Fahrzeuge mit Zukunft:Mini-Autos mit Mini-Führerschein

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Sie gehören nicht zu den Stars des Pariser Autosalons, und ihre Stände hat man irgendwo dazwischengepresst. Doch die Hersteller von kleinen Autos verkaufen immerhin rund 30.000 Fahrzeuge pro Jahr in Europa - Tendenz steigend.

Von Gerhard Bläske

Mit dem neuen Führerschein der Klasse S sind sie von Februar an auch in Deutschland zugelassen.

Das Miniauto Be Two der Firma Ligier Automobiles (Foto: Bild: Ligier)

Die meisten der zweizylindrigen, maximal 350 Kilogramm schweren und etwa sechs PS starken Diesel-Zweisitzer werden in Frankreich gebaut und verkauft.

Marktführer in Europa sind drei französische Hersteller: Dabei rangiert Aixam mit 10400 Fahrzeugen vor Microcar (5960) und Ligier (5650).

Breite Modellpalette

Die insgesamt elf Hersteller der Branche, darunter auch Piaggio und die deutsche ATW, haben sich in einem Verband zusammengeschlossen.

Nach Angaben der Organisation sind in der Branche, die jährlich 600 Millionen Euro umsetzt, inclusive Zulieferern 20000 Mitarbeiter beschäftigt.

Die 30.000 verkauften Fahrzeuge werden über 1000 Händler vertrieben. Die größten Märkte sind Frankreich mit 10.000 Fahrzeugen pro Jahr vor Italien (6600) und Spanien (5000).

Die Produzenten setzen inzwischen zunehmend auch auf optische Akzente. So erinnert der neue Microcar MC1 äußerlich ein bisschen an den Mini oder den neuen Renault Modus. Alle Produzenten haben in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, ihre Modellpalette zu erweitern und hochmoderne Fertigungen mit einem hohen Automatisierungs-Grad aufzubauen.

Die Motoren und Getriebe werden meist von externen Lieferanten bezogen. Bei Marktführer Aixam werden Kubota-Motoren aus Italien eingesetzt.

Aixam hatte 1983 den ersten Hersteller eines solchen Fahrzeugs, des eckigen Arola, übernommen. Wie praktisch alle anderen Unternehmen der Branche bietet Aixam neben den auf eine Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h begrenzten, führerscheinfrei fahrbaren Autos auch Versionen an, die schneller fahren können.

Autos der Reichen

Konkurrent Ligier unterhält sogar eine Kleinserienproduktion von Sport- und Rennwagen. In Italien haben die nicht mal drei Meter langen Kleinwagen inzwischen regelrecht Kultstatus und werden oft von Jugendlichen aus reichen Familien gefahren.

Ähnliches gilt für die so genannten Quads, vierrädrige Motorräder, die etwa von Ligier als "Fun-Fahrzeuge" "Be Up" oder "Be Two" (führerscheinfrei) gefahren werden dürfen. Die Kernklientel sind jedoch eher ältere Leute auf dem Land, "die selbst bei Regen nicht fahren", wie Hardy Dupont, bei Aixam verantwortlich für Nordeuropa, sagt.

Sie benutzen die Fahrzeuge für Fahrten zum Arzt oder zum Einkaufen. Die Hersteller heben hervor, dass die Autos in ländlichen Räumen eine wichtige soziale Funktion hätten und zur Aufhebung der Isolierung beitrügen.

Deutschland ist das einzige europäische Land, in dem die Fahrzeuge bisher, bis auf Ausnahmen, nicht zugelassen waren. Das ändert sich zum 1. Februar nächsten Jahres: Auf Druck der EU, die auf eine Vereinheitlichung der Bestimmungen drängte, wird nun der Führerschein der Klasse S geschaffen, der aus einer praktischen und einer theoretischen Teilprüfung besteht, die ab 16 abgelegt werden kann.

Teurer Lappen

Während der Herstellerverband die Regelung als ungenügend und kompliziert und die Kosten des Führerscheins von 700 bis 900 Euro als "abschreckend" bezeichnet und deshalb mit maximal 3000 Verkäufen in Deutschland rechnet, hält der ADAC die Autos für nicht "unriskant". Ein Microcar wird gerade einem Crashtest unterzogen.

Die Hersteller dagegen halten die Argumente für vorgeschoben. Dupont verweist auf "sichere Aluminiumstrukturen", die nicht verformbar seien und die Verwendung hochwertiger Materialien. Aixam führe seit langem Crashtests durch, die gute Ergebnisse zeigten.

Statistiken des Verbandes sollen zudem verdeutlichen, dass die Unfallhäufigkeit unter Beteiligung dieser Fahrzeuge, von denen auf Europas Straßen immerhin 250000 fahren sollen, sogar geringer ist als die herkömmlicher Autos.

Billig ist der Spaß allerdings nicht: Die Autos der zum Jachtenhersteller Bénéteau gehörenden Microcar, Ligier und Aixam sind wegen der Verwendung der teuren Materialien und relativ niedriger Produktionszahlen mit 8000 bis 11000 Euro sogar relativ teuer.

Dennoch sieht die Branche ein Verkaufspotenzial von bis zu 40.000 Fahrzeugen und setzt auf Wachstum: Die Familienunternehmen Aixam (Umsatz rund 100 Millionen Euro) und Ligier drängen nun sogar in den von Piaggio (Ape) beherrschten Nutzfahrzeug-Markt: Bei beiden gibt es ohne Führerschein zu fahrende Kleinlaster mit Ladefläche.

© SZ vom 28.09.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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