Flughafen:Der Traum vom Fliegen

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Nur wenig Betrieb am Flughafen Hahn: Die Passagierzahlen blieben weiter hinter den anfänglichen Prognosen zurück. (Foto: imago stock&people)

Der Flughafen Hahn, bekannt geworden als Abflugbasis von Ryanair, wird an chinesische Investoren verkauft. Diese wollen den Standort mit asiatischen Touristen beleben.

Von Christoph Giesen und Susanne Höll, Frankfurt/München

Für die SPD-geführte Regierung von Rheinland-Pfalz könnte, jedenfalls dann, wenn alles gut geht, ein Schreckenskapitel der jüngsten Landespolitik langsam zu Ende gehen. Nach mehreren Monaten Verhandlungen ist der Verkauf des mehrheitlich landeseigenen Flughafens Hahn im Hunsrück perfekt. Für einen nicht genau bezifferten Betrag in niedriger zweistelliger Millionenhöhe geht der einst mit übergroßen Erwartungen gestartete Airport an das chinesische Unternehmen Shanghai Yiqian Trading. Bis zuletzt waren noch zwei andere chinesische Interessenten im Spiel. Ernst zu nehmende Investoren aus Europa hatte es nicht gegeben.

Kein Wunder. Denn der mit Abermillionen Euro zum Ferienflieger- und Frachtflughafen umfunktionierte ehemalige Militär-Fliegerhorst, den die französische Armee nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gebaut und an das US-Militär übergeben hatte, kann aus eigener Kraft nicht überleben. 2015 betrug der jährliche Fehlbetrag etwa 16 Millionen Euro, das Passagieraufkommen war zuletzt leicht gestiegen, auf knapp 2,7 Millionen, dafür musste der Flughafen einen schmerzhaften Rückgang im Frachtgeschäft hinnehmen. Immerhin sind die Schulden von zuletzt gut 130 Millionen Euro deutlich gesunken - zu Lasten der Kasse des Landes, die Hahn ansonsten niemals hätte verkaufen können. Die Hoffnungen, die die Landespolitiker 2009 bei der Übernahme von gut 80 Prozent des Flughafens geweckt hatten, haben sich kaum erfüllt.

Eine Expertise, die das damals von Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) geführte Regierung präsentierte, prophezeite bis 2012 gut 6000 Arbeitsplätze am Flughafen selbst und fast die doppelte Zahl in der an Jobs armen umliegenden Region. Von mehr als neun Millionen Passagieren pro Jahr war die Rede, von Gewinnen ab dem Jahr 2016. Die Realität ist weitaus düsterer. Die Grünen, damals noch nicht Koalitionspartner der Sozialdemokraten, misstrauten dem Projekt von Anfang an zutiefst und warnten vor einem "Millionengrab". Sie sollten Recht behalten.

Spätestens mit den neuen EU-Richtlinien, die die staatliche Förderung von Flughäfen in Europa ab dem Jahr 2024 weitgehend untersagt, wäre der Flughafen Hahn Geschichte gewesen. Aber die Landesregierung trennt sich auch aus Eigeninteresse von dem Verkehrsprojekt. Rheinland-Pfalz will die Schuldenbremse einhalten und muss deshalb sparen. Die neue Ampelkoalition unter Führung von Malu Dreyer (SPD) hat allerlei teure Pläne, etwa im Straßen- und Brückenbau. Jährliche Millionenzahlungen an einen Problem-Flughafen kann und will man sich nicht mehr leisten.

Doch zumindest in den kommende Jahren werden, so gab die Landesregierung preis, noch stattliche Beihilfesummen fließen; die Rede ist von 60 bis 70 Millionen Euro. Für die Region ist der Flughafen ein wichtiger Arbeitgeber; gut 300 Beschäftigte sind derzeit direkt am Hahn tätig. Arbeitsplätze und Infrastruktur waren auch für Beck die ausschlaggebenden Gründe, nach dem Abzug der US-Armee das Wagnis im Hunsrück einzugehen.

Becks Nachfolgerin Dreyer und ihre Regierung mühen sich seither, Ordnung in die Landesfinanzen zu bringen und die defizitären Anlagen abzustoßen. Im rheinland-pfälzischen Kabinett hat sich inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Staat besser nicht sein unternehmerisches Glück mit Spaßparks und Regional-Airports versucht. Der Nürburgring, ein weiteres Projekt der Beck-Jahre, wurde inzwischen an russische Investoren verkauft, der Flughafen im pfälzischen Zweibrücken musste dicht machen.

Die Opposition im Landtag spricht von einem "Notverkauf"

Innenminister Roger Leventz (SPD), auch zuständig für die großen Infrastrukturprojekte des Landes, verheißt dem Flughafen eine glücklichere Zukunft als Zweibrücken. "Mit der Übernahme durch einen Privatinvestor beginnt ein neues Kapitel am Hahn, das für weiteren Schub bei der Entwicklung des Flughafens sorgen wird", erklärte der Minister. Die Opposition sieht das weitaus kritischer. Die CDU spricht von einem "Notverkauf" und prangert verlorene Steuermillionen an. Der Investor will derweil erklärtermaßen dafür sorgen, dass der Hunsrück-Airport eine Art Drehkreuz für asiatische Touristen und Frachtflieger wird. Doch kann das klappen?

Normalerweise haben Übernahmen aus Chinas Hand und Fuß: Die Investoren aus der Volksrepublik lassen das deutsche Management im Amt, allenfalls ein, zwei Manager aus China werden abgestellt, doch die führen an der langen Leine und konzentrieren sich darauf, einen verbesserten Marktzugang in China zu schaffen.

Nicht immer lief alles so glatt. 1997 kauften chinesische Investoren eine insolvente Bleistiftfirma in Mecklenburg-Vorpommern und scheiterten. Vier Jahre später erstanden Chinesen den ehemaligen Fernsehhersteller Schneider, zogen das Know-how ab und verlagerten die Produktion.

Auch in Lübeck setzte man auf Investoren aus China. Jetzt ist der Flughafen pleite

Seit den ersten Misserfolgen in der Fremde prüft die Führung in Peking Auslandsakquisitionen jedoch streng: Alle paar Jahre veröffentlicht die Zentralregierung eine nach Ländern aufgeschlüsselte Tabelle mit Übernahmeempfehlungen. Deutschland steht mit dem Maschinenbau, der Umwelttechnik und der Autozulieferbranche auf der Liste. In manchen Fällen brauchten Investoren bis zu 100 Genehmigungen. Heute sind immerhin noch etwa 15 Stempel nötig. Wer die beisammen hat, hat meistens auch einen guten Plan.

Doch es gibt einige Ausnahmen, und das sind leider die Flughäfen. 2007 übernahm ein chinesischer Unternehmer einen ehemaligen Militärflughafen in Parchim, in der Einöde Mecklenburg-Vorpommerns. Doch der angekündigte Ausbau in ein Fracht- und Passagierdrehkreuz kommt seitdem nicht voran. 2014 kaufte ein chinesischer Investor den insolventen Flughafen Lübeck. Angeblich habe er einen exklusiven Vertrag mit Turkish Airlines ausgehandelt, verkündete der neue Besitzer. Ein Irrtum. Ein Jahr später war der Flughafen erneut pleite.

Nun also wieder ein chinesischer Investor: Shanghai Yiqian Trading Company. Und wieder lässt sich kaum etwas zu diesem Unternehmen finden. In Shanghai tragen mindestens zwei Unternehmen diesen Namen. Bei der einen Firma heißt es, man habe definitiv keinen Flughafen gekauft. Bei der anderen meldet sich eine Frau, die sagt, dass es sich um eine Privatnummer handele und der Eintrag im Handelsregister falsch sein müsse. Dem entgegnet Carsten Jennert von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, sein Unternehmen habe die Geschäftspläne genau unter die Lupe genommen: "Damit wollen wir sicherstellen, dass wir Szenarien wie in Lübeck oder Parchim vermeiden können." Hoffentlich hat Jennert recht.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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