Fusionsgespräche mit HVB:Unicredito schielt auf Sahnestücke in Osteuropa

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HypoVereinsbank und Unicredito haben die Aufnahme von Verhandlungen bestätigt. Sie heizen damit die Übernahmephantasien bei deutschen Großbanken wieder an, vor allem bezüglich der Commerzbank.

HypoVereinsbank und die Mailänder Unicredito Italiano bestätigten überraschend, "dass sie sich im Gespräch über eine mögliche Zusammenführung ihrer Unternehmen befinden".

Firmensitz der HypoVereinsbank in München. (Foto: Foto: dpa)

Es wäre die größte grenzüberschreitende Fusion in der europäischen Bankengeschichte. "Bisher wurde noch keine Vereinbarung erzielt, und der Ausgang der Gespräche ist noch offen", erklärten die Institute.

Die Chancen für den Deal stehen nicht schlecht: Immerhin wurden bereits im vergangenen Winter erste Kontakte mit der HVB geknüpft.

Und auch die Finanzminister beider Länder hätten sich bereits vor geraumer Zeit über eine eventuelle Übernahme unterhalten, betonte die Mailänder Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore zuletzt.

"Das Ziel ist eine Fusion, in deren Rahmen auch die Gründung einer Kontroll-Holding nicht ausgeschlossen ist", zitierte das Blatt Finanzkreise aus Deutschland.

Finanzaktien legten kräftig zu - allen voran die der Commerzbank, für die nach einem Bericht des Wall Street Journal sowohl die Deutsche Bank als auch mehrere andere europäische Großbanken Übernahmeangebote erwägen.

Stärke in Osteuropa

Beide Banken sind vor allem in Osteuropa sehr stark, UniCredito ist durch geschickte Übernahmen mittlerweile unter anderem Marktführer in Polen, Kroatien und Bulgarien.

Aber während die HypoVereinsbank in ihrem Heimatmarkt Deutschland unter schwachen Renditen und Kredit-Altlasten leidet und im vergangenen Jahr erneut einen Verlust von 2,3 Milliarden Euro machte, glänzte die erfolgreichste Bank Italiens mit einem Gewinn von 2,1 Milliarden Euro.

Das Osteuropa-Geschäft der HypoVereinsbank über ihre Tochter Bank Austria ist deshalb für die UniCredito der eigentliche Leckerbissen: "Das ist für Unicredito-Chef Alessandro Profumo ein Pluspunkt, der Appetit macht", schrieb Il Sole 24 Ore.

"Durch eine Fusion mit HVB würde UniCredito seine Führungsposition in dem Gebiet stärken und sie wahrscheinlich vor dem Wachstum anderer interessierter Konkurrenten in Sicherheit bringen.", so Il Sole 24 Ore weiter.

Die HVB würde allerdings bei einem Zusammenschluss allenfalls in die Rolle eines Juniorpartners schlüpfen, liegt ihr Börsenwert doch gerade einmal bei 15 Milliarden Euro. UniCredito wird immerhin mit über 26 Milliarden Euro bewertet.

HVB-Kurs macht Übernahme attraktiv

Der Erlangener Finanzprofessor Wolfgang Gerke sagte: "Es ist traurig, dass die zweitgrößte deutsche Bank nur noch als Juniorpartner gehandelt wird." Für Unicredito sei vor allem der Zugang zu den HVB-Kunden in Deutschland, Österreich und Osteuropa attraktiv. Außerdem sei der Börsenkurs der HVB zur Zeit günstig.

Während sich für die Kunden bei einer Fusion nicht viel ändern würde, müssten die Mitarbeiter der HVB einen weiteren Stellenabbau befürchten, sagte Gerke.

UniCredito mit Rekordgewinnen

Das 1998 aus der Fusion der Regionalbank Credito Italiano und der Sparkassenholding UniCredito (Cariverona, Cassamarca und CRT) hervorgegangene Institut konnte 2004 mit über zwei Milliarden Euro den höchsten Nettogewinn seiner Geschichte verbuchen.

Im ersten Quartal 2005 steigerte UniCredito den Gewinn erneut um knapp 49 Prozent auf 693 Millionen Euro - ein Ergebnis, das auch die optimistischsten Markterwartungen übertraf. Erst Anfang des Jahres haben die Mailänder für eine Milliarde Euro 57 Prozent der türkischen Bank Yapi Kredi gekauft - und sich so zur führenden Privatbank in dem Land am Bosporus gemausert.

Für seine Arbeit an der UniCredito-Spitze wurde Profumo bereits zum "Europäischen Bankier des Jahres 2002" gekürt. Immerhin hat er die Gruppe lose verbundener Finanzinstitute in den vergangenen sieben Jahren zu einer hochprofitablen Bank getrimmt.

HypoVereinsbank-Chef Dieter Rampl hatte vor wenigen Wochen in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt, eine Großbank aus Italien sei angesichts der regionalen Aufstellung des eigenen Hauses eine "sinnvolle Kombination".

Die offizielle Bestätigung exklusiver Übernahmegespräche kam dennoch unerwartet. Der Schritt sei wegen österreichischer Rechtsvorschriften notwendig gewesen, hieß es aus informierten Kreisen.

HVB- und Unicredito-Aktien legten bis zum Nachmittag um jeweils knapp ein Prozent zu, die Aktien der Münchner Rückversicherung, die 18 Prozent an der HVB hält und ihre Verkaufsabsichten mehrfach bekräftigt hat, stieg um gut zwei Prozent. Analysten verweisen darauf, dass die europäischen Kartellbehörden eine Fusion prüfen müssten.

Commerzbank wieder im Gespräch

Angeheizt von den neuen Übernahmefantasien legte die Commerzbank-Aktie am Montag zeitweise fast vier Prozent zu. Weder Deutsche Bank noch Commerzbank wollten zu den Marktspekulationen Stellung nehmen. Derzeit führe die Commerzbank keine Gespräche über Übernahmen, verlautete aus Bankenkreisen.

Das Wall Street Journal nannte neben der Deutschen Bank auch die Royal Bank of Scotland und die französischen Finanzinstitute BNP Paribas und Société Generale als Interessenten für den Kauf des drittgrößten private Geldinstituts in Deutschland.

Gemessen am Börsenwert sind die deutschen Banken für ausländische Konkurrenten leichte Opfer. Selbst Branchenprimus Deutsche Bank kommt gerade mal auf etwa 35 Milliarden Euro Marktkapitalisierung, der US-Konzern Citigroup kann dagegen umgerechnet rund 200 Milliarden Euro in die Waagschale werfen.

Dennoch wurde in den vergangenen Jahren zwar viel über den Einstieg ausländischer Investoren in die deutsche Bankenbranche spekuliert. Passiert ist aber wenig. Mit der möglichen Übernahme der HypoVereinsbank durch die italienische UniCredito könnte nun aber zumindest die Konsolidierungswelle in Europa tatsächlich auf Deutschland überschwappen.

Sollte die Übernahme der derzeit mit etwa 15 Milliarden Euro bewerteten HVB durch die Italiener nicht noch platzen, wäre es die bisher größte Bankenfusion in Kontinentaleuropa. Angesichts der fortschreitenden Globalisierung reagieren Unternehmen und Arbeitnehmer aber relativ gelassen. "So sind die heutigen Zeiten".

Deutsche Banken mit Aufholbedarf

"Im Vergleich zum Beispiel zu den Versicherungen ist der deutsche Bankbereich noch wenig internationalisiert", sagt HypoVereinsbank- Aufsichtsrat Klaus Grünewald von der Gewerkschaft ver.di. Ob eine Bank von Mailand oder München geführt werde, sei für den Mitarbeiter am Schalter letztlich egal. Wichtig sei, dass möglichst viele Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Angesichts der schwachen Renditen und milliardenschweren Altlasten in den Bilanzen der deutschen Großbanken wollte sich in den vergangenen Jahren kein internationaler Finanzkonzern mit einer Übernahme den Magen verderben.

Seither haben die deutschen Großbanken aber einen Teil ihrer Hausaufgaben gemacht. Nach massivem Arbeitsplatzabbau und massiven Wertberichtigungen stehen Institute wie die Commerzbank oder die HVB inzwischen wieder besser da.

Dennoch sind Experten über das Interesse der Italiener durchaus verwundert. Zwar werde sich UniCredito "mit Freude das Osteuropageschäft der HVB einverleiben", sagt Analyst Konrad Becker vom Bankhaus Merck Finck. "Der deutsche Markt ist aber weiter schwierig."

Die vier deutschen Großbanken kämen wegen der starken Konkurrenz von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbank nur auf einen gemeinsamen Marktanteil von 20 bis 25 Prozent. Auch deshalb seien die Gewinnmargen deutlich niedriger als in den meisten anderen wichtigen Märkten. Offenbar gebe es bei den internationalen Großbanken aber angesichts gesättigter Heimatmärkte einen Zwang zu Größe und Wachstum.

Im vergangenen Jahr hatte die europaweite Konsolidierung richtig Schwung bekommen, als Spaniens größte Bank Santander Central Hispano für mehr als 13 Milliarden Euro die britische Abbey National Bank kaufte. Seither werden auf vielen Ebenen Verhandlungen geführt. So will Spaniens zweitgrößte Bank Bilbao Vizcaya Argentaria (BBVA) für rund 6,4 Milliarden Euro die italienische Banca Nazionale del Lavoro (BNL) übernehmen.

In Deutschland sind zwar ausländische Institute wie ABN Amro oder die Citigroup durchaus aktiv. Große Übernahmen sind bisher aber ausgeblieben. In Branchenkreisen wird nach der offiziellen Bestätigung von Verhandlungen damit gerechnet, dass die Übernahme der HVB durch UniCredito klappt.

HVB nur Junior-Partner

HVB-Chef Dieter Rampl hat bereits signalisiert, dass er mit der Minderheits-Rolle in der neuen italienisch-deutschen Großbank leben könnte. Eine solche Lösung sei dem Vorstandschef deutlich lieber als zum Beispiel eine Fusion mit der Commerzbank, bei der wohl mehrere tausend Arbeitsplätze gestrichen werden müssten, sagt ein Branchenkenner. "Damit will Rampl seine Laufbahn nicht abschließen, dann ist er lieber Junior-Partner."

Wenn das deutsch-italienische Bündnis funktioniert, rückt wieder einmal die Commerzbank in den Mittelpunkt der Spekulationen. Seit Jahren schon gibt es hier Übernahmegerüchte, bisher ist aber bei den Frankfurtern nichts passiert. "Die Wahrscheinlichkeit einer Übernahme steigt, ich sehe allerdings nicht unbedingt den wirtschaftlichen Sinn", sagt Analyst Becker.

Vor ein, zwei Jahren hätte es die deutschen Banken deutlich billiger zu kaufen gegeben. Die Investoren hätten dann zwar die Sanierung noch vornehmen müssen, die Restrukturierung wäre aber auch nach ihren Vorstellungen verlaufen.

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