Exportfinanzierung:Krise muss nicht sein

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Handelsstreit, Brexit und eine globale Nachfrageschwäche belasten die deutsche Konjunktur. Viele Mittelständler wünschen sich eine stärkere Unterstützung bei der Exportfinanzierung. Hier wäre der Staat gefragt.

Von Norbert Hofmann

Gita Gopinath ist zwar erst seit Januar Chef-Ökonomin des Internationalen Währungsfonds (IWF). Das hält sie aber nicht davon ab, Politiker eindringlich vor den fatalen Folgen von Handelsbarrieren zu warnen. "Sie bremsen den internationalen Handel ebenso wie die Industrieproduktion weltweit", mahnte sie erst kürzlich wieder. Unter dem Konflikt zwischen den USA und China etwa leidet auch die wirtschaftliche Dynamik in Deutschland. Und das nicht nur weil der Handelsstreit auf die Stimmung der Unternehmen drückt. "Er wirkt ebenso auf die internationalen Lieferketten, denn jeder Zoll macht die betroffenen Produkte teurer", sagt Andreas Klasen, Professor für International Business an der Hochschule Offenburg. Zwar könnten deutsche Firmen infolge der Fehde zwischen den beiden Großmächten in Lücken stoßen und in manchen Marktsegmenten selbst mehr nach China und die USA liefern. Unterm Strich aber überwiegen die Nachteile.

Zur angespannten Lage trägt nicht nur der Zwist der Supermächte bei. "Ein ungeregelter Brexit würde aufgrund der engen Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit den anderen europäischen Staaten von allen die Konjunktur gefährdenden Negativfaktoren wohl die größten Auswirkungen auf den Mittelstand haben", sagt Hans-Werner Grunow, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Capmarcon. Denn da schlagen nicht nur rückläufige deutsche Ausfuhren nach Großbritannien zu Buche. Auch französische Unternehmen etwa, die weniger Waren auf die Insel liefern, würden ihre Bestellungen bei deutschen Zulieferern reduzieren.

Ökonomen reduzieren derzeit vor allem auch wegen der globalen Nachfrageschwäche ihre Wachstumsprognosen. Ein weiterer Rückschlag droht, wenn die USA ihre Zölle auf Autoimporte aus der EU doch noch erhöhen sollten. "Deutschland rangiert auf der schwarzen Liste von Donald Trump auf Platz zwei", sagt Jens Südekum, Wirtschaftsprofessor an der Universität Düsseldorf. Ob Trump ernst macht, ist noch offen. Denn die Leistungsbilanz der USA mit Europa ist bei Weitem nicht so unausgeglichen wie die mit China. Ein neuer Zollstreit könnte deshalb auch der US-Wirtschaft teuer zu stehen kommen.

Eine öffentliche Bank könnte Ausfuhrfinanzierungen bereitstellen

Die Verunsicherung bleibt dennoch. In den Finanzierungsbedingungen immerhin schlägt sie sich noch nicht nieder. Der Corporate Credit Index von Barkow Consulting ist sogar auf ein Rekordtief gesunken. Demnach mussten Firmen für Neukredite mit fünfjähriger Laufzeit Mitte August durchschnittlich nur noch einen laufenden Zins von 0,93 Prozent zahlen. Und die Firmen nutzen das Angebot. Die Bundesbank meldet für das erste Halbjahr ein Wachstum der Unternehmenskredite um gut vier Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Analysten der Deutschen Bank sehen aber auch Warnsignale. Denn am deutlichsten hat die Nachfrage nach kurzfristigen Ausleihungen zugenommen. Das sei ein Anzeichen dafür, dass manche Firmen bereits mit sinkenden Mittelzuflüssen aus ihrem Geschäft zu kämpfen haben.

Ist es nun nur noch eine Frage der Zeit, bis die Geldhäuser vorsichtiger werden? "Die Banken sind sich der zunehmenden Risiken bewusst, das wirkt sich aber noch nicht auf die Bereitschaft zur Kreditvergabe und die Risikoprämien bei der Zinsgestaltung aus", sagt Berater Grunow. Mitunter seien lediglich die Anforderungen an Sicherheiten erhöht oder bestimmte Covenants an die Konjunktur angepasst worden. Covenants sind etwa auf die Einhaltung bestimmter Finanzkennzahlen wie Verschuldungsgrad und Gesamtkapitalrendite ausgerichtete Klauseln. Grunow registriert aber auch verstärktes Interesse an Mezzanine-Finanzierungen wie Genussscheindarlehen und stillen Beteiligungen sowie dem wachsenden Angebot von Beteiligungsgesellschaften. "All das ist Eigenkapital, mit dem der Mittelstand seine Bilanzstruktur optimieren und die Kreditwürdigkeit steigern kann", sagt er.

Viele Firmen, so Wissenschaftler Südekum, sind auch weiter in der Lage, ihre Investitionen aus den guten Gewinnen der letzten Jahre zu finanzieren. Wenn die Unsicherheit steigt, könnte das schwieriger werden. Zu denen, die rechtzeitig gegensteuern könnten, gehört die deutsche Politik. IWF-Ökonomin Gopinath rät dazu, die Leistungsbilanzüberschüsse durch öffentliche Investitionen in die Infrastruktur zu reduzieren und so Wachstum zu schaffen, das Firmen im In- und Ausland zu Aufträgen verhelfen würde. An sinnvollen Möglichkeiten mangelt es nicht. "Der Ausbau von 5-G-Mobilfunknetzen und der Aufbau einer Ladestationen-Infrastruktur für die E-Mobilität könnten dazu ebenso gehören wie Aufforstungsprogramme zur Absorption von Schadstoffen", sagt Südekum. Wenn Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt würden, brächte das der Industrie wieder mehr Sicherheit und Zuversicht.

Die Wirtschaft braucht aber auch Unterstützung dabei, ihre Lösungen besser an die Weltmärkte zu bringen. "Länder wie Finnland, Japan und Südkorea verknüpfen die Förderung von Innovationen zunehmend mit der Exportfinanzierung", nennt Wirtschaftsprofessor Klasen ein Vorbild. Die deutsche Politik könne dem Trend folgen und ein staatliches Exportfinanzierungsinstrument bereitstellen, dessen Leistungsfähigkeit über die durch den Hermes-Schutz angebotene Risikoversicherung hinausgehe. Klasen denkt dabei an die Schaffung einer staatlichen Bank, die auch Ausfuhrfinanzierungen bereitstellt. "Dänemark, Frankreich und Kanada etwa verfügen bereits über solche Instrumente", betont Klasen.

Bei der Finanzierung ihrer Exporte haben kleine und mittlere Unternehmen schon länger Probleme. Durch die Regulierungsanforderungen von Basel III wurden die Kosten der Geldhäuser in die Höhe getrieben. Vor allem die Risikoprüfung ist für sie mit viel Aufwand verbunden. "Bei Millionenfinanzierungen für Konzerne rechnet sich das, im kleineren Geschäft frisst es die Margen auf", sagt Klasen. Doch ohne Finanzierung wird der Handel für Exporteure oft schwierig. Zum Verkauf einer Maschine nach Brasilien etwa gehört nicht selten ein Lieferantenkredit oder ein Käuferkredit, den die deutsche Bank dem Abnehmer im Ausland einräumt. Da ist es nicht eben hilfreich, dass die Zahl der im Kreditgeschäft international präsenten deutschen Geldhäuser eher abnimmt. Das Problem könnte sich nun noch verschärfen. "Bei einer Zunahme der Handelskonflikte kann die Exportfinanzierung schnell zum Engpass werden", warnt Klasen.

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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