Finanzkrise überfordert Staat:Das Traumfabrikmuster

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Am Fall Schaeffler zeigt sich, dass der Staat in der Finanzkrise wie ein Hollywood-Schauspieler agiert. Frei nach dem Motto: Jetzt ist Krise, und die löse ich jetzt. Doch das ist eine Illusion.

G. Bohsem

Es ist vor allem Hollywood, das die Denkmuster für Krisenzeiten prägt. Kino und Fernsehen haben uns daran gewöhnt, Krisen und Konflikte als zeitlich begrenzt und als lösbar zu betrachten, wenn der Held es nur wirklich will.

Erschöpfungszeichen bei Finanzminister Peer Steinbrück: Die Begehrlichkeiten an die Adresse des Staates nehmen laufend zu. (Foto: Foto: dpa)

Das Dilemma kann noch so groß, der Kampf noch so gefährlich sein - wir bestehen auf einem Happy End und auf einem Ritter in glänzender Rüstung, der durch seine Kraft und seinen Willen alles wieder in Ordnung bringt, und zwar schnell.

In der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise der Geschichte der Bundesrepublik gilt das erst recht und deshalb ertönt der Ruf nach dem Staat. An wen auch sonst? Wer außer ihm sollte angesichts der Masse und Größe der Probleme einspringen? Und weil die Repräsentanten des Staates, die Politiker, im Zuge der Globalisierung so lange unter schleichender Entmachtung gelitten haben, nehmen sie diese Rolle gerne und dankbar an.

Die höchste Staatsverschuldung in kürzester Zeit

Viele Dinge, die in den vergangenen Wochen und Monaten in Berlin diskutiert, geplant und entschieden wurden, passen gut in das Traumfabrik-Muster: Jetzt ist Krise, und jetzt handeln wir: das größte Rettungspaket, die höchste Staatsverschuldung, und das alles in kürzester Zeit. Und doch ist naiv, wer auf den Staat als Retter aus der Krise setzt, und leichtgläubig, wer meint, die regierende Klasse wisse so genau, was sie tue.

In Wirklichkeit bestimmen Versuch und Irrtum das Handeln. Vieles davon hat nur noch wenig mit den ordnungspolitischen Leitsätzen zu tun, die nicht nur die Union, sondern auch der wirtschaftsnahe Flügel der SPD bis vor kurzem als wahr und richtig erkannt haben.

Nirgends lässt sich die Orientierungslosigkeit der Politiker besser studieren als bei den Überlegungen, Industrieunternehmen mit Staatsgeld über die Runden zu helfen, und nirgends besser erklären als am Fall des Autozulieferers Schaeffler.

Dazu ist eine kurze Rückschau nötig: Vor etwa einem Jahr kannte die breite Öffentlichkeit den Namen Maria-Elisabeth Schaeffler nicht. In aller Stille führte die Milliardärin einen erfolgreichen Konzern im fränkischen Herzogenaurach.

Mit vielen Tricks und noch mehr Chuzpe

Allenfalls der ubiquitäre Autobranchenexperte Ferdinand Dudenhöffer hätte gewusst, was Schaeffler so alles herstellt. Das änderte sich im Sommer dann schlagartig. Das Unternehmen entschloss sich, den dreimal so großen Konkurrenten Continental zu übernehmen.

Mit vielen Tricks und noch mehr Chuzpe gelang der gewagte Handstreich, während die wirtschaftliche Lage des Landes und speziell die der deutschen Automobilindustrie von Tag zu Tag schlechter wurde. Das Ergebnis ist jetzt zu besichtigen: Beide Unternehmen sitzen auf geschätzten 20 Milliarden Euro Schulden, und kaum eine Bank ist noch bereit, weitere Kredite auszugeben.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum Unternehmertum einträglicher ist als ein Beamtenjob.

Frau Schaeffler muss daher bei der Bundesregierung um Hilfe bitten. Eine Milliardärin fragt nach Steuergeldern, um ein Unternehmen am Leben zu halten, das sie durch eine gewagte Übernahme an den Rand des Ruins geführt hat.

Kann man das einer Friseurin erklären, die in Erfurt brav ihre Steuern zahlt? Oder einem Hartz-IV-Empfänger im Ruhrpott, der seinen Kindern ein Spielzeug verweigern muss, weil die Hilfe vom Staat nicht reicht? Nein, man kann es nicht. Der Staat sollte Schaeffler nicht helfen, nicht mit einer Bürgschaft und erst recht nicht, indem er in das Unternehmen einsteigt.

Unternehmertum ist vor allem deshalb einträglicher als ein Beamtenjob, weil mit ihm das volle Risiko für die eigenen Entscheidungen verbunden ist. Geht der Staat hin und übernimmt dieses Risiko auf Kosten der Steuerzahler - das Ende der klugen unternehmerischen Abwägung und der kaufmännischen Vorsicht wäre gekommen.

Eine kalkulierte Entscheidung

Selbst der größte Hasardeur und Abenteurer könnte sich darauf verlassen, dass der Staat einspringt und ihm aus der Patsche hilft. Das Conti-Abenteuer war eine kalkulierte Entscheidung, für die Schaeffler nun die Konsequenzen zu tragen hat. Wäre der Coup geglückt, das Unternehmen hätte den Staat wohl kaum am Profit beteiligt.

Sicher, durch die finanzielle Schieflage der Schaeffler-Gruppe sind dort und bei Conti Tausende Arbeitsplätze bedroht. Doch das alleine darf kein Argument sein, sonst müsste der Staat all den bedrohten Unternehmen helfen, die auch nur einen einzigen Angestellten beschäftigen.

Es liegt auf der Hand, dass die insgesamt bereitgestellten 100 Milliarden Euro dazu bei weitem nicht ausreichen würden. Für ein so umfassendes Hilfsangebot sind Summen notwendig, die auch eine der stärksten Wirtschaftsnationen der Welt nicht aufbringen kann. Der Staat würde sich überheben.

Und nicht nur das. Er hätte weder das Personal noch die Expertise, um zu entscheiden, ob ein Unternehmen unverschuldet in eine Notlage geraten ist oder durch schlechte Entscheidungen wie bei Schaeffler geschehen.

Konkursverwalter wissen nur zu gut, wie schwierig es ist, den Grund für den Zusammenbruch eines Unternehmens herauszufinden. Es spricht daher eine Portion Größenwahn aus der Idee, eine Art Weisengremium zu schaffen, das darüber entscheidet, welches Unternehmen Geld bekommt und welches nicht. Der Staat ist kein Hollywood-Held. Er sollte sich raushalten.

© SZ vom 30.1.2009/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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