Fußball-WM:Ohne Maut kein Bus ins Stadion

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Die Folgen der Maut-Krise reichen weit: Die Milliarden-Löcher gefährden wichtige Umbauten und Renovierungen für die Fußball-WM 2006. Die Städte und Gemeinden ächzen unter der finanziellen Last, das Baugewerbe bangt um bis zu 70.000 Arbeitsplätze.

Von Klaus Ott

(SZ vom 18.2.2004) Erst hat Franz Beckenbauer einen Brief an die Bahn geschrieben, dann suchte er die Konzernzentrale in Berlin persönlich auf. Der Präsident des Organisationskomitees der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland befürchtet, dass die Stationen an den Stadien und die Hauptbahnhöfe in den WM-Städten nicht mehr rechtzeitig modernisiert werden, bevor das Turnier beginnt.

Doch Hartmut Mehdorn, der Vorstandschef der Deutschen Bahn (DB), fasste sich kurz und knapp: "Wir haben kein Geld." Wegen des Desasters bei der Lkw-Maut fehlen überall im Lande die Mittel für Neubau oder Erhalt von Straßen und Schienenwegen.

WM-Verkehrschaos befürchtet

Bei vielen Baufirmen und Planungsbüros sind Arbeitsplätze in Gefahr, der Hauptverband der Bauindustrie und der Zentralverband des Baugewerbes bangen um 35000 bis 70000 Arbeitsplätze. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe beziffert den Schaden auf 6,5 Milliarden Euro.

Warum sich also aufregen über 9,8 Millionen Euro, die bei den Bahn-Projekten für die Weltmeisterschaft offen sind? Aber selbst derart kleine Finanzlöcher können große Folgen haben. Ein von Bund und Ländern eingerichteter WM-Arbeitskreis Verkehr hat zusammengestellt, welche Vorhaben konkret auf der Kippe stehen.

Kommunen und Länder überlastet

Falls Anfang März die nötigen Mittel nicht freigegeben werden, wird es wohl in zehn der zwölf Austragungsstädte keine neuen Linien und Haltestellen oder sonstige Verbesserungen im öffentlichen Nahverkehr geben, die später auch für den Bundesliga-Alltag von Nutzen sind.

Die Bau- und Zeitpläne wären dann kaum noch einzuhalten, jammern Kommunen und Länder, die ohnehin den größten Teil dieser WM-Investitionen tragen. Nach wie vor ist ungewiss, ob die Deutsche Bahn bis März erfährt, wie viel Geld sie vom Bund in diesem Jahr für die Schiene erhält. Gut vier Milliarden Euro sollten es ursprünglich sein, fast eine Milliarde ist nun ungesichert - mindestens.

Kurzarbeit bei den Bautrupps

Bei der Bahn und im Verkehrsministerium liegen die Streichlisten längst in den Schubladen. Zwar verspricht die Bundesregierung jetzt, alle geplanten Investitionen auch auszuführen - notfalls mit weiteren Schulden.

Doch erste Schäden zeichnen sich schon ab. Die DB hat für die eigenen Büros und Bautrupps bereits Kurzarbeit erwogen; der deutsche Ingenieurs-Verband warnt, seine Mitgliedsfirmen müssten ein Drittel ihrer Angestellten entlassen; und mittelständische Baufirmen fürchten die Insolvenz.

Bayern braucht 83 Millionen

Nicht nur die Bahn handelt, auch die Straßenbauämter stornieren Aufträge. Und für die Wasserstraßen hatte das Verkehrsministerium schon vor drei Monaten einen "sofortigen Vergabestopp" für fast alle vorgesehenen Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen verfügt. Erledigt wird nur noch, was für die Sicherheit der Schiffe unbedingt nötig ist.

Am Dienstag, nachdem Stolpe den Maut-Vertrag mit Toll Collect gekündigt hatte, meldeten sich der Reihe nach die Länder und bezifferten ihre Ausfälle. In Bayern geht es laut Innenministerium um 83 Millionen Euro bei der Straße.

Mit dem Ausbau der A8 von München über Augsburg nach Ulm und mit weiteren Vorhaben könne nicht begonnen werden. Bei den Bahnlinien sind betroffen der Neubau Nürnberg-Erfurt und der Ausbau von München über Mühldorf bis Freilassing (Salzburg).

In 10 Jahren neue ICE-Strecken

Niedersachsen rechnet laut Verkehrsminister Walter Hirche mit 113 Millionen Euro weniger beim Straßenbau, laut ADAC entfallen 80 Projekte. Am Aschermittwoch beraten die Länder über einen Ausweg. Rheinland-Pfalz und das Saarland wollen eine höhere Staatsverschuldung in Kauf nehmen, damit die Verkehrs-Investitionen nicht gekürzt werden müssen; Bayern verlangt, Bundesfinanzminister Hans Eichel müsse nun umschichten.

Vor einem halben Jahr glaubte DB-Chef Mehdorn übrigens noch, er könne ab 2006 wieder neue ICE-Strecken bauen. Vor Ende des Jahrzehnts werde das nichts mehr, korrigierte ihn jetzt Bayerns Verkehrsminister Otto Wiesheu.

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