EuroCombis:Achtung: Überlänge

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Für die einen sparen sie Diesel und entlasten die Straßen - für die anderen sind sie das Umweltdesaster schlechthin: 25 Meter lange und 60 Tonnen schwere LKW. Die Verkehrsminister votierten nun zunächst einmal gegen die Super-Brummis.

"Achtung Überlänge" steht auf der Fahrzeugplane und eine rote Zahl weist auf das ganze Ausmaß des Lastzuges hin: 25 Meter.

Besucher der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) für Nutzfahrzeuge begutachten Eurocombi-LKW diverser Hersteller. (Foto: Foto: dpa)

Überlange EuroCombis, die exakt 25,25 Meter lang sind und bis zu 60 Tonnen wiegen können, gehören in Finnland und Schweden längst zum Straßenbild.

In Deutschland fehlt ihnen die Zulassung, wobei die "Monstertrucks" allerdings im Rahmen verschiedener Pilotversuche in einigen Bundesländern bereits getestet wurden.

In der zweiten Oktoberwoche berieten dann die Verkehrsminister von Bund und Ländern, ob es künftig einen dauerhaften und deutschlandweiten Einsatz der Super-Brummis geben sollte.

Knappe Mehrheit gegen die Zulassung

Bei der Verkehrsministerkonferenz in Merseburg, Sachsen-Anhalt, sprachen sich die Länder-Verkehrsminister schließlich mit einer knappen Mehrheit gegen die Zulassung der Riesen-Lastwagen auf Deutschlands Straßen aus. Die auch Gigaliner genannten Fahrzeuge seien ein zu hohes Risiko für die Verkehrssicherheit und könnten die Tragfähigkeit der Brücken überfordern, hieß es in dem Beschluss der Konferenz.

Zehn Länderminister stimmten gegen die Riesen-Laster, sechs dafür. Ihre Entschließung ist eine Empfehlung an den Bund. Auch Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) lehnt die Gigaliner aber ab.

Bisher sind in Deutschland nur Nutzfahrzeuge üblich, die eine Länge von 19 Metern und ein Gewicht von 40 Tonnen nicht überschreiten.

Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße befürchtet

Industrie und Handel plädieren für die Zulassung der Riesen-Lastwagen, vor allem um Kosten zu sparen. Die Allianz pro Schiene, der Umwelt- und Verkehrsverbände angehören, befürchtet dagegen eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße.

Tiefensee sieht im Fall einer Zulassung die Gefahr von Milliardenkosten, unter anderem weil mit großen Schäden an Straßen, Tunneln und Brücken zu rechnen sei.

Die Infrastruktur in Deutschland sei für die Gigaliner nicht ausgelegt, sagte auch Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU), derzeit der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz. Eine Zulassung würde zudem die Bemühungen der Länder konterkarieren, den Schwerlastverkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen.

Große Fahrzeughersteller in einigen Bundesländern

Dagegen plädierten unter anderem Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachen einem Sprecher Daehres zufolge für die Einführung der Gigaliner. In diesen Ländern seien große Fahrzeughersteller oder Speditionen angesiedelt.

Nordrhein-Westfalen kündigte demnach an, das begonnene Modellprojekt wie vorgesehen zu beenden und anschließend auf EU-Ebene aktiv werden zu wollen.

Im Beschluss der Verkehrsministerkonferenz wird als weiterer Grund für die Ablehnung der Gigaliner geltendes EU-Recht genannt, das einer allgemeinen Zulassung entgegenstehe. In Schweden oder Finnland dürfen die Riesen-Laster allerdings schon längst über die Straßen rollen.

Gutachten und Studien

Bislang fuhren die Interessensverbände - pro und contra Riesen-Truck - ihre Geschütze in Form von Gutachten und Studien auf und veranstalten regelrechte PR-Feuerwerke um die Entscheidungsträger auf ihre Seite zu ziehen.

An der EuroCombi-Front kämpften der Bundesverband des Groß- und Außenhandels (BGA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Verband der Automobilhersteller (VDA) sowie der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) und der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE).

Bahnstreiks machen die Schiene nicht attraktiver

Der gezielte Einsatz der Riesen-LKW bringe Vorteile für die Umwelt, entlaste den Verkehr und reduziere gleichzeitig die Kosten der Handelsunternehmen", heißt es in den Positionspapieren.

Und so manchem kommt in der aufgeheizten Debatte der noch immer nicht beendete Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn AG und ihren Lokführern gerade recht.

Die angedrohten Bahnstreiks zeigten, dass der Frachtverkehr auf der Schiene "nicht nur teurer, sondern auch deutlich störanfälliger ist", führt der HDE ins Feld.

Für die Gegner der 25-Meter-Lastzüge wäre deren flächendeckende Zulassung das Umweltdesaster schlechthin.

Bundesweit würden dann 125.000 Monstertrucks über die Straßen rollen und die Güter transportieren, die vorher auf der Schiene waren", warnt die "Allianz pro Schiene".

Unveröffentlichte Studie des Verkehrsministers

Die Organisation beruft sich dabei auf eine bislang unveröffentlichte Studie, die das Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegeben hat.

Mit den Riesen-LKW werde Deutschland "im Stau und in Abgasen ersticken", so Norbert Hansen, Vorsitzender der Schienen-Allianz, zu der sich neben Bahnunternehmen auch Umweltverbände, Verkehrsgewerkschaften und Automobilverbände zusammengeschlossen haben.

"Ökoliner" - aber nur bei voller Auslastung

Unterstützung für die überlangen "EuroCombis" kam schon vor der Verkehrsministerkonferenz vom niedersächsischen Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP): "Gigaliner können einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung des zunehmenden Güterverkehrs und zu Klimaschutz leisten", so Hirches Fazit nach einem Jahr EuroCombi-Probebetrieb in Niedersachsen.

Wegen der positiven Ökobilanz sei eigentlich die Bezeichnung "Ökoliner" richtig, verbreitete der Minister. Selbstverständlich hatte er eine Studie zur Hand, mit der sich das Lob der Riesen untermauern lässt.

Eine Untersuchung des Instituts für Verkehrswirtschaft an der Leibniz Universität Hannover zeige, dass sich durch den Einsatz der innovativen Lastkraftwagen je Tonne und Kilometer bis zu 30 Prozent Kraftstoff einsparen lasse, was wiederum einer bis zu 30-prozentige Schadstoffreduktion mit sich bringt, heißt es aus dem niedersächsischen Ministerium.

Das Umweltbundesamt will diese Rechnung so allerdings nicht gelten lassen. Zu einer deutlichen Kraftstoffreduktion käme es nur, wenn die superlangen LKW tatsächlich zu mindestens 80 Prozent ausgelastet seien, erklärt die Behörde.

Zwei EuroCombis statt drei herkömmlichen LKW

Herkömmliche LKW seien derzeit jedoch gerade einmal mit einer durchschnittlichen Auslastung von 64 Prozent unterwegs, und Anhaltspunkte dafür, dass die Riesen-Trucks in diesem Punkt effektiver wären, sehen die Umweltexperten nicht.

Die Gegner der Gigaliner konnten allerdings schon seit längerem mit der Unterstützung von Bundesverkehrsminister Tiefensee rechnen, den die EuroCombis bislang nicht überzeugen konnten. Sämtliche Studien hätten gezeigt, dass bei einer Zulassung der überlangen Trucks mit einer massiven Rückverlagerung des Gütertransportverkehrs von der Schiene auf die Straße zu rechnen sei, so der Minister in einem Zeitungsinterview.

Tiefensee stützt sich dabei unter anderem auf das Gutachten des Umweltbundesamtes. Wenn zwei EuroComis die Transportleistung von drei herkömmlichen LKW übernähmen, würden sich die Transportkosten um bis zu 25 Prozent verringern, heißt es in dem Papier.

Ein Rückgang der Schienentransporte wäre die unvermeidliche Folge. Denn langjährige Marktbeobachtungen hätten gezeigt, dass die Menge der Schienengüter um 1,8 Prozent zurückgeht, wenn der Straßengütertransport ein Prozent billiger wird.

Bundesweiter Feldversuch vonnöten

Bei einem Kostenrückgang von 20 Prozent würde die Schiene in "relevanten Marktsegmenten bis zu 38 Prozent ihrer Gütertransportmenge verlieren", befürchten die Experten vom Umweltbundesamt.

Beim Speditions- und Logistikverband sieht man das natürlich ganz anders. Das anhaltende Verkehrswachstum erfordere Effizienzsteigerungen bei allen Verkehrsträgern. "Wenn der Kuchen größer wird, können sich sowohl Schiene als auch Straße ihren Teil davon abschneiden", so DSLV-Sprecher Ingo Hodea.

Nachdem die Verkehrsminister nun keine positive Zulassungsentscheidung gefällt haben, hoffen die Befürworter der Straßenriesen zumindest auf mehr Zeit.

Nach den Pilotversuchen einiger Bundesländer müsse nun ein bundesweiter Feldversuch laufen, fordern sie schon mal. Erst danach könne auf geeigneter Datenbasis über die Zukunft der Gigaliner entschieden werden.

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