Extremus:Terrorversicherer auf der Kippe

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SEK-Beamte mit Atemschutzmasken: 2018 hatte ein Paar in Köln einen Anschlag mit Rizin geplant. (Foto: David Young/dpa)

Beendet die Regierung ihre Garantie für Extremus, wird es schwer für Städte und Firmen, sich gegen Terror abzusichern.

Von Nina Nöthling, Köln

In Düsseldorf geht der Prozess gegen einen 30-jährigen Islamisten und seine Frau zu Ende. Die beiden hatten 2018 in Köln einen Terroranschlag mit Rizin geplant, wurden aber vorher festgenommen. Der aktuelle Anschlag auf eine Synagoge in Halle und solche Ereignisse zeigen, wie real die Bedrohung durch Terror auch in Deutschland ist.

Neben Leid und Schrecken ziehen Terroranschläge auch erhebliche Schäden für Unternehmen nach sich. Diese Risiken werden seit 2002 über den Spezialversicherer Extremus abgesichert. Er wird von der Bundesregierung gefördert. Sie stellt eine Garantie für 7,5 Milliarden Euro. Zusammen mit 2,5 Milliarden Euro, die aus der privaten Versicherungswirtschaft kommen, bietet Extremus so eine Deckungssumme von zehn Milliarden Euro für Terrorgefahren an. Die Bundesrepublik erhält eine Gebühr für die Bereitschaft, im Falle eines Falles zu zahlen. Sie beträgt rund sechs Millionen Euro.

Doch bald könnte es diese Versicherung nicht mehr geben. Die Regierung prüft, ob sie aus Extremus aussteigt. Ist sie davon überzeugt, dass es auf dem freien Markt genug Versicherungskapazität gibt, damit Firmen sich dort absichern können, könnte sie die Garantie beenden. Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) machte keine genauen Angaben zum Stand der Überprüfung. "Derzeit wird geprüft, ob eine neue Gewährleistung zur Absicherung des Bundesrisikos bei Eintritt eines Terrorschadens gegenüber der Extremus Versicherungs-AG erklärt wird", sagte eine Sprecherin. "Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen."

Industrie und Versicherer sind überzeugt, dass am Privatmarkt nicht genügend Kapazitäten verfügbar sind, um die Deckungssumme von Extremus zu ersetzen. Sie wollen die Politik überzeugen, erneut eine Staatsgarantie auszusprechen. "Wir stehen aktuell in einem sehr engen Dialog mit dem Bundesfinanzministerium für Finanzen", sagte Extremus-Chef Thomas Leicht.

Nach 9/11 setzten Regierungen staatliche Programme auf. Das deutsche läuft demnächst aus

Nach den Anschlägen auf das World Trade Center in New York City am 11. September 2001 schlossen Versicherer Terrorrisiken aus den klassischen Versicherungen wie Haftpflicht- oder Betriebsunterbrechungspolicen aus. Eine Reihe von Staaten, darunter Deutschland, Großbritannien und die USA, setzten daraufhin staatliche oder halbstaatliche Terror-Versicherungsprogramme auf. Allerdings geben die Staaten ihre Garantie immer nur für eine begrenzte Zeit. In Deutschland läuft sie Ende 2019 aus.

Extremus bietet Unternehmen vor allem Versicherungsschutz, indem es Gebäude absichert. Dazu gehören auch hoch exponierte Risiken wie Flughäfen, Bahnhöfe und Fußballstadien sowie symbolträchtige Risiken wie Synagogen, Kirchen oder Moscheen, erklärte Leicht. "Darüber hinaus versichert Extremus auch die Kumulrisiken wie Hochhäuser in Großstädten", sagte er. "Ohne Extremus ist eine adäquate Absicherung dieser Risiken über privatwirtschaftliche Versicherungslösungen nicht mehr gewährleistet."

Die Versicherungskunden in der Industrie und bei Finanzdienstleistern sind ebenfalls davon überzeugt, dass sie ihre Terrorrisiken nicht am freien Markt abdecken können. Der Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) und der Bundesverband der Deutschen Industrie plädieren für eine möglichst schnelle Entscheidung über die Fortsetzung der staatlichen Haftung. "Für die anstehende Erneuerung der Versicherungspolicen ist eine bestehende Staatsgarantie von entscheidender Bedeutung", sagte Jörg Henne, Geschäftsführer des GVNW.

Der bevorstehende Brexit könnte die ohnehin schon knappen Kapazitäten für Terrorrisiken weiter senken, glaubt Extremus-Vorstand Leicht. Großbritannien ist nicht nur ein wichtiger Markt für die Assekuranz, mit Lloyd's of London sitzt in London auch der wichtigste Versicherungsmarkt für ungewöhnliche und umfangreiche Risiken, zu denen Terror zählt. Kommt es zu einem harten Brexit ohne Abkommen zwischen der EU und Großbritannien, könnte ein erheblicher Teil der Kapazität für Terrorrisiken für eine Zeit wegbrechen. Sogenannte Katastrophenanleihen sind eine Möglichkeit, um das Risikokapital im Markt zu erweitern. Dabei stellen alternative Kapitalgeber wie Pensionskassen oder Fonds das Kapital und gehen eine Art Wette ein. Die Investoren setzen einen bestimmten Betrag ein und wetten darauf - oder hoffen - dass das Ereignis wie ein Terroranschlag nicht eintritt.

Die andere Seite, also das Unternehmen oder auch ein Versicherer, rechnet mit dem Schlimmsten und sichert sich dagegen ab. Passiert nichts, erhält der Investor eine gute Rendite auf sein Geld, kommt es jedoch zum Terroranschlag, erhält der Investor nichts. Das Unternehmen bekommt dafür die Versicherungssumme ausgezahlt, um die entstandenen Schäden zu kompensieren. Allerdings sind diese Verbriefungen recht teuer. "Grundsätzlich sind Verbriefungen geeignete Instrumente, um zusätzliche Kapazitäten zur Absicherung von Terrorrisiken bereitzustellen", sagte Leicht. "Die Kosten dieser Verbriefungen sind allerdings noch so hoch, dass sie aus ökonomischer Sicht noch keine geeignete Maßnahme darstellen."

Sollte sich die Bundesregierung gegen eine Verlängerung entscheiden, würde das wahrscheinlich das Ende von Extremus bedeuten. Ohne die Staatsgarantie würde Extremus nur noch über eine Kapazität von 2,5 Milliarden Euro verfügen, sagte Leicht. "Extremus müsste die angebotenen Versicherungssummen deutlich reduzieren, mit der Folge, dass die Prämien soweit sinken würden, dass der Geschäftsbetrieb nicht mehr aufrechterhalten werden könnte."

© SZ vom 15.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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