Fujitsu:Europas letzte PC-Fabrik wird geschlossen

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Das war einmal: Schon lange wird im Werk in Augsburg produziert, jetzt soll für den Standort endgültig Schluss sein. (Foto: imago/argum)

Der Konzern Fujitsu macht das Werk in Augsburg dicht, mehr als 2000 Jobs fallen weg.

Von Uwe Ritzer

Dass sich etwas zusammenbraut, zeichnete sich schon im Lauf der Woche ab. Nur dass es gleich so schlimm kommen würde, damit rechneten die Augsburger Mitarbeiter des japanischen IT-Konzerns Fujitsu nicht. Kurzfristig hatte sie das Unternehmen für Freitag, neun Uhr, zu einer Versammlung in dem Werk im Süden der Fuggerstadt eingeladen; es gehe um ein wichtiges Zukunftsthema, hieß es nebulös. Tatsächlich verkündeten Zentraleuropa-Chef Rupert Lehner und Werkleiterin Vera Schneevoigt nicht weniger als das Aus für das letzte Computer-Werk in Europa.

Bis September 2020 wird Futjitsu seinen Standort Augsburg komplett schließen. Betroffen sind 1500 Beschäftigte plus 300 Leiharbeiter. Damit einher baut das Unternehmen an anderen Standorten in Deutschland weitere 300 Jobs ab, davon allein in München etwa 170. Es handelt sich hauptsächlich um Arbeitsplätze, die eng mit dem Augsburger Werk verzahnt sind. Damit gehen 1800 der aktuell 5500 Stellen bei Fujitsu in Deutschland verloren.

Auf der Betriebsversammlung sorgte die Ankündigung für Entsetzen; einige Mitarbeiter hätten geweint, berichten Teilnehmer. Die Leute seien so überrumpelt gewesen, dass sich kaum Unmut geäußert habe. Der Betriebsrat war erst unmittelbar vor der Versammlung vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

"Wir werden die Schließung nicht einfach akzeptieren", sagt Angela Steinecker, bei der IG Metall für Fujitsu zuständig. Sie kündigte Protestaktionen an. Sie habe das Unternehmen in der Vergangenheit als "im Großen und Ganzen korrekten und bisweilen sogar großzügigen Arbeitgeber kennengelernt", so Steinecker. Nun hoffe sie, dass dies auch bei den Verhandlungen über die Modalitäten der Standortschließung so sein werde. Betriebsbedingte Kündigungen müssten ausgeschlossen werden. Ein Firmensprecher sicherte "sozial verträgliche Lösungen" zu; Fujitsu sei sich bewusst, welche Auswirkungen die Schließung für die Betroffenen habe.

Das Aus für den Augsburger Fujitsu-Standort hat globale und strategische Gründe. Der Konzern mit Sitz in Tokio, der etwa 140 000 Menschen weltweit beschäftigt und 39 Milliarden Dollar Umsatz erwirtschaftete, organisiert sich in weiten Teilen neu. Grund dafür sei ein "zunehmender Wandel vom reinen Produktgeschäft hin zu Services", heißt es in einer Mitteilung. Branchenspezifische Lösungen für die Kunden würden immer wichtiger und außerdem wolle man sich um Themen wie künstliche Intelligenz oder Blockchain-Technologie verstärkt kümmern.

Im Zuge dessen wird die Fertigung in Japan konzentriert; auch Produktentwicklung und Logistik lässt man in Deutschland auslaufen. Rupert Lehner, Chef des Zentraleuropa-Geschäftes bei Fujitsu, trat dem Eindruck entgegen, das Unternehmen ziehe sich aus Deutschland zurück. Man wolle vielmehr das Angebot für den öffentlichen Sektor, den Mittelstand, sowie Schlüsseltechnologien wie die Automobil- und Fertigungsindustrie in Deutschland, Österreich und in der Schweiz ausbauen. An der "starken Präsenz in Deutschland einschließlich des Betriebs von hochsicheren Rechenzentren", sowie im Zuge bestehender Partnerschaften mit Microsoft oder SAP werde Fujitsu "auch in neue Arbeitsplätze in Wachstumsbereichen" investieren. Der IG Metall fehlt hingegen "ein nachhaltiges Zukunftskonzept für die deutschen Fujitsu-Standorte.

Fujitsu ist das letzte, große IT-Unternehmen, das Hardware nicht in Asien, sondern in Deutschland fertigt. 550 Beschäftigte montieren in dem Augsburger Werk Notebooks, Server, Speicher und Mainboards, also elektrische Steuerungseinheiten. In etwa genauso viele Beschäftigte arbeiten dort in Forschung und Entwicklung; der Rest verteilt sich auf Bereiche wie Verwaltung, Vertrieb oder Marketing.

Ursprünglich gehörte der Standort mal zu Siemens, der Niedergang geht schon lange

Für Augsburg ist das Aus eines der größten Arbeitgeber ein schwerer Schlag. Beginnend mit Walter-Bau vor mehr als zehn Jahren musste die schwäbische Industriestadt viele und zum Teil spektakuläre Verluste an Firmen und Tausenden Arbeitsplätzen verkraften. Zuletzt sorgten die Insolvenzen des Weltbild-Verlags, des Autozulieferers Wafa und der Motorrad-Marke Horex für Schlagzeilen. Erst Mitte Oktober schloss das Werk des Lampenproduzenten Ledvance (früher Osram); 800 Beschäftigte verloren ihre Jobs. Und auch das Fujitsu-Werk selbst hat einen stetigen Aderlass hinter sich.

Einst von Siemens allein, dann von Siemens-Nixdorf, in Kooperation mit Fujitsu und schließlich nur noch von den Japanern betrieben, wurden dort seit 2000 mehrere Tausend Stellen abgebaut. Dass der Standort nun geschlossen wird, sei mit Blick auf Ledvance "binnen kurzer Zeit der zweite schwere Schlag für Augsburg und die Region", sagte Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler. "Das geht an die Substanz dieses Wirtschaftsstandorts." Mit dieser Einschätzung steht der Gewerkschafter nicht allein. Bayerns Wirtschaftsminister Franz Josef Pschierer machte sich noch am Freitag nach Augsburg auf, um Vertreter des Managements und der Arbeitnehmer von Fujitsu zu treffen. Das Unternehmen müsse nicht nur den Jobabbau sozial verträglich gestalten, sondern auch "alternative Beschäftigungsmöglichkeiten entwickeln", so der CSU-Politiker. Darüber hinaus will die Landesregierung mit Verantwortlichen am Ort über strukturpolitische Unterstützung für Augsburg beraten.

© SZ vom 27.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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