Finanzanlagen:Nichtstun als Erfolgsgeheimnis

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Männer gehen bei Finanzanlagen häufiger ins Risiko. Macht sie das zu besseren Investoren als weibliche Anlegerinnen? Nicht unbedingt.

Von Victor Gojdka, München

Das hat es in 226 Jahren Börsengeschichte noch nicht gegeben: Mit Stacey Cunningham, 43, rückt erstmals eine Frau alleine an die Spitze der New Yorker Börse. Mit kaum zwanzig Jahren fing Cunningham hier als Praktikantin an, wurde Händlerin auf dem Parkett. Der Umgang mit Wertpapieren gehört für sie zum Alltag. Das unterschied sie damals von vielen anderen Frauen - und offenbar ist das auch heute noch so.

Die Direktbank ING-Diba hat kürzlich die Konten und Depots von mehreren Millionen Kundinnen und Kunden untersucht. Ergebnis: Während nur zwölf Prozent der Frauen neben ihrem Tagesgeld auch Aktien besitzen, sind es bei den Männern fast doppelt so viele. Eine weitere Studie, diesmal von der Direktbank Comdirect, ergab sogar, dass die Aktienquote in den Portfolios von Frauen sinkt. "Auf lange Sicht gesehen eine schlechte Entscheidung, denn in Zeiten von Niedrigzinsen ist das Sparbuch keine Alternative", sagt Sabine Schoon von Comdirect.

Frauen gehen bei der Geldanlage seltener ins Risiko als Männer, das zeigen viele Analysen. Einer Umfrage des Fondsanbieters JP Morgan Asset Management zufolge ist es 54 Prozent der Frauen wichtiger, ihr Kapital zu erhalten, als es zu vermehren. Bei den Männern konnten sich nur 43 Prozent mit dieser Aussage anfreunden. Und für eine ordentliche Rendite würden nur halb so viele Frauen wie Männer Schwankungen bei den Kursen in Kauf nehmen. Der Versicherungskonzern Axa kam nach einer Umfrage sogar zu dem Schluss, dass viele Frauen Aktien grundsätzlich skeptisch sehen. Demnach sagte jede zweite Befragte, wer in Aktien investiere, könne sein Geld gleich ins Spielcasino tragen. Eine Fehleinschätzung, wie das Deutsche Aktieninstitut regelmäßig vorrechnet: Kein Anleger, der in den Deutschen Aktienindex investierte, musste länger als 15 Jahre warten, um mit seinem Investment Gewinn zu machen.

Häufiges Kaufen und Verkaufen führt nicht immer zu einer höheren Rendite

Doch auch als Wertpapierbesitzer setzen Frauen und Männer unterschiedliche Prioritäten, wie die Depotanalyse der ING-Diba zeigte. Fonds zum Beispiel sind demnach bei Frauen populärer als bei Männern, und entsprechend greifen Frauen deutlich seltener zu Einzeltiteln. Das dürfte auch mit der geringeren Neigung zum Risiko zu tun haben. "Fonds sind bei Frauen so beliebt, weil sie durch die Vielzahl der im Fonds enthaltenen Aktien das Risiko besser streuen", sagt Finanzberaterin Constanze Hintze, die Frauen in Finanzfragen berät.

Man kann diese Zurückhaltung aber auch positiv sehen: Frauen beherrschen es offensichtlich besser als Männer, Risiken abzupuffern. Und auch in einem weiteren Punkt könnten Männer beim Anlegen von Frauen lernen: entspannen, durchatmen und nichts tun. Nichtstun als Erfolgsrezept? Das klingt auf den ersten Blick überraschend, doch die Forscher Brad Barber und Terrance Odean von der University of California haben genau das im Jahr 2001 in einer Studie bestätigt.

Eine Brokerfirma hatte den Forschern ihren Datenschatz zur Verfügung gestellt, es waren die Investitionsentscheidungen von mehr als 35 000 Haushalten. In den Zahlenkolonnen steckte die interessante Erkenntnis: Männer handelten Aktien deutlich häufiger als Frauen. Doch häufig zu handeln ist oft nicht mehr als Scheinaktionismus. Wer mit vermeintlich guten Investmentideen ständig der Rendite hinterherjagt, fühlt sich vielleicht gut, verliert aber auch Geld. "Denn jeder Handelsauftrag kostet und schmälert die Rendite", sagt Finanzberaterin Constanze Hintze. Auch heute noch scheint häufiges Kaufen und Verkaufen eher typisch für Männer zu sein. Laut der Depotanalyse der ING-Diba handelten Männer ihre Aktien im vergangenen Jahr beinahe doppelt so häufig wie Frauen.

Wer viel Geld hat, kann es sich leisten zu zocken - so einfach ist das

Bleibt die Frage, welches Geschlecht unter dem Strich mehr Rendite erzielt. In dieser Art Geschlechterkampf gibt es keine eindeutige Antwort. In guten Börsenjahren überzeugen Männer mit ihren Portfolios meist mehr, in schwierigem Fahrwasser die Frauen. Das zeigt auch die Depotanalyse der ING-Diba: In einem sensationellen Börsenjahr wie 2017 hatten die Männer die Nase vorn, vermutlich weil sie mehr riskierten. In diesem Jahr mit schwierigen und schwankenden Märkten brachte bislang die defensivere Einstellung der Frauen bessere Erträge.

Manche Forscher bezweifeln jedoch, dass das Geschlecht tatsächlich die Ursache des unterschiedlichen Anlageverhaltens ist. Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zum Beispiel zeigte: Je mehr Geld Frauen zur Verfügung haben, desto mehr gehen sie ins Risiko. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): Könnten Frauen genauso viel Geld investieren wie Männer, würden sie ähnlich ins Risiko gehen. Vielleicht sind die Unterschiede bei der Anlage also gar keine Geschlechterfrage, sondern schlicht eine Frage des Geldes.

© SZ vom 14.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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