Ex-Manager von Boris Becker:Vorteil Tiriac

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Der einstige Manager von Boris Becker widmet sich nur noch dem großen Geschäft - und ist zu einer Schlüsselfigur der rumänischen Wirtschaft aufgestiegen.

Von René Hofmann

Der Mittwoch war ein typischer Ion-Tiriac-Tag. Zu ihrem zehnten Geburtstag lud die Allianz-Tiriac Asigurari, ein Versicherungs-Joint-Venture zwischen Tiriac und der deutschen Allianz, zur Pressekonferenz in ein nobles Bukarester Hotel; Empfang mit Kunden und Ministern, Brahms, Beethoven und Buffet inklusive.

Gewaltiger Schnauzbart, grimmiger Blick: Ion Tiriac. (Foto: Foto: AP)

Werner Zedelius, Vorstandsmitglied der Allianz, eilte extra herbei. Und was macht Tiriac, der Gründer des Unternehmens, dessen bekanntestes Gesicht und so etwas wie der Star des Abends? Er sagt kurzfristig ab.

Vor einem Jahr hat Rumäniens Premier Adrian Nastase um Tiriac eine zehnköpfige Kommission gegründet, die Investoren ins Land locken soll. Am Mittwoch warb sie dafür in Brüssel. Das geht vor, immer. Business first. So ist Ion Tiriac.

In Deutschland wird er immer noch oft anders wahrgenommen. Der gewaltige Schnauzbart, der grimmige Blick - hierzulande ist das ein Gesicht der Achtziger, der Kopf, der immer neben Boris Becker aufschien.

Tiriac hat Becker groß gemacht, und mit ihm ist er selbst groß geworden. Klug, geradlinig, gewinnbringend, so hat er Becker vermarktet.

Später beriet er den Deutschen Tennis-Bund, organisierte Turniere wie etwa das in Stuttgart. Inzwischen ist es nach Madrid weitergezogen, weil der deutsche Tennismarkt schrumpft. Tiriac aber wächst. Und das Feld, auf dem er mittlerweile spielt, ist nicht mehr durch neun weiße Linien begrenzt.

Mit dem ersten Flieger

Zehn Jahre lang hatte er Ceausescus Rumänien nach 1980 nicht betreten. Als der Eiserne Vorhang fiel, nahm er den ersten Flieger und legte los. Das Auftaktprojekt: ein Mercedes-Autohaus, 9000 Quadratmeter groß, 25 Millionen Mark teuer.

Ob Luxuskarossen das Dringendste sind, was ein siechendes Land braucht, darüber lässt sich streiten, aber sie verkauften sich gut, und Tiriac war ja als Geschäftsmann heimgekehrt und nicht als Heiland.

Ein Heiland gründet keine Bank. Die "Banca Comerciale Ion Tiriac" war die erste private des Landes, die "Asigurari Ion Tiriac", mit der sich die Allianz im Jahr 2000 zusammentat, war die erste private Versicherung. 44 Prozent hält Tiriac heute noch an dem Unternehmen. Daneben gehören ihm Anteile am populären Fernsehsender Pro-TV, der Radiostation Pro-FM, von Avis Rumänien und Metro.

Mit der Lufthansa und der staatlichen Fluglinie Tarom gründete er ein Joint Venture, das Dienstleistungen rund um den Flugverkehr anbietet. Daneben ist er Mercedes-Generalimporteur. Auch Nokia hat er geholfen, in den Markt zu finden - und Ford, was zeigt, dass es für Tiriac kein Problem ist, bisweilen entgegengesetzte Interessen zu vertreten.

Pragmatismus

Aufgewachsen ist er in Brasov, das damals noch öfter Kronstadt genannt wurde. Als die Nazis wüteten, versteckten seine Eltern zwei Juden auf der Toilette. Später, als die Russen kamen, gewährten sie im gleichen Versteck zwei Deutschen Unterschlupf. Pragmatisches, unabhängiges Handeln - das hat Tiriac früh gelernt.

Wer seine Vita liest, merkt: Sein Leben zerfällt in drei Teile, von denen sich einer aus dem anderen ergab. In seinem ersten Leben war Tiriac Sportler, im zweiten managte er andere Athleten, im dritten, das derzeit auf seinen Zenit zusteuert, reüssiert er als geschätzter Netzwerker.

Im Council of Strategy, das Investoren nach Rumänien holen soll, sitzen unter anderem Bodo Hombach, einst Kanzleramtsminister, Klaus Mangold, einst Daimler-Chrysler-Vorstand, und Adolph Wala, der Präsident der Österreichischen Nationalbank. Tiriac sitzt dem Gremium vor.

Tiriac stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Als sein Vater, ein Postbeamter, stirbt, ist er elf. Mit dem, was er als Härteprüfer für Kugellager in einer Lkw-Fabrik verdient, ernährt er die Familie mit. Zu dieser Zeit lernt er, den Wert von Arbeit schätzen.

Sport als Mittel

Die nächste Lektion bringt er sich selbst bei: Aufwand minimieren, Ertrag steigern. Als Mittel dazu dient der Sport. Er mag Eishockey. Also schneidet er sich Löcher in seine einzigen Turnschuhe, steckt Kufen an und übt. Als die Mutter die ruinierten Schuhe entdeckt, gibt es Prügel. Er übt weiter. Mit 16 kommt er ins Nationalteam; das schließt ihm den Westen auf.

Bei Olympia 1964 in Innsbruck wird er Zwölfter. Im Tennis, zu dem er danach wechselt, erreicht er dreimal das Davis-Cup-Finale und 1968 Rang acht der Weltrangliste, obwohl sein Talent überschaubar ist. "Es gab nur einen Anreiz: rauszukommen. Das ist ein Antrieb, den ihr im Westen nie hattet", hat Tiriac einmal gesagt.

Auch draußen ist er kalkuliert kühl: "Bis 1985 habe ich mit dem Argentinier Guillermo Vilas gearbeitet. Danach", sagt Tiriac, "wollte ich einen Engländer oder einen Deutschen als Star aufbauen. Beide Nationen warteten seit mehr als 30 Jahren auf einen Tennishelden." Schon bei Becker folgte er einer Idee. Wie ein Getriebener. Es gab Jahre, in denen er mehr als 300 Tage mit und für Becker unterwegs war.

Mit dem gleichen Einsatz stürzte er sich anschließend auf die nächste Idee: "Normalerweise mache ich mir nichts daraus, wo ich bin. Aber Rumänien bleibt immer Rumänien", sagt Tiriac. "Hier bin ich geboren. Hier bin ich verwurzelt. Hier ist meine Heimat." Und das wiederum ist für ihn ein geldwerter Vorteil. "Als Rumäne kenne ich mein Land und seine Möglichkeiten besser als jeder Ausländer", sagt er.

Marktführerschaft

Andere, die Rumänien auch ein wenig kennen, sagen: Es ist einfacher, dort mit Tiriac Geschäfte zu machen, als gegen ihn. In Tschechien und in Polen hat sich die Allianz alleine an den Start gewagt. In Ungarn und Bulgarien hat sie bestehende Unternehmen übernommen. In Rumänien ging sie das Joint Venture mit Tiriac ein. Mit Erfolg: 2002 hat die Allianz-Tiriac Asigurari die Prämien von 55 auf 108 Millionen Euro verdoppelt, 17,2 Prozent aller in Rumänien abgeschlossenen Versicherungen verbucht und damit die Marktführerschaft übernommen. Sie wächst - viel schneller als der Rest des Landes.

2001 erreichte Rumänien ein Bruttoinlandsprodukt pro Kopf von 1980 Euro - ein Drittel dessen, was die Nachbarn in Ungarn erwirtschafteten. Auch in diesem Jahr wird der größte Investor die Osteuropabank sein. Rund zwei Milliarden Euro will sie in das Land pumpen, doch gerade erst hat ihr Chefökonom Willem Buiter gewarnt: Die Reformen kämen "schmerzhaft langsam" voran.

Für Ion Tiriac, 64, geschätztes Privatvermögen 700 Millionen Euro, jetzt schon Arbeitgeber von 10.000 Rumänen, gibt es noch einiges zu tun.

© SZ vom 07.02.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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