Finanzbücher:Die Glaskugel der Anlageberater

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Heute wirkt es wie ein schlechter Scherz: Selbst kurz vor Ausbruch der Krise behaupteten Autoren, die Immobilienblase werde nicht platzen. Das Problem der Finanzautoren.

P. Mattheis

"Warum es dieses Mal anders ist: Dow Jones auf 30.000 im Jahr 2008." So lautet übersetzt der Titel eines Buches von Robert Zuccaro. Die zweite Auflage erschien kurz vor der Lehman-Pleite im September 2008. Heute liest sich das wie ein schlechter Scherz.

Prognosen voller Optimismus für den Immobilienmarkt, die sich nicht bewahrheitet haben. Das Buch von David Lereah erschien in zweiter Auflage 2008. (Foto: Foto: oh)

Noch skurriler klingt der Titel des Buches von David Lereah. Es erschien im Februar 2006 und hieß: "Why the Real Estate Boom Will Not Bust - And How You Can Profit from It." ("Warum die Immobilienblase nicht platzen wird - und wie Sie davon profitieren können").

Es gibt Dutzende solcher Bücher, die eigentlich musealen Wert besitzen, stattdessen befinden sie sich noch immer im Handel. Im Nachhinein kann man darüber schmunzeln, vorausgesetzt, man hat das Buch nicht vor zwei Jahren gelesen und daraufhin sein Geld in amerikanische Immobilienfonds investiert.

Kernschmelze der Kapitalmärkte

Heute, ein knappes Jahr nach Beginn der Krise, sieht der Buchmarkt kaum anders aus als damals - nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Der Zusammenbruch ganzer Gesellschaftssysteme stehe kurz bevor, die Megakatastrophe, die Kernschmelze der Kapitalmärkte sei unausweichlich.

Zumindest entsteht dieser Eindruck, wenn man durch die aktuellen Titel stöbert. Wer sich zum Beispiel auf die Suche nach einem Buch zum Thema Gold macht, stößt auf Dutzende Titel, die sich in reißerischer Aufmachung gegenseitig überbieten.

Es wimmelt von "geheimem Wissen", "Komplotts", "Verschwörungen" und "Megakatastrophen" und - immerhin gut gemeinten - Ratschlägen, wie man die bevorstehende Katastrophe mit vermeintlich sicheren Investments überstehen kann.

Denn dass das internationale Finanzsystem kurz vor dem Kollaps steht, gilt als ausgemacht: "Wie Ihr Vermögen und Ihre Altersvorsorge einem Staatsbankrott und eine Weltwirtschaftskrise unbeschadet überstehen" lautet der Untertitel des bei amazon.com meistverkauften Buchs zum Thema Gold. (Als Kaufempfehlung taucht auch ein Buch auf, in dem es um Selbstversorgung aus dem eigenen Garten geht.)

10.000 verkaufte Auflage sind ein Erfolg

"Es ist erstaunlich, wie viele reißerische Wirtschafts- und Finanzbücher es gibt", sagt Anlegerschützer Marco Cabras von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Im Vergleich zur Belletristik verkaufen sich Finanzbücher schlecht. 10.000 verkaufte Auflage sind in diesem Segment schon ein Erfolg.

Deswegen wenden die Verlage zwei Arten von Strategien an, um ihre Bücher zu verkaufen. "Einerseits werden Thesen bis an den Rand des Vertretbaren zugespitzt", sagt Cabras. "Andererseits geben viele Verlage Auftragsarbeiten heraus, die sich nach aktuellen Trends richten. Drei Monate nach einem Börsencrash kann man sich sicher sein, das erste Crash-Buch auf dem Markt zu sehen."

Christian Jund war früher selbst einmal Börsenhändler, und er hat nichts von der Agilität eines Brokers verloren. Er sitzt im Büro des Finanzbuchverlags in der Nymphenburger Straße in München und trinkt Cappuccino. Nach seinem Ausstieg aus dem Trading-Geschäft gründete er einen Verlag, der sich auf Finanz- und Trading-Literatur spezialisierte.

Heute führt der 40-Jährige in seinem Verlagsprogramm mehrere hundert Wirtschaftsbücher. Seine Stimme wird schneller und lauter, wenn er über Emotionen an der Börse spricht: "Gier und Angst - dieselben Emotionen, die Anleger auf den Märkten antreiben, veranlassen sie auch, Bücher zu kaufen mit Kursprognosen, die sich im Nachhinein als wahnsinnig erweisen."

Es liest sich wie ein schlechter Scherz: Warum es dieses Mal anders ist - der Dow Jones bei 30.000 im Jahr 2008. Das Buch von Robert Zuccaro schaffte vor dem Zusammenbruch des Aktienmarktes eine zweite Auflage. (Foto: Foto: oh)

Viele Anleger wollten sich vor allem in ihren eigenen Thesen bestätigt sehen. "Wer etwa aus irgendwelchen Gründen der Meinung ist, Silber sei das Zukunftsinvestment, tendiert dazu, sich ein Buch zu kaufen, das einen Silberboom prognostiziert."

Veraltete Prognosen

Bücher mit Kursprognosen sind aber aus einem einfachen Grund unseriös: "Es dauert Monate, bis aus einem Manuskript ein fertiges Buch geworden ist", sagt Christian Jund, Gründer und Geschäftsführer des Finanzbuchverlags. "Wenn die Prognose also schließlich veröffentlicht wird, ist sie schon wieder veraltet."

Auf dem Markt wimmle es von selbst ernannten Experten mit angeblich internationalem Renommee. Ständig bekommt er unaufgefordert Vorschläge eingesandt von Leuten, die ihr Depot im letzten Jahr verdoppelt haben und nun ein Buch über ihre Börsenstrategie schreiben möchten. Der Verlag lehne es aus diesem Grund strikt ab, Bücher zu veröffentlichen, die eine konkrete Kursprognose enthalten.

Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Denn auch im Programm des Finanzbuchverlags finden sich Titel, bei denen Skepsis angebracht ist: Ist ein Titel wie "Chance Peak Oil" nicht letztlich auch eine Prognose, wenn auch eine unkonkrete?

Ist ein Buch, das in die Technik der esoterisch anmutenden "Elliott-Wave-Theorie" einführt, nach der sich sämtliche Bewegungen der Börse in achtwelligen Mustern bewegen, nicht auch an der Grenze zum Unseriösen? Wo verläuft die Grenze genau?

Einfacher macht es sich der Kopp-Verlag. Das Haus hat neben zahlreichen Titeln zu den Fachgebieten "Enthüllungen", "Esoterik" oder "Geheimbünde" auch zahlreiche Wirtschaftstitel im Programm.

Bei den Kurzbeschreibungen der Titel bekommt man den Eindruck, in ein komplexes Labyrinth aus Verschwörungen der Hochfinanz einzutauchen. Es tauchen die Wörter "Inferno", "Angriff" und "Insiderwissen" auf. "Was ein gutes oder ein schlechtes Buch ist, unterliegt der subjektiven Meinung des Lesers", heißt es dort am Telefon.

Ein Börsenlexikon ist die bessere Anlage

"Die Börsengeschichte lehrt: Es gibt nicht die eine Strategie. Bücher, die eine solche Methode propagieren, sind prinzipiell nicht zu empfehlen", sagt Anlegerschützer Cabras.

Stattdessen empfiehlt er, nach der Portfolio-Theorie von Markowitz sein Depot zu diversifizieren und sich ein Börsenlexikon zuzulegen, in dem die wichtigsten Begriffe aus dem Finanzbereich erklärt werden. Damit sei dem Privatanleger mehr geholfen als mit Büchern, die Booms und Crashs propagieren. Auch Biografien von Börsenlegenden können inspirieren.

Im Übrigen legen ein solches Vorgehen auch die wenigen wirklich guten Finanzbücher nahe. Eines davon ist "Der Schwarze Schwan" von Nassim Taleb, das wegen seines amüsanten Stils auch ein Bestseller geworden ist.

Die Quintessenz dieses Werks, lässt sich in etwa mit dem berühmten Sprichwort Winston Churchills zusammenfassen: "Prognosen sind schwierig, besonders, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen."

© SZ vom 14.07.2009/kfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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