Exportbremse:Der unheimlich starke Euro

Lesezeit: 2 min

Deutsche Unternehmen haben aus früheren Kurssteigerungen noch nicht genug gelernt.

Von Nikolaus Piper

Wer eine Notenbank leitet, muss ein Gefühl für das rechte Wort zur rechten Zeit haben. Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, wählte am Montag das Wort "brutal". Auf einer Pressekonferenz in Basel sagte Trichet: "Die jüngsten Schwankungen, die im Devisenhandel des Euro zum Dollar schon fast brutal sind, sind vom Standpunkt der EZB aus nicht willkommen."

In Basel hatten sich die Zentralbankchefs der zehn wichtigsten Industrie- und Entwicklungsländer zu einer Sitzung getroffen. Spekulanten verstanden die Botschaft: Notfalls, deutete Trichet an, könnte die EZB Dollars kaufen, um den Kurs zu stabilisieren. Zuvor war der Euro auf den Rekordkurs von 1,2985 Dollar gestiegen. Nach den Äußerungen Trichets gab es einen scharfen Knick und die Preiskurve entfernte sich von der 1,30 Dollar-Grenze.

Warum der Euro so teuer ist

Dabei gibt es viele Gründe, warum der Euro teuer und der Dollar billig ist. Der wichtigste ist das amerikanische Leistungsbilanzdefizit: Die Amerikaner verbrauchen derzeit ungefähr fünf Prozent mehr, als sie produzieren.

Viele Experten halten diese Lücke für unproblematisch, weil Ausländer sie bisher problemlos finanziert haben, indem sie amerikanische Aktien oder Staatsanleihen kauften. Diese Ausländer, vor allem Japaner und Chinesen, haben Interesse daran, dass der Dollar nicht zu sehr verfällt.

Andererseits kommt der Regierung in Washington ein schwacher Dollar durchaus gelegen. Er verbilligt amerikanische Exporte - eine bequeme Alternative zur sonst fälligen Konsolidierung des Haushalts. Deshalb ist die jüngste Abwertung auch eine Reaktion auf den Ausgang der Wahlen in Amerika. George Bush hatte schließlich Steuersenkungen empfohlen, was zu höheren Defiziten in Haushalt und Leistungsbilanz führen dürfte.

Billiger Dollar, billigeres Öl

Ein Wechselkurs von 1,2948 Dollar für den Euro entspricht 1,5105 Mark für den Dollar. Bei diesem Kurs wurde die deutsche Exportwirtschaft früher nervös, weil sie um ihre Wettbewerbsfähigkeit fürchtete. Generell reagieren die Firmen heute gelassener. Trotz des teuren Euros ist der Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz 2003 auf 48,06 Milliarden Euro gestiegen - gegenüber 45,67 Milliarden im Jahr 2002.

Geholfen hat dabei die Währungsunion selbst: Waren für 184,1 Milliarden Euro führten die Deutschen im ersten Halbjahr 2004 in den Euroraum aus - das sind 43,3 Prozent des gesamten Außenhandels. Hier spielt der Wechselkurs naturgemäß keine Rolle. In die USA gingen dagegen nur 8,9 Prozent. Angenehm für die Verbraucher ist auch, dass der teure Euro die Folgen des hohen Ölpreises abmildert; Öl wird überwiegend in Dollar abgerechnet.

All dies nützt allerdings solchen Firmen nichts, die stark vom amerikanischen Markt abhängen. Volkswagen hat schon in März angekündigt, dass die Gewinne unter dem billigen Dollar leiden würden. VW hatte den Fehler begangen, sich nicht gegen den Kursverfall zu versichern. Solche Kurssicherungsgeschäfte sind heute eigentlich unabdingbar:

BMW und die USA

Entweder das Unternehmen vereinbart, zu einem bestimmten Termin Dollars zu einem festgesetzten Kurs zu verkaufen ("Devisentermingeschäft") oder es erwirbt eine Option auf den Verkauf von Dollars, den die Firma nur dann ausübt, wenn sie will.

Auf diese Weise hat BMW in diesem Jahr sein gesamtes Amerikageschäft versichert, 2005 allerdings nur noch ein Drittel, was einige bei BMW schon als Risiko sehen. BMW hat im vergangenen Jahr für 11,25 Milliarden Euro Autos in die Vereinigten Staaten verkauft - ungefähr ein Viertel des Gesamtumsatzes.

Porsche war Anfang der neunziger Jahre in eine tiefe Krise geraten, weil die Dollargeschäfte nicht versichert waren. Seither versucht das Unternehmen, seinen gesamten Export auf drei Jahre hinaus zu sichern. Was dies kostet und wie effizient das Verfahren ist, "gehört zu unseren am besten gehüteten Geheimnissen", sagt ein Sprecher. Amerika ist für Porsche der bei weitem wichtigste Markt.

Im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden dorthin 31.356 Autos verkauft, acht Prozent mehr als Vorjahr und rund vierzig Prozent des gesamten Umsatzes. Klar ist aber auch: Auch die besten Kurssicherungsgeschäfte können nicht verhindern, dass ein dauerhaft billiger Dollar auf die Firmen durchschlägt. Dann müssen sie Preise und Kosten senken.

© SZ vom 9.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: