Europäische Schuldenberge:Wie der Pakt zu retten ist

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Die Spötter freuen sich: 2003 verletzt gleich der gesamte Euroraum die Schuldengrenze des EU-Stabilitätspaktes. Was passieren muss, damit der wichtige Kontrollmechanismus wieder funktioniert.

Von Alexander Hagelüken

Wer sich schon längst mal über den Stabilitätspakt lustig machen wollte, hat jetzt Gelegenheit. Da haben die zwölf Euro-Staaten heilige Eide auf ein Regelwerk geschworen, das die Verschuldung in der neuen Währungszone begrenzen soll. Und dann überschreitet dieses Jahr gleich der gesamte Euroraum die vorgeschriebene Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Spötter genießen die Situation

Wie das bei Durchschnitten eben so läuft: Die kleinen Länder sparen, aber die Schwergewichte Deutschland und Frankreich ziehen die Währungsgemeinschaft hinab. Ein stärkeres Symbol für den Niedergang einer Idee lässt sich kaum denken. Spötter wie der Nobelpreisträger Milton Friedman, die den Pakt schon immer dumm fanden, werden die Situation genießen.

Die Europäer haben weniger Zeit zu lachen. Durch die Explosion der Defizite stellt sich ihnen folgenreich wie nie die Frage, ob sie die Fiskalpolitik im Euro-Raum überhaupt regulieren wollen.

Heißt die Antwort "nein", können sie den Stabilitätspakt auf den Müllhaufen werfen. Dann könnte jedes Land staatliche Impulse nach Wunsch setzen. Es gäbe kein Risiko mehr, durch Sparregeln bei der Wachstumsbelebung gehemmt zu werden.

Das Regelwerk lässt durchaus Leine

Die entscheidende Frage ist, wie groß dieses Risiko wirklich ist. Verhindert der Pakt antizyklische Politik? Eines lässt sich klar beobachten: Die Brüsseler Hüter des Pakts erlauben Deutschland und Frankreich, der Krise gegenzusteuern, obwohl beide Staaten ihre Defizite nicht mal im Boom reduzierten. Das Regelwerk lässt also Leine.

Aber diese Flexibilität ist nicht endlos. Anders geht es auch kaum, denn der Pakt soll Gefahren für den Euro abwehren. Wer früher in Europa unsolide Haushaltspolitik betrieb, wurde durch höhere Zinsen für sein nationales Geld bestraft.

In der Währungsunion verteilt sich dieser Nachteil auf alle Staaten, während die kurzfristigen politischen Vorteile des Geldausgebens allein beim Schuldner bleiben. Diesen Anreiz zur Defizitbildung verstopft der Pakt.

Das entscheidende Datum ist 2004

Er kann diese Aufgabe nur erfüllen, wenn sich die Euro-Staaten an die Regeln halten. Wer den Pakt retten will, muss deshalb zu Konsequenzen für die Staaten bereit sein, die wieder über die Drei-Prozent-Grenze rutschen. Das entscheidende Datum ist 2004, weil da die Frist für die Rückkehr zur Solidität abläuft.

Beim Urteil über die Sorgenländer ist Differenzierung angesagt: Müht sich die Bundesrepublik, aber ohne Erfolg, mag sie vergleichsweise milde davonkommen. Wer, wie die Regierung in Paris EU-Regeln offen ignoriert, fordert härtere Sanktionen selbst heraus.

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