Fusionen:Angreifen, um nicht zu verlieren

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Procter & Gamble kauft Gilette, der Telekommunikationskonzern SBC übernimmt seine ehemalige Muttergesellschaft AT&T — warum amerikanische Konzerne wieder ihr Heil in Fusionen suchen.

Von Martin Hesse

In Amerika machen Fusionen und Übernahmen wieder Schlagzeilen. Der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble kauft die Traditionsmarke Gilette, die amerikanische Telefongesellschaft SBC übernimmt den 120 alten Konzern AT&T.

(Foto: Foto: AP)

Bereits im Dezember vergangenen Jahres waren in den Vereinigten Staaten Fusionspläne im Umfang von über 260 Milliarden Dollar bekannt geworden.

Im neuen Jahr geht es weiter, und vieles spricht dafür, dass 2005 so viele Firmen gekauft und fusioniert werden, wie seit 2000 nicht mehr.

Doch anders als damals treibt nicht Wachstumswahn die Konzernlenker. Sie wollen vor allem eines: Kosten senken.

In den späten neunziger Jahren spülte die Fusionswelle Konzerne wie Vodafone, Worldcom und AOL Time Warner nach oben. Von vielen der großen Zusammenschlüsse profitierten rückblickend weder die Aktionäre noch Mitarbeiter und Kunden.

Die aggressivsten Käufer mussten in den vergangenen Jahren zweistellige Milliardenbeträge abschreiben, weil sie viel zu viel für ihre Opfer gezahlt hatten.

Bei DaimlerChrysler und anderen gelang es spät oder gar nicht, die übernommenen Firmen zu integrieren.

Volle Konzernkassen

Wenn heute viele Unternehmen wieder an Zukäufe denken, ist das zunächst ein gutes Zeichen. Die Manager haben in ihren Bilanzen aufgeräumt, die Verschuldung gesenkt und verdienen wieder gut.

Die Kassen der Konzerne sind so voll wie seit Jahren nicht - in Europa wie in den Vereinigten Staaten. Viele Firmen verwenden das Geld, um höhere Dividenden auszuschütten, Aktien zurückzukaufen oder zu expandieren.

Zudem sind die Zinsen extrem niedrig, so dass Unternehmen leichter Schulden für Zukäufe aufnehmen können. Das gilt vor allem für Amerika. Die großen Investmentbanken gieren förmlich nach Gelegenheiten, ihr Geld arbeiten zu lassen.

Citigroup und andere treiben die Firmen dazu an, neue Risiken einzugehen. Als Firmenkäufer treten zusätzlich zu den Industriekonzernen häufiger als früher Beteiligungsfirmen auf, die Übernahmen bis zu 70 Prozent mit geliehenem Geld finanzieren.

Durch Größenvorteile Kosten senken

Die steigende Zahl von Firmenkäufen zeigt jedoch auch, dass die niedrigen Zinsen das eigentliche Ziel der Zentralbanken nicht erfüllt haben: Die Unternehmen investieren trotz des billigen Geldes nicht in neue Werke, Maschinen und Mitarbeiter - sondern kaufen diese von außen zu.

Vor allem in Europa ist das Wachstum so schwach, dass in den meisten Branchen zusätzliche Produktionskapazitäten gar nicht gebraucht werden.

Übernahmen und Zusammenschlüsse können daher nur zwei Ziele haben: Firmen runden ihre Produktpalette mit starken Marken ab - wie Procter & Gamble mit dem Kauf von Gilette - oder wollen über Größenvorteile die Kosten weiter senken, um im schärfer werdenden globalen Wettbewerb bestehen zu können.

Der Treibsatz für diese Art von Fusionen ist die wachsenden Konkurrenz aus China, Indien und anderen aufstrebenden Volkswirtschaften.

Für Mitarbeiter sind das schlechte Nachrichten. Schließen Unternehmen sich zusammen, um Kosten zu senken, bauen sie in der Regel Personal ab. Gelingt es den Herstellern tatsächlich, billiger zu produzieren, dürften die Kunden davon über niedrigere Preise profitieren.

Marktmacht stärken

Allerdings geht es gerade bei den Konsumgüterherstellern auch darum, ihre Marktmacht gegenüber den großen Discountern wie Wal Mart und Aldi zu stärken.

Müssen die Einzelhändler deshalb im Einkauf höhere Preise bezahlen, kann auch das Gegenteil eintreten: Die Waren werden teurer.

Eindeutig positiv ist die neue Lust auf Übernahmen auch für Aktionäre nicht: Zwar regen die Fusionsmeldungen kurzfristig die Spekulation über weitere Zukäufe an und treiben die Kurse. Doch haben viele Zusammenschlüsse defensiven Charakter. Es geht nicht um Wachstum, sondern Kostensenkung. Das setzt dem Kursanstieg Grenzen.

© SZ vom 1.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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