Exporte:Wirtschaft stellt sich auf Katastrophenjahr ein

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Desaströse Aussichten: Der Export leidet so stark wie nie seit der Wiedervereinigung, die Auftragseingänge brechen ein - und auch der Bau spürt die Wirtschaftskrise.

Die deutsche Industrie kämpft mit den stärksten Einbrüchen der Auftragseingänge des letzten Jahrzehnts. Die Bestellungen gingen im Zweimonatsvergleich Oktober/November gegenüber August/September nach vorläufigen Angaben um 13,1 Prozent zurück, wie das Wirtschaftsministerium am Donnerstag mitteilte. Verglichen mit den beiden Vorjahresmonaten ergibt sich sogar ein Minus von 22,4 Prozent. Allein für November meldete das Ministerium einen Rückgang gegenüber Oktober von sechs Prozent.

Sonnenaufgang am Hamburger Hafen: Die Exporte brechen ein, ebenso die Auftragseingänge - 2009 wird kein gutes Wirtschaftsjahr. (Foto: Foto: dpa)

Der Rückgang von 13,1 Prozent ist der stärkste seit 1998, dem Beginn dieser Aufzeichnungen im Wirtschaftsministerium. "Der starke Rückgang der Bestelltätigkeit setzt sich fort", hieß es aus dem Ministerium.

Die Nachfrage nehme auf breiter Front aus dem Inland und dem Ausland ab. "Die Industrieproduktion wird angesichts der Auftragsentwicklung in den kommenden Monaten weiter deutlich zurückgehen."

Im aussagekräftigen Zweimonatsvergleich (Oktober/November gegenüber August/September 2008) ergibt sich preis-, kalender- und saisonbereinigt ein Einbruch der Bestellungen aus dem Inland um 12,2 Prozent, aus dem Ausland um 14 Prozent.

Die stärksten Einbußen gab es in der Investitionsgüterindustrie mit minus 15,6 Prozent. Verglichen mit den Vorjahresmonaten sanken in Oktober/November die Auftragseingänge aus dem Ausland um 26,4 und die aus dem Inland um 17,9 Prozent.

Metallindustrie leidet

Aufgeschlüsselt nach Branchen sanken die Bestellungen in der metallverarbeitenden Industrie im November mit 9,5 Prozent am stärksten.

Im Maschinenbau gingen die Aufträge um 7,0 und bei den Herstellern von Büro- und Datenverarbeitungsgeräten um 5,2 Prozent zurück. Die Inlandsnachfrage sank im vorletzten Monat des letzten Jahres mit 7,6 Prozent stärker als die Auslandsnachfrage mit 4,4 Prozent. Die Bestellungen in der Konsumgüterproduzenten sanken um 1,2 Prozent, die der Investitionsgüterhersteller um 4,2 und die der Vorleistungsgüterhersteller um 9,5 Prozent.

Auch die Exporte leiden unter der sich deutlich abkühlenden Konjunktur. Im November brachen die deutschen Ausfuhren im Vergleich zum Vormonat um 10,6 Prozent ein, so stark wie noch nie seit der Wiedervereinigung, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Besonders stark gingen Exporte in andere EU-Länder zurück.

Im November 2008 wurden Waren im Wert von 77,1 Milliarden Euro ausgeführt. Im Vergleich zum November 2007 stürzten die Exporte damit um 11,8 Prozent ab - so tief wie noch nie seit Oktober 1993. Damit fielen die Ausfuhren aus Deutschland weitaus deutlicher als von den meisten Beobachtern zuvor erwartet.

Niedrigster Wert seit mehr als drei Jahren

Das Minus bei den Importen fiel im November nicht so stark aus wie bei den Exporten. So wurden Waren im Wert von 67,4 Milliarden Euro eingeführt, 5,6 Prozent weniger als im Vormonat, wie das Statistikamt mitteilte. Zum November 2007 ergibt sich nur ein Minus von 0,9 Prozent.

Der Außenhandelsüberschuss, die Differenz zwischen Exporten und Importen, belief sich damit auf 9,7 Milliarden Euro. Das ist der niedrigste Wert seit mehr als drei Jahren. Unter Herausrechnung von Kalender- und Saisoneinflüssen ist es der schlechteste Wert seit dem Jahr 2003.

Trotz der Finanzkrise waren die deutschen Exporte das ganze Jahr über - mit einem durch Sondereinflüsse bedingten leichten Ausreißer im August - immer gewachsen. Im November aber schlug die weltweit sich verschärfende Krise voll auf die exportorientierte deutsche Wirtschaft durch. So schwächte sich die Konjunktur wegen der Finanzkrise zuletzt in allen wichtigen Zielregionen der deutschen Ausfuhren - von Europa über Nordamerika nach Asien - gleichzeitig ab.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Deutschland bei schwächeren Exporten besonders leidet.

Deutschland als größte Exportnation der Welt ist besonders von den Ausfuhren abhängig. Angesichts der chronischen Zurückhaltung der deutschen Verbraucher beim heimischen Konsum trifft ein Rückgang beim Export die deutsche Wirtschaft besonders stark. Deutschland steckt seit dem Herbst in einer Rezession.

Den jüngsten Prognosen zufolge könnte für das laufende Jahr ein deutliches Minus bei der Wirtschaftsleistung von zwischen zwei und vier Prozent unter dem Strich stehen. Das Bundeswirtschaftsministerium schließt einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts hierzulande von bis zu drei Prozent nicht aus.

Mit den aktuellen Daten ist der Tiefpunkt nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) noch nicht erreicht. "Das Ergebnis im Dezember wird noch schlechter ausfallen", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Axel Nitschke. Darauf deute der schwache Autoexport hin.

"Grottenschlechte" Zahlen

Dieser war am Jahresende um 22 Prozent eingebrochen. "Die Zahlen sind grottenschlecht, der Rückgang ist ungewöhnlich steil", sagte Ulrike Kastens vom Bankhaus Sal. Oppenheim zu den Exportdaten. Wegen der lahmenden Weltkonjunktur breche derzeit die globale Nachfrage weg. Besserung sei für die deutsche Wirtschaft nicht in Sicht.

Von Januar bis November stiegen die Warenexporte um vier Prozent auf 927,8 Milliarden Euro. Der Branchenverband BGA rechnet bislang auch im Gesamtjahr 2008 mit einem Plus von rund vier Prozent. Für 2009 sagt BGA-Präsident Anton Börner aber einen leichten Umsatzrückgang voraus.

Bau blieb noch weitgehend verschont

Auch die Bauindustrie bekommt die Krise zu spüren, allerdings noch verhalten. Zwar sei die Bauwirtschaft 2008 noch von rezessiven Tendenzen verschont geblieben. Allerdings lassen die Auftragseingänge für die zweite Hälfte 2009 ein sinkendes Produktionsniveau erwarten, das auch von ersten Wirkungen der Konjunkturpakete nicht ausgeglichen werden dürfte. Das geht aus Zahlen hervor, die der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie in Berlin präsentierte.

Erst 2010 werde sich "die volle Wucht der gesamtwirtschaftlichen Rezession" in der deutschen Bauwirtschaft niederschlagen, berichtete der Verband. Ein aufgrund der Konjunkturprogramme florierender öffentlicher Bau werde 2009 die Einbrüche im Wohnungsbau und vor allem im Wirtschaftsbau real nicht ausgleichen können, hieß es.

2008 registrierte die Bauindustrie eine Umsatzsteigerung um nominal sechs Prozent, womit die Vorhersagen von vier Prozent deutlich übertroffen wurden. Der Zuwachs verwischt allerdings große Unterschiede nach Bausparten, Unternehmensgrößen und Regionen. So nahm der Wirtschaftsbau um zehn Prozent zu. "Als zweite Stütze des Bauaufschwungs hat sich der öffentliche Bau etabliert", schrieb der Verband. Einbrüche gab es vor allem im Wohnungsbau in Westdeutschland mit einem Minus von 5,9 Prozent.

© sueddeutsche.de/AP/AFP/Reuters/hgn/pak/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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