Fiat-Chrysler:Alfa Romeo auf chinesisch

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Ein kaum bekannter Hersteller will Fiat-Chrysler kaufen. Das Unternehmen Great Wall Motors sitzt in China.

Von Christoph Giesen und Max Hägler, München/Peking

Wohl kaum einer in der Autoindustrie ist derart mit dem Kaufen und Verkaufen von Unternehmen beschäftigt wie Sergio Marchionne. Der studierte Philosoph und Rechtsanwalt mit italienischem und kanadischem Pass hat als Fiat-Chef etwa den amerikanischen Autobauer Chrysler übernommen - und daraus den Konzern FCA geformt. Mit Jeep, Ram und Dodge, wuchtigen Schlitten und Pick-ups, sowie italienischer Eleganz von Alfa Romeo und Maserati. Groß, aber doch nicht groß genug um im globalen Automarkt erfolgreich zu bestehen.

Deshalb warb Marchionne immer mal wieder und vor allem heftig wie kein anderer Automanager für Kooperationen: Eine Partnerschaft mit dem amerikanischen Wettbewerber GM hält er für sinnvoll, aber auch Toyota, Ford und Volkswagen hat er schon als mögliche Partner in Erwägung gezogen. Das Werben löst regelmäßig Aufregung aus, blieb bislang jedoch ohne nennenswerte Rückmeldungen. Ram und Jeep machen zwar ordentliche Gewinne, der Rest des Portfolios ist indes wirtschaftlich eher herausfordernd.

"Wir hatten schon immer das Interesse und die Absicht, FCA zu übernehmen."

Doch nun könnte es sein, dass FCA, dieser italo-amerikanische Konzern mit seinen knapp 235 000 Mitarbeitern, endlich einen Partner bekommt. Und zwar aus China. "Wir hatten schon immer das Interesse und die Absicht, FCA zu übernehmen", erklärte am Montag das Unternehmen Great Wall Motors, das besonders an der Marke Jeep interessiert zu sein scheint. Der hierzulande kaum bekannte Konzern aus der nordchinesischen Provinz Hebei baut für den heimischen Markt Pick-ups und mittelgroße Limousinen, ist aber einer der kleineren Hersteller in der Volksrepublik. Der Jahresumsatz liegt umgerechnet bei etwa zwölf Milliarden Euro.

FCA erklärte am Montag, man stehe nicht in Kontakt mit Great Wall. Aber bereits in den vergangenen Tagen gab es Gerüchte, chinesische Firmen hätten Interesse an FCA angemeldet. Das Fachblatt Automotive News berichtete, eine Delegation aus China sei bei FCA in den USA gesichtet worden.

Sollte tatsächlich eine Fusion oder eine Übernahme anstehen, wäre das aus verschiedenen Gründen interessant. FCA wird derzeit beherrscht von der italienischen Agnelli-Familie, die über ein Gebilde namens Exor etwa ein Viertel der Aktien hält, aber aufgrund von Sonderreglungen noch weit mehr Mitsprache hat. Sergio Marchionne selbst hält auch ein Prozent der FCA-Aktien. Man darf angesichts der Partnersuche in den Vorjahren davon ausgehen, dass diese Eigner mitspielen würden bei einem Deal, sofern der Preis stimmt. 111 Milliarden Euro Umsatz machte FCA 2016, unterm Strich blieben 1,8 Milliarden Euro Gewinn. An der Börse ist der Wert indes vergleichsweise überschaubar: 16,5 Milliarden Euro sind die ausgegebenen Aktien derzeit wert, wobei der Kurs angezogen hat seit den Spekulationen.

Doch finanziell machbar ist nicht gleichbedeutend mit praktikabel. Vor allem politisch könnte der Deal zur Herausforderung werden: In Peking, genauso wie in Washington. Man braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, dass ein chinesischer Eigentümer für Chrysler US-Präsident Donald Trump gar nicht behagen würde. Seit Wochen droht er China lautstark mit Strafzöllen. Im schlimmsten Fall könnte daraus ein Wirtschaftskrieg erwachsen.

Auch in Peking werden Milliardeninvestitionen im Ausland derzeit kritisch gesehen. Übernahmen von Technologieunternehmen werden zwar ausdrücklich begrüßt, doch nicht zu jedem Preis: Seit Ende vergangenen Jahres dürfen laut einer Direktive der Regierung chinesische Unternehmen keine Übernahmen mehr stemmen, die mehr als zehn Milliarden Dollar kosten. Der offensichtliche Grund für den Einkaufsstopp: Im Herbst tagt in Peking der 19. Parteitag, das wichtigste politische Ereignis seit fünf Jahren. Wer künftig China regiert, wird dann bekannt gegeben.

Bis dahin soll unbedingt Ruhe herrschen. Danach aber ist es durchaus vorstellbar, dass die Regeln wieder gelockert werden.

© SZ vom 22.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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