Fiskus:Erst kommt das iPhone, dann die Moral

Lesezeit: 2 min

(Foto: SZ)

Die Paradise Papers haben aufgedeckt, wie die Konzerne Apple und Nike Steuern vermeiden. Eine Studie untersucht nun, ob die deutschen Verbraucher beim Einkaufen auf solche Gesichtspunkte achten.

Von Martin Pfaffenzeller, München

Knapp eineinhalb Monate nach der Veröffentlichung der Paradise Papers boomt das deutsche Weihnachtsgeschäft. Die Einzelhändler rechnen mit einem Umsatzplus von drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr und damit mit einem neuen Rekord. In den Innenstädten sieht man Menschen, die sich mit Tüten in der Hand durch die Fußgängerzonen rempeln, darin Kartons, auf denen ein Apfel oder ein Haken prangt: Sie haben neue Smartphones bei Apple und Schuhe von Nike gekauft.

Die beiden US-Konzerne finden sich in den Paradise Papers, einem gigantischen Datensatz, den Journalisten der Süddeutschen Zeitung gemeinsam mit NDR, WDR und internationalen Partnern ausgewertet haben. Sie fanden heraus, dass Apple und Nike im großen Stil Steuern vermieden haben, genauso wie zahlreiche andere multinationale Konzerne.

Die Veröffentlichung löste Diskussionen über die teils lasche Gesetzgebung aus: Während Heerscharen von Anwälten nach immer neuen Steuerschlupflöchern suchen, scheinen die verantwortlichen Politiker in Deutschland und in der EU kaum willens oder in der Lage zu sein, schon länger bekannte Schlupflöcher zu schließen.

Die Debatte drehte sich aber auch um die Konsumenten: Würde niemand mehr Air-Max-Schuhe und iPhones kaufen, gerieten die Konzerne in Erklärungsnot. So könnten die Kunden Nike oder Apple zu mehr Steuerehrlichkeit erziehen, hofften Kommentatoren. Aber haben die Menschen die Paradise Papers überhaupt mitbekommen? Sind sie empört? Und wollen sie tatsächlich auf diese Markenprodukte verzichten? Boykott-Aufrufe wegen mieser Arbeitsbedingungen oder Umweltzerstörung verpufften bislang meistens. Dahinter steht die Frage: Kann journalistische Aufklärung die Konsumwelt nur interpretieren oder auch verändern?

Nun liegt erstmals eine repräsentative Studie vor, die Reichweite und Effekt der Paradise Papers untersucht. Demoskopen von Puls Marktforschung haben mehr als 1000 Menschen aus Deutschland online befragt. Knapp drei Viertel von ihnen gaben an, dass sie von den Paradise Papers gehört haben - Männer öfter als Frauen und Ältere öfter als Jüngere. Man muss mit solchen Ergebnissen vorsichtig sein, denn die wenigsten Menschen wollen zugeben, dass sie schlecht informiert sind (Männer tun sich damit erwiesenermaßen schwerer als Frauen).

Ein knappes Drittel der Befragten glaubt, dass die meisten Unternehmen genauso tricksen. Manche der Studienteilnehmer ergänzten, dass es sich um legale Tricks handele. Nike nutzte ein Firmengeflecht rund um Lizenzzahlungen, um seine Steuern zu senken, weil in den Niederlanden kaum Steuern auf Lizenzgebühren erhoben werden. Apple nutzte eine Rechtslücke für ausländische Firmen in Irland - und fragte in einer geleakten E-Mail gar nach einer Steueroase, in der gar keine Steuern mehr fällig würden. Alles legal. Deshalb sieht jeder fünfte Befragte kein Problem darin, weiter bei den Firmen einzukaufen.

Nike verkaufte über ein Firmengeflecht Lizenzen an sich selbst

Anderen geht es nicht um Recht, sondern um Moral. Rund ein Viertel gab an, zukünftig Unternehmen zu bevorzugen, die nachweisen, dass sie ihre Steuern ordentlich abführen. 16 Prozent wollen weniger und weitere zwölf Prozent gar nichts mehr von Marken kaufen, die mit allen Mitteln Steuern vermeiden. Auch diese Ergebnisse sollte man nicht überinterpretieren: In Umfragen geben sich Menschen oft moralischer, als sie sich tatsächlich verhalten. Jeder zehnte Befragte wollte "speziell in der Weihnachtszeit" darauf achten.

Die Aktionäre der betroffenen Firmen scheinen sich darüber nicht allzu viele Sorgen zu machen: Die Apple-Aktie verlor seit Veröffentlichung rund eineinhalb Prozent an Wert, Nike hingegen legte mehr als 13 Prozent zu.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: