Finanzierung:Umschwärmter Mittelstand

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Banken sind derzeit bereit, bei der Kreditvergabe Zugeständnisse zu machen - eine gute Bonität der Unternehmen ist dabei Voraussetzung. Andere Firmen haben es auch heute nicht leicht.

Von Norbert Hofmann

Die Niedrigzinspolitik der Notenbanken stellt die europäischen Kreditinstitute vor große Herausforderungen. Ihre Gewinnspanne zwischen Kredit- und Einlagenzinsen ist laut einer Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) so stark geschrumpft, dass sich die durchschnittliche Jahresrendite auf die Vermögenswerte in der Zeit von 2009 bis 2014 gegenüber den Jahren zwischen 1995 bis 2012 nahezu halbiert hat. Die Banken haben darauf reagiert. Sie umwerben ihre Kunden verstärkt mit provisionsträchtigen Produkten. Gleichzeitig soll noch mehr Masse im Kreditgeschäft die schmalen Gewinnspannen wettmachen.

"Der Mittelstand wird derzeit von den Banken mit Krediten regelrecht umschwärmt", sagt Bernd Papenstein, Partner und Experte für Mittelstandsfinanzierung bei der Beratungsgesellschaft PwC. Viele Institute sind auch zu Zugeständnissen bei den zu stellenden Sicherheiten und den Vertragsbedingungen bereit. Marktbeobachter wie die Forschungsabteilung der Helaba Landesbank Hessen-Thüringen registrieren vor allem einen starken Wettbewerb um Unternehmen mit guter Bonität. Andere Firmen haben es auch heute nicht immer leicht. "Etwas riskantere Bonitäten akzeptieren die Banken in der Regel nur, wenn entsprechendes Potenzial für provisionsträchtige Produkte wie etwa solche zur Absicherung des Auslandsgeschäfts winkt", sagt Christian Groschupp von der Beratungsgesellschaft Dr. Wieselhuber & Partner.

Was aber können Firmen mit nicht ganz so guter Bonität tun, wenn sie größeren Finanzierungsbedarf haben? Für Unternehmen mit 100 bis 500 Millionen Euro Jahresumsatz war noch vor nicht allzu langer Zeit die Begebung von Mittelstandsanleihen eine Alternative. Doch dieser Markt ist gerade wegen horrender Ausfallquoten quasi zum Erliegen gekommen. Laut einer Studie von Patrimonium, einem Anbieter alternativer Unternehmensfinanzierungen, sind rund 29 Prozent der seit 2010 begebenen 180 Mittelstandsanleihen bereits ausgefallen. Vor allem die in diesem Segment zahlreich vertretenen Privatanleger, die diese Risiken unterschätzt haben, investieren nicht mehr in den Markt.

Große Familienunternehmen mit Milliardenumsätzen sind davon nicht betroffen. "Sie können Emissionen ab 100 Millionen Euro aufwärts problemlos am Anleihemarkt platzieren und stoßen dabei auf starke Nachfrage institutioneller Investoren", sagt Experte Papenstein. Firmen mit geringerem Finanzierungsbedarf ab 20 Millionen Euro finden darüber hinaus in Schuldscheindarlehen, die direkt bei institutionellen Investoren platziert werden, eine Alternative. Hier entfällt zudem der bei einer Anleiheemission übliche Zeit- und Kostenaufwand zur Erfüllung der Publizitäts- und Dokumentationspflichten sowie für das Einholen eines externen Ratings.

Ein Börsengang ist erst ab einer gewissen Größe sinnvoll

Eine weitere Möglichkeit bieten Kreditfonds, die mit dem Geld professioneller Großanleger in eine Vielzahl unterschiedlicher Darlehen investieren. Diese Kapitaltöpfe werden von Spezialanbietern wie Patrimonium aufgelegt und gewinnen an Bedeutung, seitdem ihnen die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin im vergangenen Jahr die direkte Vergabe von Darlehen an Unternehmen erlaubt hat. "Auf den Mittelstand ausgerichtete Kreditfonds stellen Finanzierungen bereits ab einem Kapitalbedarf von drei Millionen Euro bereit", sagt Experte Groschupp. Die Fonds sind nicht zuletzt auch für jene Firmen eine potenzielle Refinanzierungsquelle, deren Mittelstandsanleihen in den kommenden Jahren auslaufen. Bedarf dafür dürfte es schon bald zur Genüge geben. Laut Patrimonium werden allein in 2018 insgesamt 41 solcher Anleihen mit einem Volumen von rund 1,4 Milliarden Euro fällig.

Wer als Mittelständler den Kapitalmarkt nutzen will, kann dies auch über die Ausgabe von Aktien an der Börse tun. Ein solches Initial Public Offering (IPO) kostet allerdings erst einmal Zeit und Geld. Zum Beispiel für die Erstellung eines den rechtlichen Anforderungen entsprechenden Prospekts. Das Controlling muss auf die Informationsbedürfnisse der Anleger hin ausgerichtet werden und vor allem gilt es, kapitalkräftige Investoren zu überzeugen. Insgesamt belaufen sich die Kosten eines IPO auf etwa vier Prozent des Emissionsvolumens. Ökonomisch sinnvoll ist diese Form der Kapitalbeschaffung deshalb erst ab einem Finanzierungsbedarf in zweistelliger Millionenhöhe.

Ein typischer Anlass für eine Börsenfinanzierung sind größere Wachstumsschritte. Ein anderer Grund kann die Umstrukturierung des Gesellschafterkreises sein. Aktuell nutzen allerdings nur sehr wenige Firmen in Deutschland die Finanzierungschancen der Börse. Das zweite Quartal 2016, üblicherweise eine gute Zeit für Neuemissionen, war laut Deutsche Bank Research gemessen am Gesamtvolumen für Börsengänge das schlechteste seit der Wiedervereinigung. Das liegt zum einen daran, dass die zunehmenden Schwankungen an den Börsen die Planbarkeit eines IPO erschweren. Zum anderen drückt die Investitionszurückhaltung der Unternehmen auf den Finanzierungsbedarf. Nicht zuletzt spiegelt sich in dem geringen Interesse auch das niedrige Zinsniveau wider, das einen Kredit attraktiver macht. Gerade deutsche Unternehmer scheuen oft den mit einem IPO einhergehenden Fremdeinfluss der Kapitalgeber.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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