Folgen der Wiederwahl:Bammel vorm Bush-Boykott

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In den Chefetagen amerikanischer Unternehmen wächst die Angst, die Alte Welt könnte aus Frust über Bushs Außenpolitk den Konsum verweigern: Jeder fünfte Europäer wäre bereit, keine US-Produkte mehr zu kaufen.

Von Andreas Oldag

Der amerikanische Aktionskünstler Jed Ela ist ein begnadeter Selbstdarsteller.

Ob sich die Abneigung gegen Bush auch auf die transatlantischen Handelbeziehungen niederschlägt? (Foto: Foto: AP)

Ela vertreibt das Toilettenpapier Shit-Begone und hat jetzt auf seiner Firmen-Homepage angekündigt, sein Produkt nicht mehr in den Bundesstaaten zu verkaufen, in denen der Republikaner George W. Bush bei der Präsidentenwahl gewonnen hat.

Wirtschaftliche Nachteile dürfte der Boykott für Ela allerdings kaum haben. Die Juxmarke wird überwiegend im New Yorker Szeneviertel Williamsburg vertrieben und dort dürfen sich die vielen Bush-Hasser weiter an dem politisch korrekten Produkt erfreuen.

Ernsthaft Sorgen machen sich dagegen viele Marketingexperten wegen des möglichen Boykotts amerikanischer Produkte. Jeder fünfte Europäer ist nach einer Umfrage des Instituts Global Market Inside (GMI) bereit, aus Protest gegen die Außenpolitik der Regierung Bush auf den Kauf von US-Waren zu verzichten.

Frust auf US-Produkte übertragen

Mit Nachteilen müssen demnach die Ikonen der amerikanischen Konsumwelt wie Marlboro, Coca-Cola und McDonald's rechnen. GMI befragte nach eigenen Angaben etwa 8000 europäische Verbraucher nach der Wahl am 2. November.

Dabei sei die "Frustration über die Wiederwahl Bushs und die einseitige US-Außenpolitik" deutlich geworden. Einen ähnlichen Trend hat die Werbeagentur DDB Worldwide festgestellt.

Konsumenten würden ihre starken Vorbehalte gegen die amerikanische Außenpolitik auf Produkte aus den Vereinigten Staaten übertragen, erklärte DDB-Chef Keith Reinhard.

Droht den transatlantischen Handelsbeziehungen eine schwere Belastungsprobe? Müssen US-Firmen in Europa mit einem Bush-Malus rechnen? Noch geben sich zumindest die Handelsstatistiker gelassener als die Werbestrategen.

Bisher kein Einbruch im Handel

Trotz des politischen Streits zwischen Europäern und Amerikanern wegen des Irak-Kriegs legten US-Konzerne im vergangenen Jahr etwa 87 Milliarden Dollar in der Europäischen Union an und erzielten die Hälfte ihrer Auslandsgewinne in Europa.

Europäische Unternehmen investierten 36,9 Milliarden Dollar in den USA. Auch beim Handel sei bisher kein Einbruch zu spüren, heißt es.

Dennoch wächst in den Chefetagen amerikanischer Unternehmen die Nervosität über eine mögliche Konsumverweigerung der Europäer. Der US-Konzern Altria, zu dem der Marlboro-Hersteller Philip Morris gehört, vermeldete für das dritte Quartal 2004 einen Rückgang seines Zigarettenabsatzes in Frankreich um 24,5 Prozent und in Deutschland um 18,7 Prozent.

Auch Cola ist nicht mehr so cool

Von einem Absatzeinbruch in Deutschland ist auch der weltgrößte Getränkehersteller Coca-Cola betroffen, dessen Verkäufe in Deutschland im dritten Quartal um 16 Prozent fielen.

Die Einbußen können nach Ansicht des GMI-Instituts verschiedene Ursachen haben. So haben sich wahrscheinlich die schwache Konjunktur ebenso negativ ausgewirkt wie die deutschen Pfandregelungen für Getränkedosen und die Debatte über die Gesundheitsgefahren durch das Rauchen.

Vor allem unter jungen Konsumenten gelten Coca-Cola und McDonald's zudem nicht mehr unbedingt als cool. So sind politische Überzeugungen wohl nicht die Ursache, aber ein verstärkendes Moment bei der Abneigung gegen bestimmte Marken.

© SZ vom 30.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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