Faber-Castell:Abtritt von der Bühne

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Buntstifte von Faber-Castell. Das fränkische Unternehmen hat eine Jahrhunderte alte Tradition. (Foto: Michaela Rehle/Reuters)

Bei dem fränkischen Unternehmen geht ein Top-Manager. Der Chef der Stifte-Dynastie könnte bald folgen.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Vor ein paar Tagen war das Faber-Castell-Schloss in Stein bei Nürnberg wieder einmal Drehkulisse für einen Spielfilm. Andrea Sawatzki, Anja Kling und Axel Stein standen für "Hilfe, ich habe meine Freunde geschrumpft" vor den Kameras, den dritten Teil einer cineastischen Kleinwuchs-Saga. Selbst Burt Lancaster und Sean Connery drehten schon in dem verwinkelten, weitläufigen Gemäuer aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Aber auch im realen Leben spielt sich vor Ort ein bemerkenswertes Schauspiel ab. Ein Drama, bei dem noch unklar ist, ob mit oder ohne Happy-End. Am Freitagabend hob sich der Vorhang für einen neuen Akt. Faber-Castell teilte mit, dass Vertriebsvorstand Rolf Schifferens, 60, das Familienunternehmen zum Jahresende verlassen wird. Nach 18 Jahren in der Firma wolle er sich einer "neuen beruflichen Herausforderung" stellen, hieß es. Nun ist Schifferens nicht irgendwer in der 1761 gegründeten, fränkischen Stifte-Dynastie. Mit ihm geht der letzte Top-Manager aus der Ära des 2016 verstorbenen Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell.

Fast 40 Jahre lang hatte dieser, ein weltläufiger Gentleman, in achter Generation Faber-Castell nicht nur geführt, sondern auch verkörpert. Seit Anton-Wolfgang Graf von Faber-Castell einem Krebsleiden erlag, sind die Verhältnisse dort unübersichtlich geworden, heißt es, und das ist offensichtlich noch freundlich formuliert. Manche Kenner der Szene behaupten, hinter den Kulissen tobe ein formidabler Machtkampf, es fehle dem Unternehmen eine klare und von allen Seiten respektierte "Nummer Eins", was die Entwicklung lähme.

Ungeklärte Machtverhältnisse erschweren die Neuausrichtung des Traditionsunternehmens

Gut möglich, dass der alte Faber-Castell-Fahrensmann Schifferens auf eine solche Situation keine Lust mehr hatte. Offiziell wird dies dementiert; private und persönliche Gründe seien für seinen Weggang ausschlaggebend, sagte eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage.

Es könnte sein, dass Schifferens bald ein weiterer Abgang folgt. Seit Monaten halten sich Spekulationen, der im Frühjahr 2020 auslaufende Vertrag von Vorstandschef Daniel Rogger, 51, werde nicht verlängert. Der gebürtige Schweizer und studierte Betriebswirt trat am 1. Juni 2017 seinen Dienst in der Faber-Castell-Zentrale gleich neben dem Schloss in Stein an. Als erster Chef in der langen Geschichte des Unternehmens, der nicht zur Eigentümerfamilie gehört.

Rogger brachte Erfahrung aus der Luxusgüterbranche mit und den Plan, die Geschäfte vor allem in China auszubauen. Dort vermutet der neue Chef angesichts einer wachsenden Mittelschicht das größte Wachstumspotenzial für das Unternehmen. Bisher erwirtschaften die 7800 Mitarbeiter von Faber-Castell 40 Prozent des Umsatzes in Lateinamerika, etwa 35 Prozent in Europa und nur ein Viertel in Asien. Doch China hin oder her - die Geschäfte stagnieren, bestenfalls. Nach einem Rekord-Umsatz von 667 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2016/17 sank der Umsatz im Jahr darauf auf 617 Millionen. 2018/19 sei man wieder "leicht gewachsen", sagt die Sprecherin, währungsbereinigt zumindest. Die genauen Zahlen werden im November oder Dezember veröffentlicht.

Was Rogger ein erfolgreiches Wirtschaften erschwert, hat nicht nur mit dem Sortiment zu tun. Das Ende des Ausmal-Booms bei Erwachsenen, von dem Faber-Castell enorm profitiert hatte, ließe sich vermutlich kompensieren. Viel schwieriger sind die ungeklärten Machtverhältnisse im Unternehmen und damit verbundene Positionskämpfe, die Abstimmungen und Entscheidungsprozesse langwierig, umständlich und in jeder Hinsicht kompliziert machen. Rogger verliere Zeit und Energie dabei, die unterschiedlichen Interessen auszubalancieren, sagen Beobachter.

Anton-Wolfgang von Faber-Castell hat seine Nachfolge nicht wirklich geregelt

Bei alledem handelt es sich um Spätfolgen der Ära von Anton-Wolfgang von Faber-Castell. Entgegen seinem Ruf zu Lebzeiten, ein besonders vorausdenkender Unternehmer zu sein, hat er seine Nachfolge nicht wirklich geregelt. In dem mit fünf Personen besetzten und damit - gemessen an der Firmengröße - ohnehin schon aufgeblähten Vorstand sitzt mit Mary von Faber-Castell, 67, die Witwe und zweite Ehefrau des einstigen Patriarchen. Formal ist sie zuständig für Kosmetikstifte. Ihre Ankündigung, in den Aufsichtsrat zu wechseln, hat sie nie wahr gemacht. Stattdessen ist die US-Amerikanerin offenkundig Platzhalterin für eine ihrer Töchter.

Katharina, mit 31 Jahren die älteste, läuft sich bereits neben dem Studium seit 2018 als Chefin des Bereichs Corporate Development für höhere Weihen warm. Ihre beiden jüngeren Schwestern schnuppern ebenfalls bereits am Stiftegeschäft. Abgeschoben scheint derweil Charles von Faber-Castell, des verstorbenen Patriarchen ältester Sohn aus erster Ehe. Er verantwortet lediglich das sogenannte Premium-Geschäft mit der teuersten Schreibgerätelinie.

Nach außen demonstrieren Mary und Charles von Faber-Castell gerne Harmonie und Geschlossenheit. Doch die lange Geschichte des Unternehmens lehrt, dass die Gemengelagen innerhalb der fränkischen Bleistift-Dynastie schon häufiger kompliziert und unübersichtlich waren. Vor Kurzem erst erzählte ein Fernsehfilm davon, am Samstagabend zur besten Sendezeit. Er handelte von den Firmenahnen Ottilie von Faber-Castell und ihrem Großvater Lothar. Historisch gesehen war einiges falsch in dem Film. Und gedreht wurde er nicht in Stein, sondern in Tschechien.

© SZ vom 28.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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