Fußball-EM und die ersten Personalprobleme:Keine Bauarbeiter, kein Fußball

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Der Jubel war groß, als Polen und die Ukraine den Zuschlag für die Fußball-EM 2012 bekamen. Jetzt schwindet die Euphorie - für den Bau neuer Stadien fehlen die Bauarbeiter. Polen will nun seinen Markt nach Osten hin öffnen.

Thomas Urban

Die ersten Reaktionen der Warschauer Wirtschaft waren eindeutig: Innerhalb von zwei Stunden nach Bekanntgabe der Entscheidung, dass Polen und die Ukraine die Fußball-Europameisterschaft 2012 ausrichten, zogen die Kurse an der Börse kräftig an.

Das Olimpijskij Stadion in der ukrainischen Hauptstadt Kiew wird derzeit renoviert. (Foto: Foto: AFP)

Der Warschauer Börsenindex WIG erreichte am Mittwoch mit 60259,4 Punkten einen neuen Rekordwert. Bis zum Börsenschluss gaben die Kurse dann wieder nach. Gewinner waren vor allem die Papiere von Stahlherstellern und Baufirmen.

Die erste Euphorie hat sich mittlerweile gelegt, denn die Unternehmen mussten feststellen, dass ihnen Arbeiter zum Bau der neuen Arenen fehlen. Seit 2004 sind Schätzungen zufolge rund zwei Millionen Polen ins Ausland abgewandert, um in Großbritannien, Irland und anderen EU-Staaten am Bau zu arbeiten.

Sechs Monate für Russen, drei für Chinesen

Nun will Polen seinen Markt nach Osten öffnen. Medienberichten zufolge sollen Russen, Weißrussen und Ukrainer ohne besondere Arbeitserlaubnis maximal zwei Mal im Jahr für drei Monate von polnischen Baufirmen eingestellt werden. Chinesen und Vietnamesen sollen maximal ein Vierteljahr bleiben dürfen.

Die Ukraine wird ihre Bauarbeiter nur ungern ziehen lassen, denn die Standortwahl für die EM bescherte auch den ukrainischen Baufirmen Kursgewinne. Analysten erwarten, dass sich die positive Entwicklung der vergangenen beiden Jahre fortsetzt.

Die Börse in Kiew konnte 2006 um ein Viertel zulegen. Auch an der Weichsel wird mit einem weiteren Impuls für die ohnehin wieder boomende Wirtschaft gerechnet.

Es gibt viel zu tun. In Polen entstehen drei neue große Stadien. Drei weitere werden von Grund auf saniert. Auch in der Ukraine entstehen moderne Spielstätten.

Flugverkehr und tausend Kilometer Autobahn

Doch machen die unmittelbar dem Fußball gewidmeten Arbeiten nur einen kleinen Teil der geplanten Investitionen aus. Von weitaus größerem Volumen wird der Ausbau der Infrastruktur sein.

In Polen sollen mehr als tausend Kilometer Autobahn gebaut werden. Das Autobahnnetz soll nach den bisherigen Planungen im Jahr 2020 fertiggestellt werden.

Nun verkündet das Bau- und Infrastrukturministerium selbstbewusst, dass man es in fünf Jahren schaffen wolle. In Rekordtempo muss dabei die bislang noch nicht konkret projektierte Trasse von Krakau nach Lemberg realisiert werden, die Verbindung von Polen in die Ukraine.

Auch deutsche Firmen können profitieren

Dort soll das bisherige Netz von Schnellstraßen, das die Industriegebiete untereinander und mit Kiew verbindet, auf das Niveau mitteleuropäischer Autobahnen gebracht werden. Ansonsten setzt die Ukraine auf den Flugverkehr: An fast allen Spielorten gibt es längst moderne internationale Flughäfen.

Warschau baut wegen der geringeren Entfernungen neben den Autobahnen auf ein Schnellbahnnetz. Schon lange wird überlegt, das deutsche ICE-Netz über Posen bis nach Warschau zu verlängern. Viele Vorarbeiten sind schon durchgeführt.

Bislang braucht der Express Warszawa-Berlin für die 600 Kilometer sechs Stunden. Eine völlig neue 350 Kilometer lange Trasse soll von Breslau in die Hauptstadt führen: Fahrzeit fünf Stunden, weil sie anders als die andere Strecke keinen Bogen macht.

Oligarchen als Partner des Westens

Von den großen Eisenbahnprojekten dürften auch deutsche Firmen profitieren, denn Polen hat keinerlei Erfahrung mit Hochgeschwindigkeitszügen. Auch bekommt Warschau nun mit Sicherheit die zweite Metrolinie. Außerdem dürften viele neue Hotels entstehen.

Für die Ukraine dürfte das Fußball-Spektakel noch einen weiteren positiven Nebeneffekt haben: Ein Teil der erheblichen Summen an Geldern, die jedes Jahr auf Privatkonten in den Westen transferiert werden, dürfte im Land bleiben.

Denn die ostukrainischen Industrieoligarchen sind an einem Erfolg der EM interessiert. Sie wollen nämlich, um ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland zu verringern, sich als verlässliche Partner des Westens präsentieren.

© SZ vom 21.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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