktien über die Börse auszugeben, bei den Europäern ist der Anteil "weichen" Kapitals im Durchschnitt höher. Gerade deutsche Institute, wie etwa die Landesbanken, sind schlechter mit hartem Eigenkapital ausgestattet. Wie es heißt, haben die Europäer den Amerikanern hier Zugeständnisse gemacht, um strengere Bonus-Regeln durchsetzen zu können.

Generell gilt für alle Banken: Sie brauchen mehr Kapital, um mehr Risiken auffangen zu können. Eine Folge ist, dass sich die Banken entweder frisches Geld besorgen oder ihre Kreditvergabe einschränken müssen. Es dürfte deshalb Übergangszeiten geben, damit die Banken nicht in der immer noch labilen Konjunktur die Wirtschaft schlechter mit Krediten versorgen.

Finanzmarktregulierung

Die G20 haben auf ihren beiden ersten Treffen bereits beschlossen, dass kein Finanzplatz, kein Finanzinstitut und kein Finanzprodukt mehr unbeaufsichtigt bleiben soll. In Pittsburgh geht es darum, diesen formellen Beschluss mit praktischen Details auszustatten und sich über dessen Umsetzung zu einigen. Die Europäische Union will die G20 auffordern, die Aufsicht über systemisch wichtige Finanzinstitute zu verbessern, "indem sie ihre Aufsichts- und Regulierungsvorschriften verschärfen", heißt es im Beschluss zum EU-Sondergipfel zur Vorbereitung des Treffens in Pittsburgh. Zugleich müsse die Qualität der grenzüberschreitenden Aufsicht verbessert werden.

Insgesamt solle ein weltweit koordiniertes Aufsichts-System beschlossen werden. Die Union präsentiert sich auf dem G-20-Gipfel als Vorreiter. Ein neu zu schaffender Europäischer Rat für Systemrisiken (ESRB) soll künftig als "Frühwarnsystem" rechtzeitig Gefahren im Markt erkennen und Krisen vorbeugen helfen. In dem Risikorat sollen Mitglieder der Europäischen Zentralbank (EZB) und der nationalen Aufsichtsbehörden sitzen. Parallel entsteht ein Europäisches System für die Finanzaufsicht (ESFS), das einzelne Finanzinstitute überwachen soll. Dafür sollen drei europäische Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen und den Handel mit Wertpapieren geschaffen werden. Die EU-Behörden sollen erstmals ermächtigt werden, Weisungen zu erteilen und so Streitfällen zwischen nationalen Aufsichtsbehörden schlichten können.

Finanztransaktionssteuer

Die von der SPD im Bundestagswahlkampf auf die Agenda gehobene globale Steuer auf Finanzgeschäfte spielt auf dem Treffen der 20 mächtigsten Volkswirtschaften offiziell keine Rolle. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hatte vorgeschlagen, Banken, Versicherungen, Börsen und alle anderen Finanzinstitute an den Aufräumarbeiten der gegenwärtigen Krise finanziell zu beteiligen. Banken, Versicherer und Investmentfonds sollten künftig auf alle Transaktionen eine Abgabe von 0,05 Prozent bezahlen, forderte zuerst Steinbrück - und später auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Allerdings gelang es beiden deutschen Politiker nicht, die europäischen Partner von ihrer Idee zu überzeugen. Die weltweite Transaktionssteuer steht folglich auch nicht im europäischen Forderungskatalog für Pittsburgh. Merkel will nun in Pittsburgh nahezu im Alleingang für die Steuer werben. Lediglich Österreich (in Pittsburgh nicht dabei), Frankreich und die Europäische Kommission unterstützen die deutsche Idee.

© SZ vom 24.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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