Fernost:Goliath gegen Goliath

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Die beiden Wirtschaftsmächte China und Japan machen sich auf dem asiatischen Markt zunehmend Konkurrenz.

Von Marco Kauffmann

Das Verhältnis zwischen China und Japan könnte enger kaum sein - zu diesem Urteil verleiten zumindest die Wirtschaftsstatistiken.

Anti-japanische Demonstration in Hongkong. (Foto: Foto: Reuters)

Der Handel zwischen den beiden Nationen nahm im vergangenen Jahr um 27 Prozent zu. China stieg 2004 zum wichtigsten Handelspartner Japans auf, 30.000 japanische Firmen sind in China im Geschäft, und zunehmend sehen sich auch chinesische Firmen nach lukrativen Investitionen in Japan um. Immerhin ist Japan die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.

China und Japan, Rivalen seit Jahrhunderten, sind also stärker miteinander verbandelt, als ihnen lieb ist. Die Japaner seien auf den chinesischen Markt angewiesen, um sich nachhaltig aus der Rezession lösen zu können, sagen Ökonomen. Andererseits braucht China für seine gigantischen Wachstumsraten ausländische Investoren, braucht deren Kapital und Know-how.

Rollenverteilung weitgehend klar

In den neunziger Jahren hatten Japans Unternehmer noch vor der Billigkonkurrenz des Nachbarn gewarnt. Doch heute teilt man sich die Rollen weitgehend: Chinas billige Arbeiter übernehmen die Massenfertigung für Sony, Toyota, Toshiba und andere Konzerne. Die Japaner hingegen liefern Spitzentechnologie.

Im arbeitsintensiven Textilbereich wetteifert China mit Indonesien, Indien, Thailand, gleichzeitig werden Chinas Fabriken immer moderner. Ausgerüstet mit raffinierter Fertigungstechnik, können sie inzwischen mehr, als drollige Teddybären, Weihnachtsmänner oder simple Kassettenrekorder herzustellen.

Experten erwarten, dass sich chinesische und japanische Produzenten bei High-Tech-Gütern zunehmend Konkurrenz machen werden.

Reibungspunkte

Der Konflikt um Ressourcen in der Region ist bereits entbrannt. Offiziell haben sich Chinas hasserfüllte Proteste zwar an neuen japanischen Schulbüchern entzündet, welche die Kriegsvergangenheit gewaltig beschönigen; und auch Tokios Streben nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat ist Peking ein Dorn im Auge.

Gleichzeitig aber schwelt schon seit Monaten ein Streit um die Nutzung von Öl- und Gasreserven, die im chinesischen Meer vermutet werden: Beide Länder erheben Anspruch darauf. Tokio schüttete vergangene Woche Öl ins Feuer, als es bekannt gab, mit Probebohrungen zu beginnen.

In den vergangenen Tagen wurden in China mehrere japanische Restaurants verwüstet, Kaufhäuser demoliert, japanische Einrichtungen mit Farbbeuteln und Eiern beworfen. Verlässliche Angaben über Schäden fehlen einstweilen.

Keine Schäden an Gebäuden

Von der staatlichen Außenhandelsorganisation Jetro wurde die Situation zunächst heruntergespielt. Diese Zwischenfälle hätten keine weitreichenden Folgen. Dem japanischen Elektronikkonzern Sony beispielsweise entstanden bei den Ausschreitungen keine Schäden an Gebäuden oder anderem Eigentum.

Ungeschoren kam das Unternehmen allerdings dennoch nicht davon: Hacker drangen in die Homepage der chinesischen Niederlassung ein. In der südlichen Provinz Guangdong musste der japanische Teilchenhersteller Taiyo Yuden vorübergehend seine Fabrik schließen, da die eigene Belegschaft demonstrierte.

Eine japanische Supermarktkette, die ihre Filialen hauptsächlich in Peking betreibt, berichtete, nach Boykottaufrufen seien die Verkäufe eingebrochen. Im Vergleich zur Vorwoche hätte man nur mehr halb soviel verkauft. Mehrere japanische Firmen haben nun für ihre in China stationierten Angestellten spezielle Sicherheitsvorkehrungen getroffen und Geschäftsreisen vorerst auf Eis gelegt.

Stornierungen in der Reisebranche

Am stärksten zusetzen dürften die angespannte Situation dem Tourismus: Verschiedene Reiseunternehmen und Fluggesellschaften melden Stornierungen. Immerhin drei Millionen Japanerinnen und Japaner besuchten 2004 das Nachbarland; lediglich 190.000 Chinesen sahen sich Japan an.

Konkrete Auswirkungen zeigte die Aktienbörse in Tokio. Der Nikkei-Index der 225 wichtigsten Firmen fiel im Zuge der Krise am Montag erstmals seit vier Monaten unter die Marke von 11.000. Japanische Investoren haben vereinzelt schon damit begonnen, chinesische Titel abzustoßen.

© SZ vom 20.04.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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